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SVPolitbüro.

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In Diktaturen kommt es vor, dass bei Wahlen hin und wieder etwas nachgeholfen wird, damit das Ergebnis auch passt. Zu groß ist die Angst vor einem Machtverlust.

Die Südtiroler Volkspartei ist immer noch mit einer — für eine Demokratie — außergewöhnlichen Machtfülle ausgestattet. Doch zumindest der Prozentanteil bei Wahlen ist in den vergangenen Jahren stetig geschrumpft. Dieser Umstand scheint beim Edelweiß nun alle Sicherungen durchbrennen zu lassen. Eine Angst geht um, die alle Aspekte dessen, was gute Politik für gewöhnlich ausmacht (Zunkunftsvisionen, Streben nach Gemeinwohl, Umsetzung der besten Ideen usw.), zu überlagern scheint. Anders sind die Aktionen der SVP rund um den Konvent nicht zu erklären. Dabei waren Kompatscher, Achammer und Co. mit den Schlagwörtern “Transparenz”, “Partizipation” und “Keine Packelei und Freunderlwirtschaft mehr” angetreten.

Aber von Anfang an: Unabhängig vom Ergebnis brachten die Open Spaces zum Konvent einen großen demokratischen Mehrwert. Jede/r ging mit einer Meinung hinein und mit einer anderen — weil erweiterten — wieder heraus. Dieser Meilenstein demokratischer Dialektik in Südtirol wurde erstaunlich wenig gewürdigt. Viel öfter war von einem Kapern, einer Vereinnahmung und einem Missbrauch der Veranstaltungen durch die Schützen respektive die Selbstbestimmungsbefürworter die Rede. Das Dumme ist nur, dass man einen Open Space per Definition nicht vereinnahmen kann.

Bei der Auswahl zum Forum der 100 sind die Möglichkeiten für Tricksereien hingegen ungleich größer. Zumindest zweier davon hat sich die SVP in sagenhafter Ungeschicklichkeit und Arroganz bedient.

Im Landesgesetz zum Konvent steht:

Art. 5
Koordinierung und Beteiligung [Anm.: Forum der 100]
2. 100 ausgewählte Privatpersonen konstituieren sich in einem Organ, das “Forum” benannt ist, welches regelmäßig über die Arbeiten des Konvents informiert wird und das nach den Modalitäten, wie sie durch den Konvent definiert werden, angehört und befragt wird.

Laut einem Dolomitenbericht vom 1. April [sic!] hat die Südtiroler Volkspartei zentral hunderte Ortsausschussmitglieder als Kandidaten für das Forum der 100 angemeldet — viele sogar ohne deren Wissen und Einverständis. Nach meinem Rechtsverständnis eine mehr als grenzwertige Praxis. Ganz abgesehen von der moralischen Niederträchtigkeit. Die Organisatoren des Konvents haben es den Manipulierern leider fahrlässig leicht gemacht. Für die Online-Anmeldung musste man sich — im Gegensatz zu einer vielgescholtenen Privatinitiative — weder identifizieren, noch war es nötig, sie über einen Bestätigungslink zu aktivieren. Somit konnte die Anmeldung Unwissender durch Dritte mühelos erfolgen.

Das Resultat der Aktion war, dass es für die Ermittlung der 100 eine zweite Ziehung brauchte. Obwohl beim ersten Mal über 150 Namen gezogen wurden (um bei etwaigen Absagen Nachrücker zu haben), reichte das angeblich nicht aus, um die 100 Plätze zu besetzen. Zu viele, die von der SVP ohne ihr Wissen angemeldet wurden, nahmen das Amt — verständlicherweise — nicht an. Ein Hohn all jenen gegenüber, die sich mit ernsthaften Ambitionen beworben haben und auf einen Platz hofften, um einen Beitrag für Südtirols Zukunft zu leisten.

Im Gesetz heißt es weiter:

Art. 2
Zusammensetzung [Anm.: Konvent der 33]
d) acht Mitglieder, Vertreter der Bürgergesellschaft. Sie werden vom ‘Forum’ der 100, gemäß Artikel 5 Absatz 2, aus dessen Mitte gewählt;

Obwohl in Artikel 5 von Privatpersonen und in Artikel 2 von Bürgergesellschaft die Rede ist, bewarben sich — aller Wahrscheinlichkeit nach — auch dutzende Bürgermeister und hohe Parteifunktionäre für das Forum, denn drei Gemeindeoberhäupter (zwei SVP, einer Uniti nell’Ulivo) und zumindest ein Kapazunder wie der Bozner SVP-Obmann Christoph Perathoner schafften es tatsächlich in jenes Forum, das eigentlich der “Bürgergesellschaft” vorbehalten sein sollte.

