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SVP »warnt« vor ladinischer Einheit.

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Neun Jahre, nachdem sich die Einwohnerinnen der ladinischen Gemeinden Anpezo, Col und Fodom (sog. Souramont) in einer amtlichen Abstimmung für eine Wiedervereinigung mit Südtirol ausgesprochen hatten, warnt der ladinische SVP-Parlamentarier Daniel Alfreider davor, »gleich auf eine Wiedervereinigung zu pochen, denn in Sachen Grenzverschiebungen befinden wir uns derzeit in einer absolut heiklen Phase«. So wird er in der Tageszeitung vom 19. Juli zitiert.

Doch was heißt hier »gleich«? Die ladinische Sprachgemeinschaft wurde 1923 vom faschistischen Regime zum Zweck der kulturellen Vernichtung auseinandergerissen und wartet seitdem auf eine Wiedergutmachung.

Sowohl die Region Venetien, als auch das Land Südtirol haben der Wiedervereinigung bereits ihren offiziellen Segen erteilt, jetzt wäre »nur« noch das römische Parlament am Zug, die verfassungsmäßig vorgesehene Prozedur abzuschließen.

Auch die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen sagt, dass Verwaltungsgrenzen stets so zu legen seien, dass Minderheiten nicht künstlich auseinanderdividiert werden. Im speziellen Fall ist es sogar so, dass die Ladinerinnen in Souramont so gut wie keinen Minderheitenschutz genießen.

Von welcher »absolut heiklen Phase« spricht Herr Alfreider »in Sachen Grenzverschiebungen«? Im TAZ-Beitrag ist von der Gefahr eines »Dominoeffekts« die Rede, falls der Staat einer Wiedervereinigung zustimmen würde. Doch: Im Fall von Souramont geht es um weit mehr als um Befindlichkeiten. Es geht um den Minderheitenschutz und um die Wiedergutmachung eines historischen Unrechts; man kann das nicht einfach mit einer Grenzverschiebung zwischen Piemont und Lombardei vergleichen. Zudem ist es äußerst selten, dass (wie im vorliegenden Fall) beide betroffenen Regionen einer Grenzänderung zustimmen. Ein Dominoeffekt wäre also mit etwas diplomatischem Geschick vermeidbar — wenn auch unklar ist, was an einem Dominoeffekt so schlimm wäre, ist der Regionenwechsel doch eine gesetzlich vorgesehene Möglichkeit.

Nicht zuletzt gilt es noch zu unterstreichen, dass die Schwierigkeit einer Angliederung des Öfteren damit begründet wurde, dass Souramont vom Autonomiestatut nicht als Teil von Südtirol vorgesehen war. Welch besserer Zeitpunkt also als die derzeit laufende Autonomiereform, um die Wiedervereinigung unter Dach und Fach zu bringen?

Die fortwährende Angst und Visionslosigkeit der SVP ist jedenfalls beklemmend.

Siehe auch: 01 02 03 04



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Comentârs

24 responses to “SVP »warnt« vor ladinischer Einheit.”

  1. ola avatar
    ola

    man kann das nicht einfach mit einer Grenzverschiebung zwischen Piemont und Lombardei vergleichen.

    Es sei denn, man betrachtet auch die damalige Grenzziehung samt Anschluß der Lombardei vonseiten der Piemontesen als Unrecht.

  2. @schierhangl avatar
    @schierhangl

    Sehr guter Beitrag.
    Eine Ratifizierung der Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen im neuen Autonomiestatut würde aus dieser Perspektive (keine Verwaltungsgrenzen durch Sprachminderheiten) Probleme mit der Auflösung der Region bringen.

    Meiner Meinung nach kristallisiert sich auch danke der Berichterstattung von BBD immer mehr heraus, dass eine Auflösung der Region nur bedingt sinnvoll ist.

    – historische Gründe
    – Ladinien
    – Euregio
    – “aussenpolitische” Verhandlungsposition Italien
    – möglicher Verfassungsgerichtshof Bozen/Trient
    u.ä.

    P.S.: eine BBD Position?

    1. pérvasion avatar

      Die Region wurde geschaffen, um die deutsche Minderheit auch in ihrem eigenen Verwaltungsrahmen zu minorisieren. So gesehen läuft die Region dem (später) in der Charta formulierten Ziel zuwider. Für das Fassatal müsste man überlegen, ob ebenfalls eine Angliederung an Südtirol gewünscht wird bzw. ob die LadinerInnen ein eigenes Land (autonome Provinz) gründen wollen.

      1. @schierhangl avatar
        @schierhangl

        Kanton Ladinien? in einer realen föderalistischen Europaregion Tirol als 4. KAnton?

      2. bzler avatar
        bzler

        Fascia an Südtirol angliedern!? Ich dachte für einen Moment, ich blättere in einer Schützenzeitung. Endlich ethnisch reine Grenzziehung und ab Predazzo die Sintflut. Die passende Karte dazu kann man in der Eckartschrift 194 nachschlagen.

        http://www.salto.bz/de/article/15112013/was-ist-das-unser-territorium

        Eine autonome Region Ladinien? Weit kleiner als Aosta oder Molise. In Zeiten, in denen Provinzen wie Sondrio oder Belluno das Existenzrecht abgesprochen wird, ein echt vernünftiger Vorschlag.

