Die Südtiroler Freiheitlichen wettern öffentlich gegen Thrive Plus, ein Festival für Chancengleichheit und Vielfalt, das am 11. Oktober in Bruneck stattfinden wird. Es bediene nicht bloß »jede nur denkbare woke Weltanschauung«, so die Partei in den sozialen Medien, sondern erinnere — oh Schreck! — »stark an ein x-beliebiges linkes Parteiprogramm«. Was auf Rechtsradikale ungefähr so wirken muss wie das Weihwasser auf den Teufel. Auf die lächerliche Unterstellung, »man« (wer genau?) wolle sich neben der Pride »ein zweites Standbein« schaffen, folgt die Befürchtung, dass damit »die Südtiroler in Richtung einer “woken” Weltanschauung« umerzogen werden sollen.
Mit etwas gutem Willen könnte man bis hierher noch mit einem Achselzucken und etwas Fremdscham auf die freiheitlichen Ergüsse reagieren. Bei folgendem Zitat von Landesparteiobmann Roland Stauder tun sich jedoch Abgründe auf:
Ich bezweifle, dass diese Weltanschauung im Einklang mit dem Regierungsprogramm in Südtirol steht. Offensichtlich führen in Südtirol bestimmte Sümpfe ein Eigenleben und glauben, sich über Regierungsprogramme hinweg setzen zu können, indem weiterhin so getan wird, als würde Südtirol links ticken.
– Roland Stauder (F)
Ein derartiges Demokratieverständnis spricht Bände. Wenn jemand tatsächlich erwartet, dass sämtliche Veranstaltungen — mit oder ohne öffentliche Beteiligung — nur noch die Weltanschauung der Regierung bedienen dürfen, kommt dies einer impliziten Forderung nach ideologischer Gleichschaltung gleich. Eine derart autoritäre Denkweise hat mit einer — Achtung: Realsatire! — freiheitlich-demokratischen Grundordnung nichts mehr gemein.
Sowieso »tickt« Südtirol als Ganzes weder links noch rechts, sondern umfasst die unterschiedlichsten Weltanschauungen, die sich alle frei entfalten dürfen sollen, solange sie auf dem Boden von Demokratie und gegenseitigem Respekt stehen. Rechte Organisationen wie die Schützen und ihre Veranstaltungen wurden ja auch schon gefördert, als die SVP noch Koalitionen mit dem PD gebildet (und Südtirol nach Auffassung der Freiheitlichen wohl links »getickt«) hat. Obwohl das sicherlich nicht allen gefallen hat, wäre es falsch gewesen, ihnen die Zuwendungen aus ideologischen Gründen zu streichen.
Dass einer Partei, die von der SVP in die Landesregierung geholt wurde, so Grundlegendes erklärt werden muss, ist bestürzend. Wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass Herr Stauder diese einfachen Dinge nicht weiß, was dann aber seine Äußerungen nur noch gefährlicher macht.
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