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»Höchstes Gut« steht auf dem Spiel.
Martha Stocker für Abgrenzung

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Am Samstag waren der Politikwissenschafter Günther Pallaver und die Historikerin Martha Stocker (SVP) bei einem Mittagsmagazin Spezial von Rai Südtirol zu Gast. Auf die Klagedrohungen von Marco Galateo (FdI) angesprochen, bezeichnete Stocker die Meinungsfreiheit als »das höchste Gut, das wir haben.«

Da verstehe ich die Welt nicht mehr. Also da kommen schon wirklich wesentliche Grundfreiheiten… werden in Frage gestellt.

– Martha Stocker

Transkription von mir

Sie brachte in der Folge die Hoffnung zum Ausdruck, dass sich die SVP von dieser Haltung des wahrscheinlichen Koalitionspartners klar abgrenzt. Das finde ich einerseits gut. Andererseits spricht Martha Stocker selbst davon, dass hier das höchste Gut, das wir haben unter die Räder zu kommen droht. Reicht es bei derart Grundsätzlichem wirklich, einfach nur äußerlich auf Distanz zu gehen oder ein paar wohlklingende Worte in eine Präambel zu schreiben? Präambeln sind zwar wichtig, doch sie sind auch der Teil von Verträgen, wo Papier am geduldigsten ist. Ist das wirklich alles, was die SVP zur Verteidigung von Grundwerten aufzubringen gewillt ist?

Noch bevor die neue Koalition steht, muss die Volkspartei schon an allen Ecken Feuerwehr spielen und kommt damit kaum noch hinterher. Wie es dann erst wird, wenn die Rechtsrechten an den Schalthebeln sind, können wir uns ausmalen. Leider werden dann aber keine Distanzierungen mehr ausreichen.

Die einzig glaubwürdige Abgrenzung ist der rechtzeitige Abbruch der Koalitionsgespräche.

Siehe auch: 01



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Comentârs

2 responses to “»Höchstes Gut« steht auf dem Spiel.
Martha Stocker für Abgrenzung

  1. Christine avatar
    Christine

    Kurze Polemik zum Begriff der Meinungsfreiheit als »Höchstes Gut«: Was bedeutet es eigentlich, wenn ein bürgerlicher Staat etwas Unvermeidliches – das Meinen der unter seiner herrschaftlichen Souveränität stehenden Menschen – unter Lizenz stellt? Der Inhalt der Meinungsfreiheit geht über den Charakter eines Rechts hinaus. Sie ist auch eine Pflicht. Zum einen darfst du meinen, was du willst, ohne dass das Konsequenzen für dich hat. Aber praktische Konsequenzen darf das Meinen eben auch keine haben. Dieses »höchste Gut« entpuppt sich so nicht nur als etwas völlig Unpolitisches, sondern als wirkmächtiges Herrschaftsinstrument: Ich habe meine Meinung und du hast deine. Diskussion beendet. Dann scheiden sich unsere Wege ohne jedwede Implikation. Jede Meinung ist gleich gültig, somit gleichgültig und auf praktische Folgenlosigkeit ausgerichtet. Oder mal ganz plakativ: Der Staat gewährt den “linksgrünversifften Separatismus” auf BBD als pures Meinen. Mehr dann aber auch nicht.

  2. Martin Brugger avatar
    Martin Brugger

    Sehr geehrte Frau Stocker, liebe Martha. Ich darf einige Befürchtungen hier äußern und bin froh, wenn auch in den Reihen der Südtiroler Volkspartei die kritischen Stimmen erhoben werden bevor es zu spät ist, denn diesmal geht es um mehr als nur um eine politische Spielart. Es geht um das Ansehen unseres Landes vor dem Hintergrund seiner Historia. Alles, was jetzt passiert, wird im benachbarten Ausland mit Argusaugen betrachtet.