      3. @schierhangl avatar
        @schierhangl

        Entspricht es noch der Realität das die österreichische Minderheit von den ehemals italienischen tirolern minorisiert werden: politisch? ethnisch?
        Meiner Meinung nach nicht!
        Sogar historisch ist meiner MEinung nach diese Aussage mit Vorbehalt zu sehen, hat doch Südtirol jene Autonomie erhalten, die dem Trentino bei Österreich verwehrt wurde. Damals!

      4. pérvasion avatar

        Endlich ethnisch reine Grenzziehung und ab Predazzo die Sintflut.

        Ethnisch rein!?! Sintflut!?!

        Die passende Karte dazu kann man in der Eckartschrift 194 nachschlagen.

        Auf deiner »passenden Karte« sind rund 12.650 Quadratkilometer zuviel drauf.

        Eine autonome Region Ladinien?

        Das wäre das, was — wenn es von den LadinerInnen gewünscht wird — europäische Minderheitenschutzstandards gebieten würden.

      5. pérvasion avatar

        @schierhangl Lies auch diesen Kommentar von lenz.

      6. bzler avatar
        bzler

        @pérvasion: das mit der Sintflut und der Karte das passt schon, als Hinweis, wessen Agenda Du mit solchen Vorschlägen bedienst. Vor einigen Monaten zeigten sich gewisse südtiroler Parteien im Regionalrat äußerst ambitioniert, wo denn genau die Grenze zwischen Fassa- und Fleimstal genau zu verlaufen hätte. Die Pangermanische Idee schließt halt Ladinien immer noch mit ein.

        Auch ich fände eine panladinische Verwaltungseinheit begrüßenswert, im heutigen Italien aber als eigenständige Autonomie als nicht überlebensfähig. Innerhalb einer neugestalteten Region, könnte man aber eine solche als stark aufgewerteten Bezirk durchaus verwirklichen. Wer die Region ersatzlos abschaffen will, verzichtet auf interessante Chancen.

        Etwas weiter gedacht, also nicht nur im italienischen Kontext, würde ein Ladinien Prags und Sexten räumlich abschneiden und somit Osttirol näher bringen. Gleichzeitig gebe es genügend Parallelen, dass sich von Cadore bis Agordino evtl. ein zweiter ladinischer Bezirk etablieren könnte. Asiago, Carnia und Camonica würden sich mit dem Konzept Power-Bezirk genauso anfreunden, wie Oberkärnten, Pinzgau und Engadin.

        Unsere Region wird kaum die Lösung für all das sein können. Sie aber abzuschaffen, würde uns einen zusätzlichen Schritt davon entfernen. Wir könnten mit ihr den Samen sähen…

      7. pérvasion avatar

        wessen Agenda Du mit solchen Vorschlägen bedienst

        Das ist a bissl wie mit der Atomkraft. Ich werde nicht auf einen positiven Vorschlag verzichten, nur weil ihn auch »die Falschen« machen.

      8. @schierhangl avatar
        @schierhangl

        @pervasion:

        Sehr gute Toponomastikregelung der ÖSterreicher vor dem 1. Weltkrieg.
        Wie war aber die wirtschaftliche Situation in Tirol/Welschtirol vor dem Ausbruch des 1.Weltkrieg? Welche Auswirkungen hatten das Ende der Gründerzeit auf Tirol? Wie wirkte sich die Deflationskrise aus?Antworten dazu unter: https://www.academia.edu/22739563/S%C3%BCdtiroler_Landwirtschaft_zwischen_Tradition_und_Innovation

        Der Irredentismus könnte also sehr gut von jenen Teilen der Bevölkerung kommen, die aus wirtschaftlicher Schlechterstellung durch einen Umsturz eine Verbesserung der Situation herbeiführen wollen. (Vorsicht, das ist eine These!!!!).

        Es lohnt sich den Blick auf die Zeit vor den 1. Weltkrieg zu wenden. Vor allem ist diese Sicht notwendig , um eine Autonomie bzw. zukunftsweisende Denkstruktur nicht immer und immer wieder mit dem Ende der 2 grossen Weltkriege beginen zu lassen und weiter zu verankern. Die Generationen, die jetzt leben können nichts mehr dafür für die Auswüchse jener Zeit und gemeinsam müssen wir lernen, diese Dinge zu verarbeiten und richtig einzuordnen. Heute mehr denn je!

      9. pérvasion avatar

        Der Irredentismus könnte also sehr gut von jenen Teilen der Bevölkerung kommen, die aus wirtschaftlicher Schlechterstellung durch einen Umsturz eine Verbesserung der Situation herbeiführen wollen. (Vorsicht, das ist eine These!!!!)

        Sorry, versteh ich nicht.

