In diesem Sommer wurde der Stoff bzw. wieviel davon eine Frau tragen kann/darf/soll/muss, im wahrsten Sinne des Wortes zur Glaubensfrage. Burka und Burkini respektive deren eventuelles Verbot spalten die Geister.
Einmal mehr ist eine öffentlich – meist über soziale Netzwerke – geführte Diskussion geprägt von der Abwesenheit der Mitte, von unsachlichen Vermengungen und Unschärfen sowie von eigenartigen Allianzen.
Daher zunächst einmal ein paar Fakten, damit wir auch wissen, wovon wir sprechen: Die Tradition der Verschleierung ist viel älter als der Islam und reicht wahrscheinlich bis zu den Sumerern und Assyrern 3000 v. Chr. zurück. Im Islam ist die Verschleierung fast von Beginn an belegt. Es gibt zwar im Koran keine explizite Bekleidungsvorschrift, aber die Pflicht zum Tragen von Kopftüchern lässt sich aus einigen Stellen ableiten und ist unter den Religionsgelehrten weitgehend Konsens. In vielen islamisch dominierten Ländern war die verschleierte Frau jedoch aufgrund der Säkularisierungs- und Nationalismustendenz hauptsächlich ab dem Ersten Weltkrieg auf dem Rückzug. Republiksgründer Mustafa Kemal Atatürk beispielsweise verbot in der Türkei das Kopftuch unter Androhung der Todesstrafe. Ein Verbot, das erst 2008 durch Recep Tayyip Erdoğans islamistische AKP aufgehoben wurde. Ähnliches passierte 2012 nach dem Sturz Hosni Mubaraks in Ägypten. Auch dort waren Kopftücher – zumindest im öffentlich-rechtlichen Fernsehen – verboten. Im Iran kehrte die Verschleierung mit Ajatollah Chomeinis Islamischer Revolution 1979 zurück, nachdem sie dort unter Reza Schah Pahlavi untersagt war. Bis vor kurzem war sie im Iran – wie auch nach wie vor in Saudi Arabien – sogar verpflichtend für jede Frau. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte andererseits sah in einem Spruch aus dem Jahr 2005 ein Kopftuchverbot als für vereinbar mit der Europäischen Menschenrechtskonvention an.

Im Laufe der Jahrhunderte haben sich in der islamischen Tradition je nach Region und Konfession verschiedene Stufen der Verhüllung der Frau etabliert. Während Shayla, Hidschab, Al-Amira und Khimar das ganze Gesicht zeigen, wird der im Iran übliche Tschador oft von der Trägerin mit den Händen vor dem Gesicht zusammengefaltet. Die beiden extremsten Verschleierungen sind der hauptsächlich auf der arabischen Halbinsel und im Herrschaftsgebiet von Daesh (vulgo “Islamischer Staat”) getragene Niqab, bei dem nur ein Augenschlitz freibleibt und die von den Taliban in Afghanistan favorisierte Burka, bei der die Frauen lediglich durch ein Stoffgitter blicken können.
Der Burkini (orig. Burqini) hingegen ist eine Art Badeanzug aus Elastan, der erst 2003 von der im Libanon geborenen Australierin Aheda Zanetti erfunden wurde. Anders als der Name suggeriert, kann das Kopfteil bzw. der Verhüllungsgrad am ehesten mit einem Hidschab und nicht mit einer Burka verglichen werden.

Derzeit gibt es in Europa nur in Frankreich und Belgien ein Burka- bzw. Niqabverbot – also ein Verbot der Vollverschleierung. Zudem herrscht in Frankreich ein generelles Kopftuchverbot in öffentlichen Einrichtungen. In Italien gilt seit 1975 als Reaktion auf terroristische Gruppierungen ein Vermummungsverbot, das wohl auch den Niqab und die Burka betreffen würde. Demnach ist eine derartige Diskussion im Stiefelstaat ohnehin überflüssig. Verschleierungsverbote gibt es als Anti-Terrormaßnahme aber auch in islamisch dominierten Ländern wie dem Tschad (53 % Muslime) und im Niger (94 % Muslime). Und auch andere Länder mit zumindest lokal großen muslimischen Bevölkerungsanteilen kennen “Burkaverbote” oder wenigstens lokal gültige Einschränkungen für das Tragen dieses Stoffes: Gabun, Republik Kongo, Kamerun, Malaysia, Türkei, Syrien, Tunesien, Russland, China, Schweiz und Senegal. Einen Schritt weiter gingen einige Kommunen in Frankreich, die nun auch das Tragen des Burkinis unter Strafe stellen.
Wollen wir mit diesem Vorwissen nun den Argumenten, denen wir in der Diskussion um Burkini- und Burkaverbote begegnen, auf den Zahn fühlen.
Eine liberale Demokratie kann keine Bekleidungsvorschriften aufstellen. Damit würden wir uns auf das Niveau von Staaten wie Saudi Arabien begeben, die das auch tun. Eine Burka (Anm.: fortan als Synonym für Vollverschleierung) schränkt die Freiheit eines anderen ja nicht ein.
Vorschriften, die die individuelle Ausdrucksfreiheit, was die Kleidung betrifft, einschränken, sind in Europa nichts Ungewöhnliches. Wir haben uns entschieden, unserer Ansicht nach extreme Ausdrucksformen zu sanktionieren, auch wenn diese die Freiheit des anderen gar nicht berühren. Ein demokratisches “Wir wollen das nicht!” sozusagen. Man kann zum Beispiel in den meisten europäischen Städten nicht jahraus jahrein nackt herumlaufen, ohne eine Anzeige wegen “Erregung öffentlichen Ärgernisses” am Hals zu haben. Auch würde man Probleme bekommen, wenn man mit einem Hakenkreuz-T-Shirt durch die Straßen paradiert. Wir haben uns auf demokratische Weise geeinigt, dass derartiges Verhalten – obwohl es die Freiheit Dritter nicht einschränkt – nach unseren Moral- und Ethikvorstellungen nicht in unser Gemeinwesen passt. Ein in unseren Breitengraden öffentlich getragenes Hakenkreuz beleidigt die Grundfesten einer demokratischen, gleichberechtigten und freisinnigen Gesellschaft. In Indien tut es das nicht, da die Konnotation eine andere ist. Bei einem möglichen Burkaverbot geht es also um die Frage, wie tolerant eine liberale Gesellschaft gegenüber dem Ausdruck von Intoleranz, Extremismus und Fundamentalismus sein muss. Abhängig davon, wo ich diese Grenze ziehe, kann ich für oder gegen ein Burkaverbot sein.
Die Christen können doch den Muslimen nicht vorschreiben, wie sie sich zu kleiden haben. Das ist Diskriminierung und grenzt an Rassismus.
Diesem Argument liegt ein gravierender Denk- bzw. Demokratieverständnisfehler zugrunde, denn er negiert die Trennung von Kirche und Staat. Sollte ein Burka- oder auch Burkiniverbot erlassen werden, entscheiden nicht “die Christen” über “die Muslime”, sondern ein laizistischer Staat stellt eine Regel für alle auf. Für ein Burka- oder Burkiniverbot sind überdies ja nicht nur Christen, sondern auch viele Atheisten und auch einige liberale Muslime (wobei das aber eigentlich nichts zur Sache tut).
Hätten wir beispielsweise massive Zuwanderung aus Papua Neu-Guinea, müssten wir dann auch Penisfuterale in der Öffentlichkeit nicht mehr als “Erregung öffentlichen Ärgernisses” auslegen, weil sonst “die Christen” über die “Anhänger einer Naturreligion” entscheiden würden oder wollten wir doch lieber unseren heute gültigen demokratischen Standard – der sich freilich auch ändern kann – anlegen? Ist das Verbot der Polygamie und Kinderehe nicht ganz ähnlich einem potenziellen Burkaverbot? Sind diese Verbote auch rassistisch, weil sie hauptsächlich Zuwanderer aus dem islamischen Raum betreffen? Einige Muslime lehnen zum Beispiel das Schächten unter Betäubung ab. Wenn ein Staat nun verfügt, dass Schächten nur unter Betäubung erlaubt ist, haben dann “die Christen” über “die Muslime” entschieden und sie in ihrer Freiheit eingeschränkt? Was wiegt mehr: das Verbot von Tierquälerei oder die Religionsfreiheit? Freiheit heißt nicht, dass man tun und lassen kann, was man will.
Es ist also – wie bereits gesagt – immer ein Abwägen. Ein Recht gegen das andere. Eine Motivation gegen die andere. Es gibt daher Gründe, die für ein Burka- oder Burkiniverbot sprechen und Gründe, die dagegen sprechen. Die Frage ist, welche für uns schwerwiegender sind.
In Mitteleuropa gibt es so wenige bis gar keine Burkaträgerinnen. Eine Diskussion über ein Verbot ist also sinnlos.
