Am 22. April war es beim Sonderlandtag über die Autonomiereform zum Eklat gekommen, weil Landtagspräsident Arnold Schuler (SVP) keine Abstimmung zu den einzelnen Punkten des Entwurfs zulassen wollte. Die gesamte Opposition hatte deshalb den Saal verlassen — womit die Sitzung zu Ende war, noch bevor sie richtig begonnen hatte.
Keine Auflagen
Tags darauf war der Sonderausschuss des Landtags einberufen, der die Aufgabe hatte, die offizielle Stellungnahme zur Reform für das Plenum vom 6. Mai vorzubereiten. Doch die Mehrheit aus SVP und Rechten machte unmissverständlich klar, dass es sich bei dem Entwurf um ein fertiges Verhandlungsergebnis handle und sie deshalb — nach dem Motto »Vogel friss oder stirb« — keinen Auflagen zustimmen werde, obwohl sie dem Landtag sehr wohl zustehen würden.
Der Landtagsabgeordnete Andreas Leiter Reber hat auf der Website der Freien Fraktion die von ihm eingebrachten Änderungsvorschläge veröffentlicht. Sie hätten folgende Punkte umfasst und wurden allesamt niedergestimmt:
- Buchstabe q) des Entwurfs: nach dem »Autonomieniveau« (it. livelli di autonomia) sollte auch ein Verweis auf den Minderheitenschutz (it. tutela delle minoranze) eingefügt werden;
- Buchstabe r) des Entwurfs: nach den »besonderen Autonomiebedingungen« (it. particolari condizioni di autonomia) sollte auch hier der Minderheitenschutz (it. tutela delle minoranze) erwähnt werden;
- Buchstabe s) des Entwurfs: die Bezeichnung »Trentino-Südtirol« statt »Trentino-Südtirol/Alto Adige« in der deutschen Übersetzung sollte beibehalten werden (vgl.).
Zumindest die beiden ersten Punkte hätte man durchaus als nötige und hoffentlich unstrittige Präzisierung statt als inhaltliche Abänderung verstehen können, doch wurden sie beide mit 18 zu 17 Stimmen abgelehnt. Auch SVP und F wollten also — im Unterschied zur gesamten Opposition! — nicht ausdrücklich und rechtsverbindlich im Text festhalten lassen, dass bei einseitigen Änderungen des Autonomiestatuts durch den Zentralstaat neben dem Autonomie- auch das Minderheitenschutzniveau beizubehalten ist.
Leiter Reber macht auf das nicht unwesentliche Detail aufmerksam, dass bei diesem Abstimmungsergebnis nur 14 Abgeordnete der Sprachminderheiten dagegen- und 16 dafürgestimmt haben.
(Ich weiß nicht, ob das in diesem Fall möglich ist, aber vielleicht sollte ja im Plenum vom 3. Mai die nach Sprachgruppen getrennte Abstimmung gemäß Artikel 56 des Autonomiestatuts angedacht werden?)
Nur Bemerkungen
Angenommen wurden vom Sonderausschuss lediglich unverbindliche »Bemerkungen«, von denen auf der Website der Freien Fraktion ebenfalls einige nachzulesen sind. Dabei sind die von der Regierungsmehrheit eingebrachten und genehmigten Bemerkungen größtenteils peinliches Eigenlob. So wurde festgehalten, dass
- die vorgeschlagenen Änderungen des Autonomiestatuts in ihrer Gesamtheit einen wesentlichen und begrüßenswerten Fortschritt für die Entwicklung der Autonomie darstellen;
- mit den vorgeschlagenen Änderungen des Autonomiestatuts wichtige Schritte im Sinne der Wiederherstellung bzw. Rückgewinnung der durch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes geschmälerten Gesetzgebungsbefugnisse gesetzt werden;
- die Anpassungen im Bereich der Sprachgruppenvertretung in den Exekutivorganen und in Bezug auf die Mindestansässigkeitsdauer für die Ausübung des aktiven Wahlrechtes mit der Zielsetzung des Minderheitenschutzes vereinbar und in deren Lichte auszulegen und anzuwenden sind;
- die vorgeschlagene Präzisierung hinsichtlich der Rolle der Durchführungsbestimmungen zum Autonomiestatut deren Funktion zur dynamischen Anpassung und Weiterentwicklung der Autonomie stärkt;
- für künftige Änderungen des Autonomiestatuts auch innerstaatlich ein Einvernehmensprinzip zum Schutze und zur Wahrung des geltenden Autonomieniveaus eingeführt wird;
- mit dem gegenständlichen Verfassungsentwurf keine vollständige Anpassung des Autonomiestatuts an die Verfassungsreform von 2001 erfolgt und die Besserstellungsklausel gemäß Artikel 10 des Verfassungsgesetzes Nr. 3/2001 in Bezug auf die im Verfassungsgesetzentwurf nicht explizit geregelten Bereiche weiterhin Anwendung findet;
- die vorgeschlagenen Änderungen eine Reihe von Maßnahmen des »Südtirol-Paketes« betreffen, so dass der Verfassungsgesetzentwurf aus diesem Grund und in Übereinstimmung mit der bisherigen Praxis der einvernehmlichen bilateralen Vorgangsweise auch an die Republik Österreich zu übermitteln ist.
Etwas Substanz haben höchstens die beiden letzten Punkte, doch damit sie irgendeine Wirkung entfalten, hätten sie in den Reformentwurf (oder zumindest in den offiziellen Begleitbericht) gehört. Als »Bemerkung« sind sie ein zahnloser Tiger.
Genauso zahnlos übrigens wie jetzt die Feststellung, dass der Staat bei einseitigen Abänderungen des Autonomiestatuts neben dem Autonomie- auch das Minderheitenschutzniveau einhalten sollte. Dieser Punkt wurde schlussendlich nämlich doch genehmigt, aber lediglich als »Bemerkung« anstatt als Auflage. Damit wischt sich das Verfassungsgericht im Zweifelsfall höchstens den Allerwertesten ab.
Insgesamt wurde der unabänderliche Reformentwurf mit 28 zu 6 Stimmen bei einer Enthaltung gutgeheißen.
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