Laut italienischem Zivilgesetzbuch ist eine Privatperson ein Individuum außerhalb seiner öffentlichen und gesellschaftlichen Beziehungsgeflechte. Dass sich ein Bürgermeister in einem politischen Gremium als Privatperson sieht, ist gelinde gesagt kreativ und offen gesagt eine Sauerei.

Natürlich sind Politiker auch Bürger. Der Konvent ist jedoch so strukturiert, dass für parteilich organisierte Bürger andere — ja sogar breitere — Kanäle in den Konvent führen, die den “normalen Bürgern” verschlossen sind. Die Politik hat im Vorfeld bereits dafür gesorgt, dass der Einflussbereich dieser “normalen Bürger”, der Zivilgesellschaft, ein recht überschaubarer bleibt. Das Forum der 100 ist lediglich ein Beratungsgremium, welches acht Mitglieder in den Konvent der 33 wählen darf. Dass die Politik — allen voran die SVP — den Bürgern nun auch noch diese Plätze streitig macht, ist ein demokratiepolitischer Skandal, der der Idee der Partizipation zuwider läuft und von einer ungemein herablassenden Geringschätzung dieser zeugt. Bis auf Alessandro Bertinazzo (Bgm. Branzoll) haben zumindest alle anderen Gemeindeoberhäupter ihre Kandidatur für “die Acht” zurückgezogen. Und auch Perathoner machte einen Rückzieher.

Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch hoch, dass er ohnehin im Konvent landen wird, da er vom Landtag als einer der fünf “Rechtsexperten” berufen werden kann. Und auch Alessandro Bertinazzo steht dem Vernehmen nach bereits auf der Vorschlagsliste des Rats der Gemeinden, der vier Plätze vergeben kann. Sollten Bertinazzo und Perathoner tatsächlich zu den 33 gehören, wären sie dann gleichzeitig auch im Gremium, das die acht Vertreter der Bürgergesellschaft im Konvent berät, vertreten.

Das Demokratieverständnis der größten Partei Südtirols ist auf einem Tiefpunkt angelangt. Sie fingiert Bewerbungen zu einer Wahl, kapert Kanäle, die per Gesetz, welches sie selbst erlassen hat, für die Zivilgesellschaft vorgesehen sind und bringt Parteigänger auf moralisch bedenkliche Weise in Position. Trotz aller Beteuerungen bezüglich Partizipation und Anti-Packelei der neuen, jungen Garde ist sie in dieser Hinsicht offenbar um nichts besser als die Durnwalder-Generation. Im Gegenteil. Dieses Spiel ist perfider als jenes des Langzeitlandeshauptmannes. Denn dieser schenkte reinen Wein ein (“Des moch I alloan!”) und man wusste, wie man dran war.

Wie groß muss die Angst sein, wenn man mit aller Kraft verhindern will, sich mit anderen Ideen und Meinungen konfrontieren zu müssen; ein Aspekt, der eigentlich zum Wesensmerkmal von Politik und Demokratie gehört. Potenzielle acht “Störenfriede” in einem Gremium von 33 (24 Prozent), welches ein Dokument verabschiedet, das dann erst noch durch eine SVP-dominierte Landtagsmehrheit genehmigt werden muss, veranlassen die Volkspartei bereits zu unbedachten Panikreaktionen. Ein wirklich erstaunlicher Befund. Jedenfalls ist die SVP-Aktion ein Indiz dafür, dass es ihr gar nicht um einen ergebnisoffenen Dialog geht und dass die gepredigte Partizipation als Scheinpartizipation zu verstehen ist. Schade.

Das einzig positive an der Geschichte ist, dass die Manipulationen bislang offenbar wenig gefruchtet haben — wie die gewählten acht Vertreter für den Konvent der 33 zeigen.



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Comentârs

14 responses to “SVPolitbüro.”

  1. Philipp Fallmerayer avatar
    Philipp Fallmerayer

    Die Großen hören auf zu herrschen, wenn die Kleinen aufhören zu kriechen.

    Friedrich Schiller

  2. RoMo avatar
    RoMo

    Olfa Sassi ist bei den Grünen

    1. Harald Knoflach avatar
      Harald Knoflach

      einfache parteimitglieder und ehemalige kandidaten sehe ich nicht als problem. die sind für mich eindeutig privatpersonen.
      das problem sind aktive amtsträger und hochrangige parteifunktionäre.
      die svp hat viele tausend mitglieder. warum sollten sich diese nicht für das forum bzw. die acht plätze im konvent bewerben dürfen?