Wie hoch die Zahl der Vollverschleierten ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Sie ist ohnehin völlig irrelevant. Unsere Gesetzgebung richtet sich nämlich nicht danach, wieviele Menschen sie potenziell betreffen könnte, sondern ob wir etwas als richtig oder falsch erachten. Zoophilie mag auch nicht sehr weit verbreitet sein. Dennoch ist sie in den meisten europäischen Ländern auf Basis der Tierschutzgesetze untersagt.
Die Politik sollte sich lieber um die vielen Rechtsextremen statt die wenigen Burkaträgerinnen kümmern (vulgo: Haben wir denn keine wichtigeren Probleme?).
siehe FAQ C1
Diejenigen, die nach einem Burka- oder Burkiniverbot schreien, kommen meist aus dem rechten Eck. Denen geht es doch nicht um die Rechte der Frauen. Das ist nur ein Vorwand, dass sie ihre Ausländerfeindlichkeit ausleben können.
Es stimmt, dass sich vor allem Rechte und Rechtspopulisten in der Vergangenheit nicht gerade hervorgetan haben, wenn es um Frauenrechte ging und dass deren Forderung nach einem Burka- oder Burkiniverbot daher nicht besonders glaubwürdig und nicht selten xeno- oder islamophob motiviert ist. Das heißt aber noch lange nicht, dass die Forderung an sich – aus anderen Gründen – nicht legitim sein kann. Das ist ein Fehler, der in derartigen Diskussionen sehr oft begangen wird: Nur weil jemand aus der falschen Ecke etwas aus falschen Motiven fordert, bedeutet das nicht, dass die Forderung an sich notwendigerweise falsch sein muss. Wenn sich jemand aus umweltschutztechnischen Gründen gegen Atomkraft ausspricht, bleibt seine Forderung doch auch legitim, wenn jemand anderer sagt: “Wir müssen Atomkraft verbieten, weil sie nicht zu unserer Tradition gehört und gegen die göttliche Ordnung verstößt.”
Unsere Großeltern und Urgroßeltern sind auch nicht im Bikini oder im Badeanzug schwimmen gegangen. Die hatten vielfach Ganzkörperanzüge ähnlich einem Burkini an.
Nur weil unsere Vorgängergenerationen etwas getan haben, heißt das doch nicht, dass deren Verhalten auch heute noch angebracht wäre. Vor hundert Jahren durften Frauen in vielen Ländern nicht wählen, gab es in Europa die Todesstrafe und Kinder wurden in den Schulen geschlagen. Nur weil Zuwanderer aus Regionen zu uns kommen, in denen es wenig bis keine Emazipation und keine 68er-Revolution gegeben hat, müssen wir doch nicht unsere Standards und Errungenschaften um 100 Jahre zurückdrehen.
Ein Verbot von Burka und Burkini erhöht das Terrorrisiko, weil es die Dschihadisten verärgern würde.
Ist jetzt die Erwartungshaltung von Massenmördern der Maßstab, nach dem wir uns richten müssen?
Ein Verbot von Burka und Burkini könnte die zahlungskräftige Kundschaft aus dem arabischen Raum vergraulen.
Detto. Ist das der Standard, an dem wir unser Gemeinwesen ausrichten?
Die Frauen sollen selbst entscheiden, wie sie sich kleiden. Niemand kann ihnen das vorschreiben.
Prinzipiell ist gegen diese, nicht nur von Frauenrechtlern vorgebrachte Forderung freilich nichts einzuwenden. Das sollte Normalität sein. Doch der Aspekt des Zwanges macht die Sache etwas komplizierter. Meines Erachtens verhält sich diese Frage ähnlich wie jene der Prostitution und Pornographie. Es ist schwierig festzustellen, in welchem Ausmaß Frauen gezwungen werden und wie hoch der “freiwillige” Anpassungsdruck ist, patriarchal-chauvinistischen Vorstellungen zu entsprechen. Paradoxerweise funktioniert dieser Zwang also auch in die umgekehrte Richtung, was Frauen in dieser Hinsicht irgendwie in eine Lose-lose-Situation bringt. So waren bis vor kurzem die Beachvolleyballerinnen verpflichtet, Bikini zu tragen, während die Männer Shirts ihrer Wahl anziehen durften. Sowohl dieser “westliche” Zwang, sich ausziehen zu müssen, als auch die islamische Verschleierung sind nach meinem Dafürhalten ein erbärmlicher Ausdruck von männlicher Sexzentriertheit und Objektifizierung der Frau.
Erstaunlich finde ich daher, mit welcher Vehemenz vermeintlich liberale Zeitgenossinnen in sozialen Netzwerken gegen ein Burkaverbot auftreten. Auch scheinen Witze über die Vollverschleierung in diesen Kreisen irgendwie tabu. Man wäre sofort verdächtig, islamophob zu sein. Die Burka ist jedoch Ausdruck eines Grades von Konservatismus und Rückwärtsgewandtheit, wie man ihn in Europa sonst kaum findet. Menschen, die jetzt die Burka verteidigen, haben für gewöhnlich keine Hemmungen, sich über “hiesige” Stockkonservative lustig zu machen. Ich kann mir aber nur schwer vorstellen, dass eben diese Leute sich derart massiv hinter die Schützen stellen würden, sollte jemand zum Beispiel deren Entwaffnung fordern. Diese selektive Sichtweise befremdet mich irgendwie.
Ein Verbot hilft den Frauen nicht aus der Unterdrückung, denn wenn sie keinen Burkini bzw. keine Burka tragen, können sie überhaupt nicht schwimmen oder auf die Straße gehen. Ein Verbot läuft der Integration zuwider.
Was den Burkini betrifft, ist da etwas Wahres dran. Wobei es einer moslemischen Frau nicht unmöglich wäre, ohne Burkini schwimmen zu gehen. Es ist ihr nur deshalb nicht möglich, weil sie religiöse Konvention als höherwertig gegenüber ihrem Willen, schwimmen zu gehen, einstuft. Der Burkini ermöglicht solchen Frauen ein gewisses Maß an Integration, wenngleich sie das Kleidungsstück auch ein wenig als Außenseiterin brandmarkt. Auf die Burka trifft dies meines Erachtens nicht zu, da sie im Unterschied zum hidschab-ähnlichen Burkini gar keine Interaktion erlaubt. Sie ist – ob freiwillig oder unfreiwillig – Manifest der Kommunikationsverweigerung und die Trägerin somit auch nicht integrationswillig oder -fähig. Die Burka ist diskriminierend Männern gegenüber, da die Trägerin ihr Verhalten aufgrund des Geschlechts des Gegenübers differenziert. Gleichzeitig müsste massiv gegen jene Männer vorgegangen werden, die Frauen zum Burkatragen zwingen – obwohl das natürlich in der Praxis schwierig ist.
Ein Burkaverbot ist Ausdruck von Islamophobie.
Die Vollverschleierung ist nicht repräsentativ für den Islam. Sie ist Ausdruck einer Extremform, wie es sie in vielen Religionen gibt. Daher haben auch Länder mit islamischer Bevölkerungsmehrheit ohne großes Aufheben bisweilen Burkaverbote verhängt. Wenn ich sage, die Westboro Baptist Church gehört verboten und David Koresh und Jim Jones waren hirnverbrannte Idioten, bin ich deshalb nicht anti-christlich, sondern eher das Gegenteil. Die Burka steht für eine allumfassende, fundamentalistische und politische Auslegungen des Korans. Sie kennzeichnet die Welt der Taliban, des IS und wahabitisch-salafistischer Bewegungen. Sie ist die offen zur Schau getragene Ablehnung eines demokratisch-liberalen Gesellschaftsmodells. Man könnte daher argumentieren, dass sie ein Symbol verfassungsfeindlicher Organisationen ist und als solches verboten gehört.
Daneben gibt es noch ganz praktische Gründe, die für ein Verbot sprechen und ebenfalls nichts mit Islamophobie zu tun haben. Viele Situationen in unserem Leben erfordern die Identifikation des Gegenübers und das Lesen der non-verbalen Kommunikation des Gesichtes. So muss ein Betreuer im Kindergarten die Person, die das Kind abholen kommt, eindeutig als Berechtigte identifizieren. Vor Gericht und bei gewissen Behörden ist es auch meist von Nöten, dass man das Gesicht des Gegenübers erkennt. Eine Vollverschleierung verhindert zudem die Identifikation von Täterinnen oder auch Zeuginnen mittels Überwachungskameras.
Verbieten oder nicht verbieten?
In einem Burkaverbot sehe ich auf Basis obiger Argumentation weder etwas Islamfeindliches noch Anti-liberales. Im Gegenteil, es würde einer konsequent laizistischen und anti-totalitären Linie folgen.
Anders verhält es sich mit einem eventuellen Verbot des Burkinis. Dieser ist als äquivalent zum Kopftuch, bei dem das Gesicht erkennbar ist, kein Symbol einer extremistischen Randerscheinung des Islams, wenngleich er – wie in Frankreich erklärt wurde – Bezug auf eine Zugehörigkeit zu terroristischen Bewegungen nehme, die Frankreich den Krieg erklärt hätten und obwohl er sogar auch schon in einigen Hotels in Marokko verboten wurde. Aus hygienischen Gründen, wie es heißt. Diesen Umstand kann ich nicht beurteilen. Über die Badeordnung sollte aber ohnedies jeder Betreiber selbst entscheiden dürfen.
