Der italienische »Rat für Wirtschaft und Arbeit« (CNEL) hat vor wenigen Tagen zum ersten Mal einen Bericht über die Attraktivität Italiens für junge Menschen (18-34 Jahre) aus »entwickelten« Ländern veröffentlicht — mit einem verheerenden Ergebnis, das vielleicht auch der einen oder anderen Südtirolerin zu denken geben sollte. Für neun auswandernde italienische Staatsbürgerinnen wandert nur eine Person aus diesen Ländern ein. Parallel durchgeführte Umfragen bestätigen, wie wenig interessant Italien für Menschen aus Ländern mit hoher Wirtschaftsleistung ist.
Hierzulande wurde von den Medien hauptsächlich thematisiert, dass Südtirol aus der Studie als Gebiet mit der weitaus größten Abwanderung (2011-2024) hervorgeht. Das wars. Dieses Teilergebnis sagt aber eigentlich noch fast gar nichts über das Phänomen aus.
Südtirol nimmt in dem Bericht quasi eine Sonderrolle ein, weil unser Land, wie selbst die Autorinnen feststellen, Teil des deutschen Sprachraums ist. Eine Art Binnenmigration findet somit nicht nur mit Italien statt, dessen Attraktivität wie erwähnt äußerst gering ist, sondern aufgrund der gemeinsamen Sprache insbesondere auch mit Österreich, Deutschland und der Schweiz. Nur bei den Südtirolerinnen liegt das Vereinigte Königreich nicht unter den drei meistgewählten Destinationen.
Außerdem hat Südtirol den weitaus höchsten Anteil an Auswandernden mit Matura, was natürlich daran liegen dürfte, dass sie das Staatsgebiet häufig verlassen, um in den anderen Ländern des deutschen Sprachraums zu studieren. Der Anteil jener, die zum Zeitpunkt der Abwanderung bereits einen Studienabschluss hatten, war 2024 im Vergleich mit italienischen Regionen einer der geringsten.
Doch auch bei der Zuwanderung aus den »entwickelten« Ländern, auf die sich der Bericht ja fokussiert, liegt Südtirol vor allen italienischen Regionen — und zwar um ein Vielfaches. Auf 100 Einwohnerinnen zwischen 18 und 34 Jahren sind im Beobachtungszeitraum zwar 16,24 aus Südtirol abgewandert, während kein anderes Gebiet auch nur auf sieben kommt. Andererseits betrug die Neuanmeldung von Ausländerinnen 2,8 Prozent, wohingegen dieser Wert in allen italienischen Regionen unter eins liegt, meist sogar deutlich darunter.
Aussagekräftig ist diesbezüglich das Verhältnis zwischen Ein- und Abwandernden, das das CNEL etwas umständlich als »Symmetrieindex der Migrationsflüsse« getauft hat: Hier liegt Südtirol nach Latium und Toskana auf dem dritten Platz, da einer großen Abwanderung auch eine relativ große Zuwanderung entspricht.
Vergessen wir aber nicht, dass wir uns mit Regionen eines — wie selbst diese staatliche Behörde feststellt — äußerst unattraktiven Einwanderungsland für Menschen aus entwickelten Ländern vergleichen, weshalb auch der relativ gute Stockerlplatz noch lange keine gute Nachricht ist. Immerhin lag das Verhältnis zwischen Ab- und Zuwanderung 2011-2024 bei 5,8:1 — für jede Person die eingewandert ist, haben dieses Land sechs verlassen. Ein Desaster.
Übrigens: Der angrenzende Nordosten Italiens, den uns manche im Rahmen der Stahlwerkekrise als idealen Wirtschaftsraum für Südtirol schmackhaft machen wollen, schneidet unerwartet schlecht ab, sogar in der italienischen Binnenmigration.
Cëla enghe: 01 02 03 04 05 | 06

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