    Die Chefverhandler und ihr Koalitionsarchitekt – kurz das „ZAK-TRIO“ – gibt sich siegessicher: nach den vielen Bitten aus allen Bevölkerungsschichten um Kursänderung, ist die Antwort: „Jetzt erst recht“ und schnell obendrein: alles muss bis spätestens Freitag Abend unter Dach und Fach sein, vor der Samstags-Demo. Ob der Weg, der eingeschlagen wird, dem bislang nur 41% im Parteiausschuss zugestimmt haben (bis auf Gegenbeweis) der richtige ist? Die Mahner aller Couleur, die in der „No Excuses Bewegung“ noch zusammenfinden werden und bisher zusammengefunden haben (außer schwarz-braun natürlich) stemmen sich mit Herz und Verstand, mit Fuß (durch ihre friedliche Gangart bei den Demonstrationen) und Hand (Unterschriften) gegen die unheilvolle Verbindung. Jenen aber, die für diese Rechtskoalition eintreten und mit ihrem Namen garantieren und bürgen, darf die Frage gestellt werden: wer verbürgt sich denn für euch? Und wofür eigentlich bürgen? Dafür, dass jetzt mit genau jenem rechten Spektrum paktiert wird, das einst von den Lauben tänzelnd und hüpfend kommend die SVP-Parteizentrale aufgesucht hat mit den Schreirufen: “eins, zwei, drei abbasso Volkspartei”? Geister der Vergangenheit mit einem überkommenen ideologischen Hintergrund zu beschwören ist fahrlässig und höchst gefährlich. Zu glauben, die Kontrolle über die rechten Brüder zu bewahren, das erscheint höchst fragwürdig, denn “Wolf frisst Kreide!” Als Vergleich mögen tatsächlich Bär und Wolf herhalten: sie wurden einst angesiedelt und sollen nun entnommen werden (die “Endlösung” für diese Tiere): weil die Kontrolle entglitten ist, weil man nicht aufgepasst hat. Was aber passiert, wenn der eingeschlagene politische Rechtskurs schief geht? Man kann sich das vielleicht bildlich vorstellen: der Kapitän deutet an, die Reißleine zu ziehen, wenn es brenzlig wird und die Mannschaft meutert. Er wird als erster das Schiff verlassen, es ist seine letzte Fahrt. Sein Ober-Maat wird die Kontrolle über das rettende, aber sinkende Beischiff einer dezimierten Ruder-Mannschaft anvertrauen. Übrig bleiben wird noch ein „Alter Mann und das Meer“: vom prächtigen Marling, den er gerade noch ins marode Schiff ziehen kann, wird nur mehr das Skelett übrig bleiben, weil Raubfische den „Fang seines Lebens“ fressen werden. Ein Schelm, wer an Ernest Hemingway denkt. Das alles könnte sich aber real in Rom und in Bozen abspielen und das sinkende Beischiff trägt den Namen S.V.P. Ob also Südtirol nach einer solchen Koalition unbeschadet wieder zu sich finden kann, selbst wenn in Rom ein “Lucky Punch” gelingen mag, das steht in den Sternen. Die Vorzeichen lassen nichts Gutes erahnen. Die “Raubfische”, das sind die Emporkömmlinge, die Opportunisten und Nimmersatt, die sich ungeniert Beiträge aus Rom abholen und nicht zuletzt auch jene Südtiroler Medienwelt, die sich öffentlich finanzierte Werbeseiten und Beiträge für ihre Blätter, Portale und Fernsehanstalten im Gegenzug für gefällige PR-Beiträge und Berichte erwarten darf. Man lese, höre, sehe und staune dazu nur über die heutigen Ausgaben… In den letzten Jahren ist hierzulande einiges ins Wanken geraten: nach obenhin hat man die Kompetenzen, die im Zeichen der Autonomie heimgeholt wurden, alle schön und schick nach Proporz geteilt. Unten in der Bevölkerung ist von alledem aber herzlich wenig angekommen. „Gratis Strom für die öffentlichen Einrichtungen, nicht für Private“, titelt die „Dolomiten“ heute. Das waren Kompetenzen der Vergangenheit, die entglitten sind. Solange diese und andere Missstände in Südtirol nicht beseitigt werden, wird die Heimholung von Kompetenzen in der Bevölkerung kaum anders wahrgenommen, als vergebene Liebesmüh. Denn von Kompetenzen allein kann die Südtiroler Bevölkerung nicht abbeißen: die junge nicht und die ältere Bevölkerungsschicht, die wirtschaftliche Sorgen plagen, schon gar nicht. Die Südtiroler wissen um die Skandale der Vergangenheit, weil Kompetenzen in falsche oder nicht treue Hände geraten sind. Jetzt lauern die “Fratelli” am Honigtopf: ihnen ist nichts zu unterstellen, denn sie werden das sozial brachliegende Feld gut zu bespielen wissen, davon ist auszugehen. Der politische „Black Friday“, am Vortag der „No Excuse – Demo“ naht. Die „Zwickmühle“ ist aufgestellt, die schwarzen Steine sind bereits in Stellung gebracht. Alles unter Kontrolle? Diese Frage stellen sich die Südtiroler und für die Antwort reichen Beteuerungen nicht aus, sondern nur Sicherheiten. Die Nagelprobe für die Fratelli besteht als letztem Ausweg noch im Eintreten für – und die Ausarbeitung eines “Wiederbetätigungsverbotes” mit Strafen nach deutschem Vorbild: zum Schutz nicht nur für sprachliche Minderheiten. Meloni könnte sich damit zudem vom ultrarechten Rand abgrenzen. Europa hat Südtirol im Visier und schaut zu, was bei uns passiert.

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