Der Burkini ist Ausdruck eines sogar im Zunehmen begriffenen, religiösen Konservatismus, den eine Demokratie wohl aushalten muss. Überdies wäre es praktisch gesehen sehr schwierig, die Motivlage der Verhüllung zu sanktionieren. Man könnte sich beim Schwimmen im Meer ja auch aus Sonnenschutzgründen mit einem Ganzkörper-Wetsuit bekleiden, wie ich das an Stränden in Australien mehrfach beobachtet habe.
73 replies on “Eine Glaubensfrage.”
Viel geschrieben, ich werde mich deshalb nur mit dem Fazit befassen:
Nein, eine Anti-totalitäre Linie ist es die Menschen das anziehen zu lassen was sie möchten, anti laizistisch wird es wenn es um die gezielte Repression einer Religion geht.
Unter Liberalen gibt es ja oft das Traumbild das ein schwules Pärchen mit einer AR-15 seine Kinder und ihren Hanfgarten schützen dürfen, vielleicht sollte man dem hinzufügen dass sie auch eine Burka tragen.
Ein derartiges Verbot ist der größte Schwachsinn überhaupt, ändert null am wahren Problem, und sorgt für eine enorme Aufmerksamkeits- und Zeitverschwendung. Es ist verstörend wie hier Linke Kontrollwut und Rechtsaußen Islamophobie aufeinandertreffen.
vielleicht solltest du dir doch die mühe machen, den ganzen text zu lesen, bevor du mit kontrollwut und islamophobie um dich schmeißt. ein burkaverbot muss nicht notwendigerweise mit kontrollwut und islamophobie zu tun haben, sondern mit der frage, wo ich die grenzen der ausdrucksfreiheit setze, die es bei uns in vielen bereichen gibt. somit kann ich sowohl zum schluss kommen, dass ein burkaverbot notwendig ist, als auch, dass es nicht notwendig ist.
Danke für diese ausführliche Übersicht. Einige Punkte sind wirklich sehr gut, einige andere würde ich jedoch ergänzen bzw. ihnen widersprechen:
Wobei natürlich zu sagen ist, dass Diktatoren keine Vorbilder sein können.
Zudem im Kanton Tessin (was auch zeigt, welch weitreichende Zuständigkeiten Schweizer Kantone im Gegensatz zu Südtirol haben).
Ich glaube nicht, dass alle Burkaträgerinnen das demokratisch-liberale Gesellschaftsmodell ablehnen.
Hier orte ich einen Widerspruch im Sinne des »Atomkraft«-Beispiels. Nur weil hypothetisch jemand Atomkraft aus religiösen Gründen ablehnt, muss ich sie nicht befürworten.
Dies wäre aber auch durch eine punktuelle »Entschleierung« zu erreichen.
Dann müssen wir aber auch darüber nachdenken, Baseballcaps, Helme, (falsche) Bärte oder Makeup zu verbieten.
Diese Begründung ist mir viel zu diffus und und unscharf. Wenn eine Terrorgruppe mit grünen T-Shirts in Erscheinung tritt, verbieten wir grüne T-Shirts?
Sehe ich anders… soll jemand Männern oder Dunkelhäutigen den Zutritt verwehren dürfen? Ersteres höchstens, wenn ich es begründe (Frauenclub, Frauentag…).
Aber dann muss man diese konsequent laizistische Linie auch — eben: konsequent — durchziehen. Kreuze raus aus den Klassenzimmern usw. usf.
das versteht sich von selbst. ich hab hier nur die rudimentär die geschichte der verschleierung und deren verbote beschrieben.
belgien und frankreich sind die einzigen beispiels für gesamtstaatliche verbote. regionale und lokale einschränkungen gibt es mehrere.
es geht hier schon auch um die konnotation. und die ist halt ziemlich eindeutig. lemmy kilmister war auch ein begeisterter sammler von nazi-devotionalien. er war aber kein nazi. dennoch wären die dinge, die er gesammelt hat, bei uns verboten.
wobei schon auch zu definieren ist, inwieweit der laizistische staat jeder religiösen verrücktheit entgegenkommen muss
das sind nur praktische aspekte, die ich aufgezählt habe. keine alleinigen gründe.
die ist ja auch nicht von mir, sondern von einem bürgermeister an der cà´te d’azur. ich halte sie auch für überzogen.
ich finde schon, dass ein privater betreiber einen dresscode erlassen kann. wird ja auch gemacht. z.b. darf ich in den meisten südtiroler saunas (wie auch in österreich und deutschland) keine badebekleidung tragen. weiter im süden italiens jedoch schon.
mit öffentlichen stränden ist das natürlich was anderes.
jein. ich denke, man wird allein schon aus praktischen gründen einen mittelweg finden müssen. sonst müssen wir weihnachten abschaffen und uns einen völlig neuen rhythmus überlegen, der nur ja keine religiöse referenz zulässt. wie gesagt, das wird schwierig. dass an öffentlichen schulen kein kreuz hängen sollte, wäre im sinne einer trennung von kirche und staat natürlich angebracht. wobei es ja auch dahingehend unterschiedliche herangehensweise gäbe. nämlich umgekehrt: alles rein. d. h. dass jede anerkannte religionsgemeinschaft den öffentlichen raum mit ihren symbolen besetzen darf. stichwort: brückeneinweihungen usw.
Danke – bei weitem der beste Artikel, den ich je über dieses von leichtsinnigen Kommentaren überflutete Thema gelesen habe.
Ich bin überrascht, dass ich endlich mal zu 100 Prozent und sogar mehr noch deiner Meinung bin! :D Einige Ergänzungen:
1. Nein, die Verschleierung gibt es nicht seit Urzeiten. Im alten Mesopotamien und Persien hat die Nobilität (!) ihre Frauen und Konkubinen verschleiert, so wie im alten Rom auch. Aber das war wohl eher ein vielleicht durchsichtiger Seidenschleier oder eher wie ein heutiger Brautschleier. Ungefähr so: https://en.wikipedia.org/wiki/Persian_clothing#/media/File:Ancient_Persian_Clothing_Parthian_Era_200_BC.jpg Die normale Bevölkerung war wohl unverschleiert, aber weder das noch das Gegenteil lassen sich belegen. Siehe auch https://en.wikipedia.org/wiki/Chador#Historical_background Unter der zoroastrischen Gemeinschaft lässt sich in Persien gegen Mitte des 1. nachchristlichen Jahrtausends tatsächlich eine (Voll-?)Verschleierung belegen. Bis in neueste Zeiten jedoch war die traditionelle Kleidung der Landbevölkerung Persiens so ziemlich das Gegenteil des schwarzen Müllsacks, das uns heute so gerne als “typisch nahöstlich” verkauft wird: bunt, kurze Röcke, teils offenes Haar. http://www.parstimes.com/women/traditional_costume/ Wann der schwarze Tschador im Iran und in den Nachbarländern eingeführt wurde, ist Gegenstand einer hitzigen Debatte zwischen Nationalisten/Traditionalisten/Modernen/Säkularen auf der einen Seite und Religiösen auf der anderen Seite. Dass sich diese neue Kleidung landesweit durchgesetzt und den Kleidungspluralismus ersetzt hat, lässt sich jedenfalls mit Sicherheit auf NACH 1979 datieren (auch wenn der Tschador natürlich schon vorher verbreitet war, besonders in den Städten). Auf der arabischen Halbinsel mag es anders gewesen sein, Stichwort Wüste.
2. Die Verschleierung ist in der Isl. Rep. Iran nach wie vor verpflichtend (Haare inkl., Gesicht exkl.). Die Gesetze haben sich diesbezüglich nicht geändert.
3. Mein liebstes Interview aller Zeiten, Oriana Fallaci mit Diktator Khomeini:
Fallaci: Please, Imam: I have to ask many more things. This ”chador†for example, that they put me to come to you. That you imposes it on women, tell me, why force them to hide under clothing bundles as awkward and absurd with which you can not work or move? […] And how do you swim with the ”chadorâ€?
Khomeini: All this does not concern you. Our customs do not concern you. If you do not like Islamic dress, is not obliged to carry it. Because Islamic dress is for young beautiful women and decent man.
Fallaci: I take off this stupid rag immediately from the Middle Ages.
[Und sie riss sich den Schleier vom Kopf.]
