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Polizei gegen Bildungscamp des slowenischen Studierendenklubs.
Koroška/Kärnten – Peršman

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Polizeieinsatz gegen Kärntner Sloweninnen und Slowenen in Koprivna pod Peco/Koprein-Petzen bei Železna Kapla/Bad Eisenkappel, in Wien durften die rechtsradikalen Identitären ungehindert demonstrieren. Verkehrte Welt.

Für Betroffene wohl überraschend hat die Polizei am Sonntag Vormittag das antifaschistische Bildungscamp des slowenischen Studierendenklubs beim Peršmanhof gestürmt. Es kam zu Verhaftungen und zu einer Hausdurchsuchung in der Gedenkstätte, die an die Ermordung und Vertreibung slowenischer Familien in der Nazizeit erinnert.

Ausgerechnet dort, wo die SS am 25. April 1945 vier Erwachsene und sieben Kinder der Großfamilie Sadovnik ermordete. Der Peršmanhof ist ein Museum zu Geschichte und Widerstand der Kärntner Slowenen während der Zeit des Nationalsozialismus.

Die Grüne Nationalratsabgeordnete Olga Voglauer, Kärntner Slowenin, kritisierte den Polizeiaufmarsch als unverhältnismäßig: »Eine inakzeptable Verhöhnung jener, die an diesem Ort ermordet wurden und respektlos gegenüber jungen Menschen, die sich mit Antifaschismus, Widerstand und Demokratie beschäftigen.«

Antislowenischer Behördenleiter?

»Es scheint kein Zufall, dass der Einsatz beim Peršmanhof über den Tisch des Völkermarkter Bezirkshauptmanns gegangen ist. Jener Behördenleiter, der über Jahre das faschistische Ustaša-Treffen in Bleiburg-Pliberk ermöglichte und es bis zu seiner Einstellung verteidigte. Vergleichbare massive Polizeieinsätze beim faschistischen Treffen gab es trotz mehrerer dokumentierter Verstöße kein einziges Mal«, kritisierte Lukas Hammer, Sprecher der Grünen für Gedenkpolitik und Rechtsextremismus.

Für Voglauer und Hammer ist der vom slowenischen Klub praktizierte Antifaschismus keine Provokation, sondern Verfassungsauftrag.

Entsetzt reagiert Markus Gönitzer vom Društvo/Verein Peršman auf den Polizeieinsatz: »Was sagen diese Ereignisse über die Wertschätzung gegenüber der kärntnerslowenischen Volksgruppe und ihrer Geschichte aus?«  

Für Bernard Sadovnik, ein Nachfahre der Familie Sadovnik und Vorsitzender des Volksgruppenbeirates beim Bundeskanzleramt, reißt »ein massiver Polizeieinsatz genau 80 Jahre nach dem Massaker bei mir als Nachkomme Wunden auf. Ich bin ohne Worte und von den Gesprächen mit den jungen Menschen vor Ort zutiefst betroffen.«

Mitorganisatorin Meta Vouk sprach von einer massiven Retraumatisierung durch den Polizeieinsatz, Milan Wutte, Nachfahre eines Widerstandskämpfers und Obmann des Verbandes der Kärntner Partisanen, erinnerte die Republik Österreich daran, dass es »ohne den Widerstand unserer Vorfahren gegen das NS-Regime das souveräne Österreich nicht geben würde.«

Kriminalisierung der Erinnerungsarbeit

Eva Hartmann vom Društvo/Verein Peršman kritisierte den Kriminalisierungsversuch der Erinnerungsarbeit. Als besonders schwerwiegend nannte Hartmann, dass die Polizei Nachfahren von NS-Opfern und Widerstandskämpfer:innen vorschreiben möchte, wie Gedenken auszusehen hat und dass sie das selbstbestimmte Gedenken im Museum strafrechtlich sanktionieren möchte.

Den Veranstaltern des Antifa-Bildungscamps, dem Klub Slowenischer Studentinnen und Studenten in Wien KSŠŠD, wurden von den Behörden drei Gründe für den Großeinsatz der Polizei genannt: Mögliche Verwaltungsüberschreitungen in den Bereichen Campinggesetz und Naturschutz sowie ein sittenwidriger Umgang mit der Gedenkstätte wegen des antifaschistischen Bildungscamps. Ähnlich würde wohl der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán auf unbotmäßige Minderheiten reagieren.

Verkehrte, schräge Welt

Ob nicht der Völkermarkter Bezirkshauptmann mit seiner Aktion gegen den Staatsvertrag verstoßen hat? Verletzung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit? Einschüchterung von Angehörigen der slowenischen Minderheit? Ein durch und durch sittenwidriges Verhalten des Bezirkshauptmannes.

In Wien durften die rechtsradikalen Identitären von der Polizei ungehindert demonstrieren, Martin Sellner begrüßte Polizeioffiziere mit Handschlag, Polizisten wiederum lösten Sitzblockaden auf, verhafteten 56 Gegendemonstranten und zeigten 200 Personen an. Die Polizei im Großeinsatz, nicht gegen die Rechtsradikalen, sondern gegen die Gegendemonstranten. 

Ein Blick nach vorne: Laut Medienberichten könnte der freiheitliche »Volkskanzler« Herbert Kickl im nächsten Jahr bei den Landtagswahlen in Kärnten antreten. Ziel »Volkslandeshauptmann«. Dann wird es für die slowenische Minderheit noch düsterer. Laut den Freiheitlichen sind die Kärntner Sloweninnen und Slowenen eine der am besten geförderten Volksgruppen Europas. Behaupten, den Fakten total widersprechend, die antislowenischen Scharfmacher.

Die slowenischen Organisationen kommen zum gegensätzlichen Schluss: Die minderheitenrechtlichen Bestimmungen des Staatsvertrages sind auch 70 Jahre danach noch immer nicht redlich umgesetzt.


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