Im Frühling dieses Jahres war unser ehemaliger Landeshauptmann, Luis Durnwalder, in die russisch-ukrainischen Regionen Lugansk und Donezk gereist, wo mit Waffengewalt für eine Abspaltung von der Ukraine gekämpft wird. Als eine Art »Botschafter der Autonomie« war es Durnwalders selbst auferlegter Auftrag, in Begleitung zweifelhafter Persönlichkeiten das Südtirolmodell vorzustellen und den Menschen als dritten Weg zwischen Beibehaltung des Status Quo und Sezession schmackhaft zu machen. Als die Gastgeber erfuhren, welch wichtige Elemente einer Autonomie (Sicherheit, Außenpolitik etc.) unserem Land fehlen, hätten sie jedoch wenig Interesse für eine Übernahme unseres Modells gezeigt, wie der Alt-Landeshauptmann nach seiner Rückkehr gestehen musste.
Am Rande sei erwähnt, dass Durnwalder inzwischen von der Ukraine ein Einreiseverbot erteilt wurde, weil er auf Einladung der »Donezker Volksrepublik« über Russland in die abtrünnigen Gebiete gereist war.
Wenn Südtiroler PolitikerInnen aber mit etwas mehr Demut in andere Länder reisen würden, könnten sie manchmal sogar etwas Nützliches dazulernen. Dazu müssten sie vom hohen Ross der »Vorzeigeautonomie« herabsteigen und merken, dass auch hierzulande einiges im Argen liegt. Gewalt ist zur Verfolgung politischer Ziele selbstredend Tabu, Herr Durnwalder hätte aber in der Ukraine (zum Beispiel) auffallen können, dass dort etwas umgesetzt ist, worum seine Partei und unsere »Modellautonomie« seit Jahrzehnten (!) vergeblich kämpfen: Medikamente und Packungsbeilagen sind, zumindest großteils, zweisprachig auf Ukrainisch und Russisch beschriftet — und das schon lange, bevor die Separatisten auf den Plan traten.
Nicht nur hochzivilisierte Länder wie die Schweiz und Finnland zeigen, dass Mehrsprachigkeit gerade in sensiblen Bereichen selbstverständlich funktionieren kann, sondern selbst die Ukraine, die auf weniger wirtschaftlichen Fortschritt und Wohlstand, aber auch auf eine weniger lang andauernde demokratische Erfahrung verweisen kann.
Wenn man etwas kritischer über den Tellerrand schaut, bemerkt man schnell, wie wenig »vorzeige« unsere Autonomie doch in vielen Fällen ist. Eine tatsächliche Gleichstellung der Sprachen und die absolute Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit gerade in sensiblen Bereichen wie jenem der Medikamente sollten zu den Mindeststandards moderner Minderheitenschutzbestimmungen gehören. In Südtirol hat sich die ach so mächtige Volkspartei jedoch damit abspeisen lassen, dass Apotheken deutschsprachige Packungsbeilagen nur auf ausdrücklichen Kundenwunsch ausdrucken können.
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