(https://iransnews.wordpress.com/2011/05/31/oriana-fallaci-interview-with-khomeini-3/ und ganzes Interview ital. hier: http://www.oriana-fallaci.com/khomeini/intervista.html)
Übrigens: “after this moment of drama she had been taken aside by Khomeini’s son, who confided in her that it had been the only time in his life that he had seen his father laugh.” (http://www.vanityfair.com/news/2006/12/hitchens200612)
4. Ganz allgemeine Literaturempfehlung für unsere “Linken” über das Erwachen der linken Intellektuellen in Frankreich http://www.dw.com/de/mit-der-republik-gegen-den-islamismus/a-19370860 und http://www.dw.com/de/muslime-verteidigen-nicht-den-islam/a-19377573 Ach ja, Marx usw. sollten sie auch lesen. Der hat sich bezüglich relig. Traditionen recht klar artikuliert.
danke.
so genau hab ich nicht nachrecherchiert.
ich glaube nur, mich erinnern zu können, dass ich was von lockerung der verschleierungspflicht im iran gelesen hatte. dass sich frauen eine glatze schnitten usw.
Sehr differenzierter ausführlicher Beitrag.
Der Burkini eröffnet Handlungsspielraum für muslimische Frauen.
Dass die Begrenzun liberaler Tendenzen nicht immer aus der rechten Ecke kommt zeigt folgendes Interview mit Efgani Dönmez von den Grünen. https://www.youtube.com/watch?v=yffLKowKqIk
Ganz einfach: Volksabstimmung und das Ergebnis umsetzen.
wollte noch dazusagen: mit ist klar, dass ein vollverschleierungsverbot symptombekämpfung ist. jedoch kann auch eine solche hin und wieder nötig sein. gleichzeitig darf man aber auch nicht vergessen, die ursachen des problems zu bekämpfen.
Läutet Arroganz das Ende der neoliberalen Eliten ein? Eine weitere Glaubensfrage.
http://www.zeit.de/2016/33/demokratie-klassenduenkel-rassismus-populismus/komplettansicht
Die Ursache des Problems ist ein frauenfeindliches Weltbild. Denn solange Frauen, die ihre Haare, Arme und Beine herzeigen und diese somit für Männer sichtbar sind, als unehrenhaft, Freiwild und Schlimmeres angesehen werden, und diese das auch noch akzeptieren, ist keine Integration in unsere Gesellschaft möglich. Ob dies nun die Ganzkörperverschleierung, den Burkini, lange Mäntel und Umhänge oder das Kopftuch in verschiedenen Varianten betrifft, ist einerlei. Frauen die eine Einschränkung von Bequemlichkeit hinnehmen oder angemessene Bekleidung in den verschiedenen Lebenslagen aus religiösen oder kulturellen Gründen ablehnen haben mit unserem Weltbild nichts am Hut und grenzen sich sichtbar von unseren (hart erkämpften) Errungenschaften die Frauenrechte betreffend ab. Denn es erzählt mir niemand dass Kopftuch und lange Umhänge bei der ärgsten Hitze oder Schwimmen ohne direkten Wasserkontakt Spaß machen. Der Staat sollte all diese Symbole eines frauenfeindlichen Weltbildes (Haare, Arme, Beine unbedeckt= Hure) nicht dulden, sondern verbieten, damit diejenigen die ein solches Weltbild bei uns einführen wollen, klar erkennen, dass dies nicht erwünscht ist.
Und noch ein Aspekt soll hier angesprochen werden und das ist jener aus gesundheitlicher Sicht. Es ist allgemein bekannt, dass Vitamin D über die Haut durch direkte Sonneneinstrahlung aufgenommen wird und viele Menschen vor allem in den Wintermonaten nicht genügend Vitamin D aufnehmen und alle Babys vorsorglich dieses Vitamin ergänzt bekommen. Frauen, die erstens nicht viel aus dem Haus gehen und wenn doch, dann verhüllt, riskieren nicht genügend Vitamin D aufzunehmen. Wenn die Bevölkerung regelmäßig zu gesunder Lebensweise und Vorsorge aufgerufen wird, dann müsste dieser Aspekt auch einmal angesprochen werden. In ihren Herkunftsländern ist eine derartige Verhüllung aus gesundheitlicher Sicht vielleicht sogar angebracht, in unseren Breiten aber gänzlich fehl am Platz.
Stimmt, man müsste Ordensschwestern aus gesundheitlichen Gründen ihre Kleidung verbieten. Manche von ihnen sperren sich gar in ihren Klöstern ein, bilden Parallelgesellschaften, lehnen den Kontakt zur Außenwelt ab — und das alles aus religiösen Gründen.
@pervasion
Glaubst du nicht dass der immer wieder gebrachte Vergleich zwischen Muslimas und Klosterfrauen nicht bald abgelutscht, zumindest jedoch gänzlich unzutreffend ist.
Klosterschwestern wie du sie beschreibst gehören einer ausgestorbenen oder zumindest aussterbenden Art an. Orden die noch über Nachwuchs verfügen sind selten und wenn es solche gibt, dann unterscheiden sich diese jungen Frauen außer dem gemeinsamen spirituellen Leben, nicht wesentlich von anderen. Sie gehen einem Beruf meist außerhalb der Klostermauern nach und verzichten weitgehend auf das Ordenskleid. Andere leben in Städten und kümmern sich um Menschen, die auf der Straße leben usw. Manche führen Gästehäuser und Schülerheime und bieten den Menschen dabei spirituelle Begleitung. Von Abschottung und Parallelgesellschaft also keine Spur mehr.
Die demonstriert besonders anschaulich der Film über die Ordensgemeinschaft der Salvatorianerinnen in Obermais.
http://www.sds-meran.org/aktuell/340-frauen-die-sich-trauen
Bei dieser ganzen Diskussion kann man jedenfalls nur froh sein, dass es auch Zuwanderer aus anderen Weltgegenden (z.B. aus dem asiatischen Raum ) gibt, denen es fern liegt unsere mühsam errungenen Frauenrechte zu untergraben, die hergekommen sind um zu studieren oder zu arbeiten und die der Aufnahmegesellschaft nicht mit zunehmend dümmeren Verhaltensweisen auf die Nerven gehen; kurzum die das ganze “Gstell” einfach nicht brauchen.
In Brixen gibt es die Klarissen… die leben ziemlich abgeschieden. Und wie schon Harald schrieb:
Die Klarissen in Brixen sind sicher auch eine aussterbende Art. Recht viel junger Nachwuchs wird da nicht vorhanden sein. Ja es geht tatsächlich nicht um die Anzahl der Vollverschleierten, das stellt ja niemand in Abrede. Es geht um JEGLICHE Bedeckung, hinter der eine Ideologie steckt. Also nochmal: Wenn Frauen die ihre Arme Beine und Haare (für Männer) zur Schau stellen als unehrenhaft (Schlampen Prostituierte) angesehen werden, dann passt ein solches Weltbild nicht in unsere aufgeklärte Gesellschaft und untergräbt unsere mühsam erarbeiteten Frauenrechte. Das sind Zeichen einer Gegengesellschaft und sollten verboten werden. Aber wie gesagt, zum Glück haben nicht alle Zuwandererinnen im Sinn sich mit einem solchen antiquierten Unsinn zu beschäftigen.
Wer weiß. Es gibt sie seit Jahrhunderten, mal sind es mehr, dann wieder weniger. Wenn wir eine Konfrontation zwischen den Religionen erfinden (bzw. zulassen), bekommen vielleicht auch die Klarissen wieder Zulauf. Das macht mir Angst. Nicht die Klarissen — sondern die Tatsache, dass Religion (wieder) eine so starke politische Dimension bekommen könnte. Und indem wir etwa Burkaträgerinnen pauschal zu Feinden »unserer Werte« hochstilisieren, tragen wir m.M.n. zu dieser Konfrontation bei. Wir sollten auf Deeskalation setzen.
Kann es sein, dass nicht sosehr wir Glück haben, sondern vielmehr die »AsiatInnen«. Gäbe es keine MigrantInnen muslimischen Glaubens würden wir uns mehr mit ihnen Beschäftigen — und auch da mit Sicherheit mehr Eigenschaften finden, die uns stören.
Was ist eigentlich mit dem Vitamin D der Klarissen? Ist uns egal, weil sie im Abnehmen begriffen sind?
Bikiniverbot zwischen 10.00 und 16.00 Uhr wäre wegen Hautkrebsgefahr eigentlich auch noch angesagt. ;)
(Nicht dass uns die Bösmenschen noch vorwerfen, dass uns nur die Gesundheit von »Ausländerinnen« wichtig ist und nicht auch die von »Einheimischen«).
ein kommentar
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/burka-warum-das-verbot-nicht-nur-ein-thema-der-union-sein-darf-a-1108922.html
Auch interessant: http://www.woz.ch/1633/burkaverbot/die-autoritaere-allianz
naja
In dem Artikel gibt es aber ein, zwei Aussagen, die über die von dir zitierte Passage hinausgehen. Und die ich zumindest interessant finde.
Das Maß der Unfähigkeit zu unterscheiden “die Gesellschaft lehnt die Burka ab” und “Burka verbieten” ist anscheinend grenzenlos.
Hat denn jemand ein überzeugendes (moralisches) Argument, warum in einer liberalen Demokratie ein Verbot solcher Verhüllung nicht zulässig ist (“Wir dürfen das nicht tun”)? Oder lediglich Argumente der Art “Wir sollten das nicht tun…”?