      1. @schierhangl avatar
        @schierhangl

        Die Anmeldung ist ohne das Wissen der Parteimitglieder passiert.
        STF hat wohl bereits den Rechtsweg eingeschlagen: http://salto.bz/article/04042016/registrierung-von-geisterhand

      2. RoMo avatar
        RoMo

        Das über Olfa Sassi war nur eine Information

    2. Egon Pramstrahler avatar
      Egon Pramstrahler

      Es ging nie eigentlich darum ob jemand bei einer Partei ist oder bei einer anderen ist. Sondern ob jemand ein Amt inne hat wie z.B. Bürgermeister. Spätestens dann kann man nicht als Privatperson in einem Forum sein, das laut Gesetz die Zivilgesellschaft/Bürgerschaft rapräsentieren soll.

  3. @schierhangl avatar
    @schierhangl

    Wenn diese Information richtig ist (Danke BBD, Quelle?) wird die Diskussion über Parteifunktionär oder aktiver Politiker zur Nebensache. Die Legitimation jeder weiteren Abstimmung und aller Ergebnisse im Forum ist kompromittiert.
    Die Angst vor dem Machtverlust ist ein schlechter Ratgeber und zeigt, dass neben seit Jahrzehnten gleichen politischen Fragen das Demokratiedefizit wohl das grösste aller Probleme ist.

    Wie will man das Vertrauen in den Konvent und das Forum der Hundert wiederherstellen?

    1. Harald Knoflach avatar
      Harald Knoflach

      @schierhangl
      Quellen wofür?

      1. @schierhangl avatar
        @schierhangl

        Nun man sollte mit dieser Information zunächst sehr vorsichtig umgehen, da die politische Sprengkraft nicht von der Hand zu weisen ist. Bisher scheinen sich die Verdachtsmomente zu verdichten und ich finde den Rechtsweg eingeschlagen durch Atz-Tammerle das probate Mittel. Siehe auch:

        Der Konvent gibt Südtirol die Chance in Sachen Rechtsstaat, Demokratie und Nationalismusfrage weiterzukommen. Die Transparenz scheint bereits zu funktionieren. Gut so!

      2. hunter avatar
        hunter

        ich meinte das tatsächlich als frage. denn ich hab ja die quellen hinterlegt.
        einmal der verweis auf den dolo-artikel (in dem achammer ja angeblich zugegeben hat, dass das so von statten ging). vom 1. april und einmal der link zur presseaussendung von atz tammerle.

  4. hunter avatar
    hunter

    laut stol.it sagt LR Achammer in der Landtagsdiskussion um die Forum-Manipulationen:

    Wir haben unseren Mitgliedern eine Hilfestellung für die Anmeldung angeboten, stets unter der Voraussetzung, dass sie dies auch wollen.

    Spinn ich jetzt. Jemand der sich für das Forum der 100 bewerben möchte und somit über die Zukunft Südtirols entscheiden soll, ist nicht in der Lage, ein Online-Formular selbsttätig auszufüllen???

    1. Sollte die “Unterstützung” aus Zeitgründen angeboten worden sein (die Registrierung dauerte ca. 2 Minuten): Wenn jemand diese Zeit nicht aufbringen kann, wie soll er/sie dann die Zeit für die Forumsarbeit an sechs ganzen Samstagen aufbringen?
    2. Sollte die “Unterstützung” aus Kompetenzgründen angeboten worden sein: Wenn jemand nicht imstande ist, seinen Namen, sein Geschlecht und sein Alter in ein Online-Formular einzutragen und auf “senden” zu klicken, dann glaube ich nicht, dass er/sie der/die Richtige ist, um im Forum der 100 mitzuarbeiten.

    Für wie dämlich hält der Landesrat seine Parteimitglieder? Und für wie dämlich hält er die Südtiroler?

  5. hunter avatar
    hunter

    achammer sagt im TAZ-interview:

    Dass wir die Ortsgruppen unterstützen, ist nicht verboten. Nirgends steht geschrieben, dass sich eine Person selbst anmelden muss.

    es ist auch nicht verboten, dass ich achammer hinter seinem rücken seine neue freundin ausspanne und sie ihn betrügt. nirgends steht geschrieben, dass man offen und respektvoll miteinander umgehen muss.

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