Ich nicht — im Gegenteil: Ich halte ein Verbot für zulässig.
Ja, und auch scheint mir nicht derjenige in der Begründungspflicht zu sein, der die Zulässigkeit des Verbots behauptet, sondern derjenige der die Unzulässigkeit behauptet. Der Nachweis scheint mir nur so möglich, dass man zeigt, dass Grundrechte (ohne guten Grund) verletzt werden.
Aber noch bevor man auf dieser naturrechtlichen Ebene arbeitet, sind Entscheidungen zu treffen, und zwar semantische Entscheidungen: Wie beschreiben wir das, worum es hier geht? Handelt es sich bei der Burka um Bekleidung oder Verschleierung?
Ich sehe das auch in den Diskussionen nicht geklärt, eigentlich fast nie thematisiert (auch hier im Thread nicht.) Vielmehr ist offensichtlich, dass die Verbotsbefürworter von “Verschleierung” sprechen, die Verbotsgegner von “Bekleidung”. Ich selbst halte es für einen semantischen Trick, hier von “Bekleidung”, “Bekleidungsvorschriften”, “Bekleidungsverboten” zu sprechen.
Das ist kein semantischer Trick, die Verbotsbefürworter sollen mir mal lieber erklären wie man Feststellen will das es sich um eine Burka handelt und nicht um ein Faschingsoutfit.
Zum einen könnte man das sicher mit “I know it when I see it” beantworten. Zum anderen könnte man sagen: Dann gibt’s halt auch zu Fasching keine Burka. SS-Uniformen gibt’s ja auch nicht zu Fasching, jedenfalls in Deutschland nicht.
Wer sagt, dass wir das nicht dürfen? Und ja, das ist sehr wohl schwierig zu verstehen, wenn es nicht – schon wieder! – begründet wird, und das heißt letztlich: unter Bezugnahme auf Grundrechte oder sonstige naturrechtliche Prinzipien. Welches Recht ist berührt? Das Recht auf freie Religionsausübung? Dieses Recht wird leicht übertrumpft.
“Wir” dürfen nämlich sehr wohl vorschreiben, was jemand anzuziehen hat bzw. nicht anziehen darf, und wir tun dies auch in unzähligen Fällen.
Und es geht ja sowieso nicht darum, Leuten vorzuschreiben, was sie anzuziehen haben. Es geht darum, Regelungen über Verschleierung und Symbolgebrauch im öffentlichen Raum(!) zu erlassen.
Nein. Und diese slippery slope-Argumente ziehen auch nicht die ganze Zeit. Wer sagt denn, dass es einen “nächsten Schritt” geben muss? Nur weil ich heute eine Burka im öffentlichen Raum(!) verbiete, werde ich nicht morgen losgehen und grüne T-Shirts verbieten. Wüsste gar nicht, wo da der Zusammenhang ist. In Deutschland ist es verboten, mit SS-Uniform rumzurennen. Seit über 70 Jahren; und trotzdem sind wir nicht in einen Regelungswahn betreffs Kleidervorschriften abgedriftet. Ich könnte mir somit gut vorstellen, dass auch ein Burkaverbot nicht dazu führt, dass wir plötzlich alles andere auch verbieten und regeln wollen.
@mika
so sehe ich das auch
Mika du argumentiert doch selbst so das es irgendwann ein Verbot von diesen T-shirts geben kann.
Und während eine Ss Uniform (welche auch legal ist solange man das Zeichen weglässt nur so nebenbei) eindeutig der SS zuzuordnen ist fällt es mir schwer die Burka dem IS zuzuordnen.
Soll dieses Burka Verbot eigentlich nur Frauen betreffen?
Wann hört man endlich auf sich in Dinge einzumischen die einen absolut nichts angehen?
Naja, wenn es dafür eine gute Rechtfertigung und Anlass gibt, dann schon. Mal hinkonstruiert, zwar abseitig, aber nicht logisch unmöglich: Was, wenn sich das Tragen eines grünen T-Shirt als allgemein bekanntes und anerkanntes Symbol für den Aufruf zum Völkermord an Franzosen etabliert? Dann wird man sicher mit Hatespeech-Gesetzen oder dgl. zugreifen. Nicht das T-Shirt ist dann verboten, sondern das Symbol, aber damit eben auch das Shirt.
Ich nehme an, dass das auch bei der Burka geht. Einfach wird das nicht sein (rechtlich herzuleiten) und ich meine, dass die Franzosen das völlig falsch machen. Das führt nur zu noch schlimmeren Problemen in Frankreich. Aber meines Erachtens ist Frankreich sowieso abzuschreiben und Deutschland vermutlich auch. https://www.theguardian.com/world/2016/aug/24/french-police-make-woman-remove-burkini-on-nice-beach
Ja, eigentlich schon. Ein Mann kann ja keine Burka tragen, jedenfalls nicht in dem Sinne wie es eine Burka ist. Burka etc. dienen ja der Verschleierung angeblicher weiblicher Reize, die ein Mann nicht hat.
Vielleicht wird der Kleidersack dann auch Männern verboten sein. Aber wenn ein Mann das sich überstreift, würde ich das gar nicht erst Burka nennen. Das wird vermutlich auch eh keiner machen, außer am Anfang eine Handvoll Protestler, um “Zeichen zu setzen”. Wird man sehen müssen (falls ein Verbot kommt). Ich spreche jetzt wieder über Deutschland, da ich hier eben die Dinge kenne: Das Hakenkreuz ist als NS-Symbol absolut verboten. Das selbe Zeichen (auch das rechtsdrehende), die Swastika, ist aber in Deutschland bei Indern oder Esoteriktanten usw. häufig genug zu sehen. (Finde ich auch gut so, eine sehr schöne, faszinierende geometrische Struktur.) Auf die Symbolbedeutung, also auch -intention, kommt es an. Nur vor wenigen Jahren noch wurde noch einer wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen verurteilt, weil er das durchgestrichene Hakenkreuz oder Hakenkreuz-im-Mülleimer auf T-shirts verkauft hat. In völliger Verkennung dessen, was Zeichen und Zeichenbedeutung sind und wie sie sich konstituieren.
Das frag ich mich auch oft. Aber in dem Fall weise ich halt zurück, dass es uns “absolut nichts angeht”. Wenn uns “öffentlicher Raum” nicht nur ein räumlich-geographischer Begriff ist (also mehr oder weniger alles bezeichnet, was außerhalb der vier Wände ist), sondern ein politischer Begriff: dann kommt es m.E. doch sehr stark auf Symboliken an. Dann gehen bestimmte Dinge eben doch alle an. (Will sagen: “öffnetlicher Raum” ist eine Metapher, es ist kein “Raum” im Sinne des physikalischen Raums, sondern eher eine Symbol(ische)-Sphäre…)
Was mika beschreibt, wäre ein Ad-Hoc-Burkaverbot. Ich bin zwar tendenziell gegen ein allgemeines Verschleierungsverbot wie im Tessin, kann es aber (bzw. gewisse Aspekte davon) nachvollziehen. Ein spezielles Burkaverbot verstehe ich aber gar nicht — schon gar nicht von jemandem, der ein Libertärer sein will.
Darüberhinaus weiß ich auch nicht, wie eine Umgehung verhindert werden soll. Dürfte man auch Christinnen oder Atheistinnen bestrafen, wenn sie ein ähnliches Kleidungsstück (z.B. aus Solidarität) trügen? Es wäre dann ja seiner religiösen Bedeutung entleert. Und: Was macht man mit (muslimischen) Frauen, die sich hinter einer Sonnenbrille und einem Mundschutz verbergen?
Was meinst du in diesem Fall mit “Ad-hoc”?
Ich werde das noch etwas ausführlicher erläutern, da ich es für einen wichtigen Punkt halte.
Das hängt doch ganz einfach auch davon ab, was verboten wird und mit welcher Begründung. Wenn die Burka verboten wird, dass dann irgendwelche Christen oder Atheisten “aus Solidarität” damit rumrennen: Damit ist erstens eh nicht zu rechnen oder nur minimal; scheint mir also ein schwaches Argument zu sein: Sollen wir auf gesetzliche Regelungen verzichten, weil wir evtl. nicht alle denkbaren Fälle greifen können? (Soll man auf Geschwindigkeitsbegrenzungen im Straßenverkehr verzichten, weil nicht jeder Autofahrer 24/7 überwacht werden kann?).
Zweitens könnte man immer noch unterscheiden, was da jeweils getan wird. Das Rechtssystem nimmt ja übrigens nicht selten auch auf die hinter Handlungen stehenden Intentionen Bezug. “Aus Solidarität” ist ja eine andere Intention als “aus religiöser Überzeugung” oder “aus Zwang” oder “aus Verachtung für westliche Kultur”.
Wie gesagt, es hängt davon ab, was genau verboten wird und mit welcher Begründung.
Das wird davon abhängen, ob man die Burka etc. als solche verbietet oder ihre Funktion, also die Verschleierung/Vermummung. Sollte ein solches Ausweichen tatsächlich stattfinden (was nicht zu erwarten ist), dann kann das Recht darauf reagieren.
Letztlich wäre das zu regeln ja kein politisches, nichteinmal ein echtes juristisches Problem. Die Jurisprudenz löst “Probleme” diesen Typs seit es sie gibt. Jedenfalls ist die Feststellung, dass man nicht jedes Verhalten der Subjekte antizipieren kann, kein Einwand gegen Gesetzgebung.
Ich hoffe, es wird verstanden, dass ich all das Obige ins Feld führen kann, ohne dass ich irgendwas darüber gesagt hätte, ob ich für oder gegen eine Gesetzgebung bin.
Jetzt noch hierzu die Darlegung..
Der Libertarismus den ich meine, geht aus von Naturrecht im Sinne Lockes: Life, Liberty, Estate als unverlierbare, unveräußerbare Rechte des Individuums. (Ich meine sogar, diese lassen sich selbst wiederum aus einem Right to Pursuit of Happiness ableiten). Individuen können sich (durch Arbeit) Eigentum aneignen, auch Land. Zu ihrer Eigentumsfreiheit gehört auch, dass sie ihr Eigentum konsumieren, vernichten, drauf verzichten, es übertragen, tauschen, verschenken usw. dürfen. Außerdem gilt: Wer sich auf etwas verpflichtet, ist daran gebunden (pacta sunt servanda). Durch ein Versprechen, Vertrag etc. kann mir eine Pflicht, also ein Recht anderer gegen mich entstehen. Eigentumsübertragung ist ein Fall davon.
Dies macht einen zum Libertatrier: diese Rechte, bzw. dass sie nicht verletzt werden dürfen, als den alleinigen moralischen Rahmen für staatliches wie individuelles Handeln anzusehen.
Wie entsteht ein Gemeinwesen oder Staat und was darf es über seine Mitglieder – und mehr noch: über Nicht-Mitglieder – beschließen? (Ich unterscheide der Einfachheit halber hier nicht zwischen “Gemeinwesen” und “Staat”). Ein Staat ist gegeben, wenn Menschen kooperieren und sich frei auf diese Kooperation (unter gewissen Bedingungen) verpflichtet haben. Das Gemeinwesen verfügt über Eigentum (oder Teileigentum) an Land: Das Staatsgebiet. Wie dieses Eigentum am Staatsgebiet zustande kommt, kann man auf verschiedene Weisen rekonstruieren; darauf kommt es hier jetzt nicht an. Wichtig ist, dass dieses Eigentum unter bestimmten Bedingungen legitim sein kann. Dann folgen nämlich eine Reihe von Rechten, die ein Gemeinwesen über das Land seines Staatsgebiet hat. Und zwar nach meinem Dafürhalten alle wesentlichen Eigentumsrechte, die auch ein Einzelner über sein Landeigentum haben kann: Er/Es kann Personen legitimerweise davon ausschließen, dieses Land zu betreten. Er/Es kann Bedingungen formulieren, unter denen ein anderer (Nichteigentümer) dieses Land betreten darf, z.B. Eintrittsgeld oder beliebige sonstige Verhaltensweisen für die Zeit des Aufenthalts fordern.
Solange nicht die Rechte des Anderen (fremden, Nichteigentümers) dadurch verletzt werden, ist das alles moralisch zulässig. Ich darf Leuten verbieten, in mein Haus (mein Eigentum) zu kommen. Ich darf – einfach weil ich es will – jemandem verbieten, in meinem Haus Schuhe zu tragen. Oder eine Burka. Wem das nicht passt, der muss draußen bleiben. Ich darf Eintritt verlangen, wem das nicht passt, der muss ja nicht zahlen, darf dann aber auch nicht rein. Und so weiter. — All dies wird niemandes Grundrechte verletzten und all dies gilt 1:1 so auch für das Staatsgebiet eines Gemeinwesens.
Was aber weder ich noch der Staat darf: Jemanden zwingen, mein Land zu betreten oder dort zu bleiben. Oder sich außerhalb meines Eigentums nach meinen Regeln zu verhalten. All dies wäre nicht legitim und würde die Freiheitsrechte des Anderen verletzen.
Libertarismus ist also beileibe nicht “laissez-faire” und “anything goes”, sondern “neminem cogere” – niemanden zwingen. Niemandem Zwang bzw. Gewalt antun – freilich mit der Klausel: außer es gibt eine Rechtfertigung dafür.
Es ist perfekt kompatibel mit dem Libertarismus — nein, mehr noch: es ist sein eigentlicher Sinn – dass Individuen sich selbst und ihrem Gemeinwesen aus freien Stücken Regeln geben. “Aus freien Stücken”, ergo solche Regeln, unter die andere sich vielleicht nicht stellen mögen. Alles was nicht gegen den moralischen Rahmen verstößt, darf ein Gemeinwesen über sich bzw. seine Mitglieder beschließen. Denn es gilt: Wem es nicht passt, der darf gehen. (Cum grano salis, ceteris paribus usw. usf.)
Das ist auch weiterhin keine Argumentation für oder wider irgendwelcher Verbote, sondern soll zeigen, dass eine libertäre Position nichts von beidem a priori ausschließt.
Ich meine damit, dass das, was du beschreibst, ein spezifisches Verbot der Burka wäre (und sogar dieses nur — muslimische — Frauen beträfe).
Wie gesagt, wir reden von einem Burkaverbot, das ist nämlich der Punkt, auf den ich mich mit meinem Kommentar bezogen habe.
Hier geht es (mir) aber nicht darum, ob wir deshalb auf die Regelung verzichten. Mir geht es darum zu verstehen, wo du die (theoretische) Grenze ziehen würdest, wenn du davon sprichst, ein Kleidungsstück zu verbieten. Dann wirst du nämlich um diese Definition nicht herumkommen. Womit (und in welchem Ausmaß) zu rechnen ist, interessiert mich wenig.
Diesen Vergleich meinst du nicht ernst oder? Es geht ja nicht darum, ob ich die Einhaltung zu 100% gewährleisten kann, sondern darum, wie das Verbot »umrissen« wird.
An dieser Stelle aber kommt die Exekutierbarkeit ins Spiel. Denn dann könnte eine Muslimin behaupten, sie trage die Burka nur aus Solidarität mit ihren Glaubensschwestern, denen das Tragen verboten wird. Außerdem wird nur einE RicherIn zwischen verschiedenen Intentionen unterscheiden dürfen und nicht einE PolizeibeamteR.
Wie gesagt, es ging in meinem Kommentar um ein Burkaverbot und nicht um ein Verschleierungsverbot, von dem ich ja sagte, dass ich es zwar nicht befürworte, aber zumindest verstehe.
Ob es zu erwarten ist, weiß ich nicht. Dass diese Form der Umgehung bereits aus Frankreich bekannt ist, ist aber eine Tatsache. Natürlich kann das Recht darauf reagieren — indem wir (nur Musliminnen?) auch das Tragen von Mundschutz und Sonnenbrillen verbieten.
Stimmt, aber ich habe es nunmal hypothetisch antizipiert… um zu zeigen, wohin Ad-Hoc-Gesetzgebung führen könnte und um von dir zu erfahren, wie man damit deiner Meinung nach umgehen sollte.
Ich bin ja der Meinung, dass ein spezielles Burkaverbot (im Gegensatz zu einem Verschleierungsverbot, das ich jedoch nicht befürworte) nicht haltbar ist.
Ich denke, diesen Punkt habe ich noch immer nicht verstanden. Was genau ist dabei das Problem? Dass genau eine Sache (Burka) verboten wird? Oder dass in der Konsequenz des Verbots eine bestimmte (Pseudo-)Gruppe bzw. angebliche Minorität betroffen ist?
Ersteres scheint ja immer oder häufig bei Gesetzen der Fall zu sein: Eine Tatbestandsbeschreibung macht eben notwendig einen Differenz zwischen dem, was darunter fällt und dem, was nicht.
Und letzteres ist doch auch häufig der Fall: Regelungen, die Berufskraftfahrer betreffen, betreffen fast ausschließlich Männer (ich bin fast geneigt zu sagen: wahrscheinlich gibt es mehr Männer mit Burka, als Frauen hinter LKW-Steuer). Behindertenparkplätze diskrimineren Nichtbehinderte, weil sie ihnen verbieten, dort zu parken, der anderen Gruppe es aber erlauben. Affirmative Action sowieso. Ist denn nicht fast jedes Gesetz der neueren Zeit ein Fall von Ad-hoc-Gesetzgebung?
Weil wir niemanden vorschreiben dürfen was er/sie anzuziehen hat? Ist das so schwierig zu verstehen?
Was ist der nächste Schritt? Verbot von den erwähnten grünen T-Shirts? WTF
wir schreiben doch schon vor, was man anziehen darf und was nicht.
du darfst zum beispiel keine polizeiuniform tragen (wenn du nicht polizist bist), du darfst kein hakenkreuz auf dein t-shirt malen, du darfst nicht nackt sein usw.
Alles bis auf das Polizei spielen ist doch völlig sinnlos und hätte einen Staat nichts anzugehen…
In den USA bricht auch nicht der 3.WK aus nur weil man dort frei ist.
Und trotz des zuvor Geschriebenen bin ich auch geneigt, dir letztlich zuzustimmen. Ich will ja selbst Libertärer sein.
Andererseits hasse ich es, ganz offen gesagt, täglich Burkas und Niqabs zu sehen. Ich empfinde das als Statement, nicht nur als Kleidungsstil. Aber es ist richtig, meine Verachtung soll nicht zur Gesetzgebung werden. Es bleibt zu prüfen, ob hinter den Verbotsbefürwortungs-Argumenten noch mehr steht, als eben dies. Aber diese Frage ist zu trennen von der zuvor diskutierten: Ob es zulässig ist, dass ein Gemeinwesen hier Verbote beschließt…
https://www.theguardian.com/world/2016/aug/24/french-police-make-woman-remove-burkini-on-nice-beach
mikas link ist echt krank. zustimmung. und ich verstehe, dass liberte da sorge hat. aber ich orte eben immer noch einen gravierenden unterschied zwischen einem kopftuchäquivalent (burkini) und dem symbol eines quasi-faschistischen zweiges einer religion (burka).
ad usa: es ist ansichtssache, wo ich die grenze der freiheit ziehe. sollten normalbürger atomwaffen haben dürfen? schnellfeuerwaffen? handfeuerwaffen? oder gar keien schusswaffen?
sollte es erlaubt sein, dass leute bei soldatenbegräbnissen den eltern zurufen “god loves dead soldiers” – “thank god for dead soldiers”? die west boro baptist church tut nämlich genau das unter dem deckmantel der meinungsfreiheit.
des einen freud, des anderen leid
aus: http://www.dailymail.co.uk/news/article-3754395/Wealthy-Algerian-promises-pay-penalty-Muslim-woman-fined-France-wearing-burkini.html
actio/reactio
Zum Thema Burka als Symbol (wofür auch immer), eine interessante Überlegung der Kolumnistin Mely Kiyak:
Der gesamte Artikel ist hier nachzulesen.
Thumbs up!
Nein, Thumbs down! Ein durch und durch unsäglicher Artikel, der verzerrend und manipulativ formuliert; Realitäten behauptet, die so nicht bestehen; und die Autorin hat offensichtlich überhaupt kein Verständnis davon, was Symbole sind und wie sie funktionieren.
gleich im ersten satz perpetuiert mely kiyak genau jenen fehler, den die von ihr kritisierten dauernd machen. dass sie nämlich sämtliche eingriffe in die ausdrucks-, religions- und meinungsfreiheit auf der gleichen ebene sehen. und somit ist ihre analyse von beginn an zum scheitern verurteilt.
ihren befund, dass einen burka kein symbol sein kann, teile ich nicht. sie ist sogar in zweifacher hinsicht ein symbol. sie ist ein religiös aufgeladenes kleidungsstück. die zahl nicht-muslimischer burkaträgerinnen geht wohl gegen null. also ist sie ein religiöses symbol (was an sich kein problem wäre). und zum zweiten ist sie ein symbol und ein kennzeichen einer ganz bestimmten extremistischen randerscheinung im islam.
irgendwie ist die situation so, wie wenn sich jetzt plötzlich massig christen und nicht-christen hinter die westboro baptist church stellen würden und deren meinungsfreiheit verteidigen.
ein burkaverbot und ein kopftuchverbot sind zwei völlig unterschiedliche dinge. ersteres ist eine durchaus legitime forderung, zweiteres ist nur partiell denkbar, wenn sich ein laizistischer staat entscheidet, sämtliche (!) religiöse symbolik aus seinen institutionen zu verbannen. beispielsweise dürften polizisten in ausübung ihres amtes dann kein kreuz und auch kein kopftuch tragen. das ist durchaus denkbar, wenngleich z.b. schottland jetzt gerade das gegenteil gemacht hat, und das kopftuch als bestandteil der polizeiuniform akzeptiert. auch ein legitimer weg. ein als privatperson auch in der öffentlichkeit getragenes kopftuch ist immer ausdruck der religionsfreiheit. die restlichen beisspiele, sind bis auf die beschneidung, auch völlig deplatziert und tatsächlich kritikwürdig. aber eben ein ganz anderes level als das burkaverbot. (wobei bei der beschilderung von geschäften in türkischer oder arabischer sprache natürlich darauf zu achten ist, dass der kosumentenschutz erfüllt ist und informationen z.b. zu lebensmitteln in deutschland auch in deutscher sprache verfügbar sind.)
ad beschneidung: kann mir wer erklären, warum wir medizinisch nicht notwendige schönheitsoperationen an kindern verbieten, die beschneidung als medizinisch nicht notwendigen eingriff jedoch erlauben? was menschen ab 18 jahren mit ihren penissen machen, ist deren entscheidung, solange alle beteiligten einverstanden sind. warum jedoch die religionsfreiheit als höherwertig als die körperliche unversehrtheit eines kindes, das ungefragt zum handkuss kommt, eingestuft wird, versteh ich nicht.
Wobei das natürlich nicht heißt, dass ich die Zirkumzision bei Kindern vornehmen soll/muss.
Ein Burkaverbot und ein Kopftuchverbot sind nicht zwei verschiedene Dinge, weil ein Kopftuchverbot nichts mit Religion zu tun hat, sondern einzig uns allein damit als unehrenhaft zu gelten wenn man die Haare und meist auch Arme und Beine entblößt. Frauen die das machen gelten als Schlampen, jedenfalls als Freiwild. Die Burka ist lediglich eine noch extremere Auslegung derselben Ideologie. Jegliche Bedeckung ist zu verurteilen wenn dahinter die Ideologie unverhüllt= Hure steckt, ob das jetzt Kopftuch, Burkini oder Burka ist. Da fragt man sich ob die Frauen diesen Unsinn selber glauben oder von der community in dieser Richtung indoktriniert werden. Jedenfalls ist es himmelschreiend dass wir in unserer aufgeklärten Gesellschaft mit diesem Thema konfrontiert werden, weil jene, immer aus derselben Ecke, ihre vorsintflutlichen Verhaltensweisen unbedingt bei uns ausleben müssen. Da lobe ich mir die Zuwandererinnen aus anderen Weltgegenden, die ihre Energie in ihr Studium oder in ihre Arbeit stecken, anstatt urzeitlichen Verhaltensweisen anzuhängen und uns mit diesem Krampf belästigen.
Warum Zuwandererinnen aus anderen Weltgegenden? Es gibt doch auch unverschleierte arabische/nordafrikanische Musliminnen.
Auch gut:
Noëmi Landolt in der WOZ.
nein. nicht gut.
ok. es greift die argumentation vieler burkaverbotsbefürworter auf, dass es um die sicherheit und um die befreiung der frau ginge. diese argumentation halte ich für falsch.
ich würde ein burkaverbot mit zwei argumenten untermauern:
1. wir sagen, dass wir nicht durch äußere umstände erzwungene vermummung im öffentlichen raum nicht wünschen und dass ein laizistischer staat nicht bereit ist, anstrengungen zu unternehmen, um irgendwelchen religiösen verrücktheiten entgegenzukommen. wenn die religion elementarste, für einen funktionierenden alltag notwendige dinge wie die kommunikation untereinander (auch die nonverbale) verunmöglicht, ist für mich eine grenze überschritten.
was ich mir noch vorstellen könnte, ist burka- bzw. nikabträgerinnen eine psychologische behandlung im öffentlichen gesundheitssystem anzubieten, denn dieses verhalten ist für mich ein pathologischer befund.
2. die burka ist nicht gleichzusetzen mit dem islam, sondern mit einer extremistischen und totalitären randerscheinung des islams. sie ist mehrheitlich kennzeichen einer auslegung des korans, die die religiösen regeln über die weltlichen stellt. sie ist – ja – ein symbol einer verfassungsfeindlichen organisation (des salafismus, des daesh und der taliban) und als solches durchaus ein kandidat für ein verbot.
Ist halt schwierig, eine Grenze zwischen all den religiösen Verrücktheiten zu ziehen.
Nur eine der möglichen Grenzen.
Was ist dann mit den Klarissen? Andere wiederum würden die Anbetung eines höheren Wesens auch schon als eine Pathologie bezeichnen.
Aber die Religionsfreiheit umfasst doch alle Religionen, in all ihren Ausprägungen? Bestraft gehört nur, wer als EinzelneR oder als Gemeinchaft gegen höher gewichtetes Recht verstößt.
Davon bin ich alles andere als überzeugt. Dafür bedürfte es eines präzisen Nachweises. Und wennschon, dann müssten wir vielleicht auch Hammer und Sichel, das Wappen der DDR oder das Tragen von Springerstiefeln verbieten.
wir ziehen grenzen immer willkürlich, wenn man so will.
warum ist jemand mit 17 jahren und 364 tagen z.b. für eine straftat in anderer weise verantwortlich als jemand mit 18 jahren und einem tag?
prinzipiell ja. wenngleich eben auch organisationen und allein die mitgliedschaft in diesen verboten werden können. aber wir sind hier wieder in einer grauzone – inwieweit muss etwas verinstitutionalisiert sein, um es verbieten zu können. kann man z.b. salafismus verbieten bzw. die symbolik, die mit diesem einhergeht? so wie das eben mit dem nationalsozialismus als menschen-, demokratie- und verfassungsfeindlicher ideologie der fall ist.
Dies muss nicht unbedingt so sein…
Wie auch immer, die Motivation hinter dem Burka Verbot kann man nie und nimmer gutheißen
ersetze das “man” durch “ich” und ich bin voll und ganz deiner meinung. den “man” kann schon. auch das wäre am ende zutiefst libertär, indem man dem anderen seine meinung lässt.
Der französische Staatsrat hat das Burkiniverbot in Villeneuve-Loubet gekippt. Das Urteil gilt als richtungsweisend.
Zu dieser “richtungsweisenden” Entscheidung kann man nur gratulieren. Frauen dürfen also zukünftig öffentlich mit ihrer Bedeckung demonstrieren, dass sie (im Gegensatz zu anderen) nicht unehrenhaft daherkommen indem die ihre Haare Arme und Beine nicht vor anderen Männern zur Schau stellen. Für manche sind das angeblich “religiöse” Gründe. Nur komisch dass unter Kemal Atatürk das Kopftuch (nicht etwa die Burka) in der Öffentlichkeit verboten war, und das genau aus diesen absurden Gründen.
Warum darf dann niemand nackt am Strand liegen und behaupten er oder sie mache dies angeblich aus religiösen Gründen? Weil es in der Gesellschaft einen Konsens darüber gibt, das dies nicht erwünscht ist. Gibt es einen Konsens in der Gesellschaft darüber dass die Gründe für die Bedeckung ( unverhüllt= Hure) legitim und erwünscht sind? Das glaube ich nicht, denn diese Einstellung widerspricht gänzlich unserer aufgeklärten Gesellschaft und unseren erworbenen Frauenrechten. Um das aber herauszufinden, sollte man dazu eine Volksbefragung machen :-).
Und jetzt sollen Leute auch gezwungen werden Alkohol zu trinken oder Schweinefleisch zu essen?
Wenn eine Frau einen Minirock anzieht, gilt sie manchen als Hure. Das wird man nicht verbieten können, obwohl es unseren »Werten« widerspricht. Und wenn eine Frau keinen Minirock anzieht, weil sie sich darin selbst als Hure fühlt, wird ihr auch niemand einen langen Rock oder eine Hose verbieten können — auch wenn ihre Einschätzung, dass sie mit einem Minirock wie eine Hure aussieht »gänzlich unserer aufgeklärten Gesellschaft und unseren erworbenen Frauenrechten« widerspricht.
Frauenrechte sind Rechte und keine Pflichten, man kann niemandem vorschreiben, sie in Anspruch zu nehmen.
Anders sieht es aus, wenn eine Frau nur deshalb nie einen Minirock trägt, weil ihr Mann findet, dass sie darin wie eine Hure aussieht und es ihr deshalb verbietet. Wiewohl ich aber überzeugt bin, dass das passiert, ist dies genauso schwer zu beweisen, wie die Tatsache, dass eine Frau das Kopftuch nur trägt, weil sie von einem Mann dazu gezwungen wird.
Die Beweislage ob Frauen gezwungen werden sich zu verhüllen oder dies freiwillig machen ist freilich dürftig, die Indizien sind aber erdrückend: Die Kopftuch-Burkini- und Burkaträgerinnen kommen alle aus derselben Ecke, und zwar aus derjenigen die nicht gerade für die korrekte Anwendung von Frauenrechten, sondern für das Gegenteil bekannt ist. Frauen aus anderen Ecken haben kein Problem sich der Situation angemessen zu kleiden (z.B. bei der ärgsten Hitze nicht gerade die schweißtreibendsten Kleider, wenn man schwimmen will einen Badeanzug, der Sonne, Wind und Wasser an die Haut lässt usw.) ohne gleich in Verdacht zu geraten durch ihr Verhalten die Ehre des Mannes und der gesamten community zu verletzen ( woraus immer die bestehen mag), was bekanntlich ja das ärgste Vergehen darstellt.
Wie sagte Alice Schwarzer treffend: “Das Kopftuch ist die Flagge des politischen Islam”. Wie recht sie damit hat, wird zunehmend deutlicher sichtbar.
Wenn es nicht so tragisch wäre, dann dann wäre es zum wenigstens zum Wundern. Kemal Attatürk hat noch das Kopftuch im öffentlichen Raum verboten, da es, seiner Meinung nach, im Widerspruch zu einem modernen Staat stehen würde. Wir in Europa, wo die Verhüllung keine Tradition hat, sind schon bereit das Kopftuch zu akzeptieren, da ja bereits viel Schlimmeres daherkommt, Burka und Niqab. Wir verlangen halbherzig, dass wenigstens das Gesicht frei bleiben müsse. Manche glauben auch noch den betroffenen Frauen Gutes zu tun, indem wir alle unsinnigen Dinge akzeptieren, ihre Handlungsfreiheit nicht einschränken usw. Genau das Gegenteil ist der Fall. Indem dass wir alles akzeptieren, nehmen wir diesen Frauen erst recht die Möglichkeit sich zu emanzipieren. Man verkennt dass es weder um Religionsfreiheit noch um Kleiderordnung, sondern um blanke Macht geht, die aus einer zutiefst patriarchalisch geprägten Gesellschaft stammt.
Dazu die kluge Alice Schwarzer:
http://www.cicero.de/berliner-republik/ein-jahr-grenzoeffnung-wir-waren-alle-naiv
Jerusalem Post.
Ein indischer Philosph, der kürzlich beim Forum Alpach einen Vortrag hielt, wurde zum Thema Aufklärung im Fernsehen befragt. Dabei sagte er folgendes: Nicht jeder will in einer aufgeklärten Gesellschaft leben. Es gibt Menschen, die wollen kein selbstbestimmtes Leben führen, wollen sich mit der Welt nicht auseinandersetzen, wollen nichts leisten, wollen die Verantwortung anderen überlassen und sich im Kreis einer Familie oder eines Clans niederlassen, wollen nichts selbst bestimmen und überlassen den “Führern” zu sagen, wo es hingehen soll. Das beschreibt vollkommen die Lebensweise vieler Frauen aus patriarchalisch arabisch- muslimisch geprägten Gesellschaften. Nun man wird niemanden überreden können ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Nur fragt man sich wie das mit unserer westlich aufgeklärten Gesellschaftsform zusammengeht, bzw. warum diese Menschen überhaupt hierherkommen, wenn diese von (selbstgewählter oder auch nicht) Abhängigkeit geprägte Lebensform, die durch die versch. Bedeckungen auch äußerlich erkennbar ist, unweigerlich in eine Parallelgesellschaft führt. Konkrete Frage: Wieviele von diesen Frauen arbeiten oder dürfen arbeiten? Wahrscheinlich nur wenige. Andere Frage: Wollen wir eine solche Gesellschaft mit so vielen von anderen abhängigen Personen ? Oder ist Kants Postulat : Der Mensch soll sich von der SELBSTGEWÄHLTEN, aus Mangel an Mut entstandenen Unmündigkeit befreien und sich ohne Leitung eines anderen seines Verstandes bedienen (sapere aude), überhaupt noch prägend für unsere Gesellschaft? Oder gilt dieses Postulat nur für Männer? Machen wir uns nichts vor : Die Abhängigen (selbstgewählt oder nicht) sind immer die Frauen. Jedenfalls finde ich Frauen mit allen möglichen Bedeckungen, die neben Männern in Sandalen und kurzen Hosen (als Aufpasser?) auf der Straße gehen gänzlich unwürdig.
Die Glarner Landsgemeinde hat ein Verschleierungsverbot nach Tessiner Vorbild abgelehnt: http://www.cdt.ch/svizzera/cronaca/176136/glarona-non-vieterà -il-burqa
http://rp-online.de/politik/ausland/burka-verbot-beschlossen-oesterreich-stellt-vollverschleierung-unter-strafe-aid-1.6825931
Glarus und Österreich, zwei Einzelfälle — die aber zeigen, dass die Klischees bezüglich direkter und repräsentativer Demokratie nicht notwendigerweise zutreffen.
interessante Studie
http://religion.orf.at/stories/2847756
Absolut überflüssig.
das hat man davon, wenn man nicht einfach das verbietet, was man eigentlich verbieten möchte.
Interessant+lesenswert, auch wenn ich nicht alles teile: https://derstandard.at/2000067912571/Feministin-Ramadani-Jemand-der-pro-Kopftuch-ist-kann-kein-Feminist