    2. @schierhangl avatar
      @schierhangl

      @pervasion @bzler
      In der letzten Konventsitzung sprach Wolfgang Niederhofer davon das Feuer in der Flasche zu halten als oberste Maxime aus, um in einem zweiten Schritt liberalere Lösungen zu finden.
      Meiner MEinung nach müssen unter bestimmten Absicherungsbedingungen diese Lösungen jetzt angegenagen werden, denn ansonsten laufen wir Gefahr diese Chance tatenlos vorbeiziehen zu lassen.

      Natürlich besteht dieses Selbstbestimmungsrecht und könnte auch in einem neuen Statut festgesetzt werden, vor allem in politisch turbulenten Zeiten wie diesen halte ich das für wichtig.

      Dennoch stimme ich BZler zu, dass die Abgrenzung von BBD zu den Atomkräften nicht immer gelingt, gerade in der Berufung auf ein Kollektiv, ist ein Signal aus der nationaler Ecke zu hören. Erinnert fast ein wenig an Battisti, der die nationale Frage in Kauf nahm, um die soziale Frage zu lösen.

      @pervasion:

      Die Region wurde geschaffen, um die deutsche Minderheit auch in ihrem eigenen Verwaltungsrahmen zu minorisieren.

      pervasion.
      Natürlich ist diese Aussage richtig, aber man sollte sie doch historisch einordnen. Eine ethnopolitische Minorisierung ist derzeit wohl alles andere als durch strukturelle Einheiten verursacht. Ich fordere auf solche Aussagen mit grosser Besonnenheit zu tätigen. Ansonsten läuft man Gefahr, dass das Ansinnen den Flaschengeist in der Flasche zu lassen, bloss ein Lippenbekenntnis ist. Vor lauter Schutz scheint man zu vergessen, dass Südtirol den Kontakt zu seinen NAchbarn Trentino und Nord-Osttirol völlig verloren hat.
      Ich möchte eine Diskussion dieses Phänomens (Abbruch gesellschaftlicher Beziehungen) ohne Reduzierung der Problematik auf Provinzialismus und Peripherie anstossen. Diese mittlerweile freiwillige Isolierung scheint zahlreiche konservative Nutzniesser zu haben, aus deren Reihen wohl auch die Selbstbeweihräucherung Südtirols kommt.

      Der Schlüssel einer “Entdeutschung” entgegenzuwirken, liegt in der Öffnung zum deutschsprachigen Raum. Nirgends im deutschen Sprachraum gibt es wohl weniger Austausch von Fachkräften als in Südtirol. “small is beautiful” klingt gut, aber ist dies konkurrenzfähig und im Sinne einer eigenen Weiterentwicklung oder zementiert es den Isolationismus? Auch eine begrenzte Öffnung kann eine Strategie sein, um den Stopsel auf der Flasche zu halten und gleichzeitig Qualität im öffentlichen Bereich und in anderen Wirtschaftszweigen zu vergrössern.

      1. hunter avatar
        hunter

        Dennoch stimme ich BZler zu, dass die Abgrenzung von BBD zu den Atomkräften nicht immer gelingt

        du hast natürlich recht. nur sollte man halt im glashaus nicht mit steinen werfen, denn deine seltenen und halbherzigen abgrenzungsversuche zum italofaschismus sind – für mich zumindest – auch nicht sehr glaubwürdig.

      2. libertè avatar
        libertè

        Nirgends im deutschen Sprachraum gibt es wohl weniger Austausch von Fachkräften als in Südtirol.

        Und dies wird sich so lange nicht ändern bis Italienisch keine Pflicht mehr ist.

      3. pérvasion avatar

        @libertè: Du meinst so?

      4. libertè avatar
        libertè

        Ärzte mit Kontakt zum Patienten sind natürlich eine Ausnahme, wenn es sich bei der Klinik um eine staatliche Einrichtung handelt.

      5. libertè avatar
        libertè

        -3 Striche für die Forderung Mehrsprachiger Ärzte in staatlichen Krankenhäusern 🙈

      6. pérvasion avatar

        Oder vielleicht für die Widersprüchlichkeit deiner Position?

    3. @schierhangl avatar
      @schierhangl

      Der Irredentismus von Teilen der Trentiner Bevölkerung, die vor dem ersten Weltkrieg lebten.
      Klar?

      @hunter:

      nur sollte man halt im glashaus nicht mit steinen werfen, denn deine seltenen und halbherzigen abgrenzungsversuche zum italofaschismus sind – für mich zumindest – auch nicht sehr glaubwürdig.

      hunter

      HÄÄÄ?
      Was ist das?
      – Treppenwitz der BBD Verschwörung?
      – Ironie?
      – Feststellung? Wenn ja bitte belegen?
      – Hypothese?
      – politische Schlammschlacht?
      – Einordnung in die Altoatinsesierung?

      1. hunter avatar
        hunter

        @schierhangl
        willkommen im club.

  3. Tirola Bua avatar
    Tirola Bua

    Die SVP ist einfach zum Schämen

  4. ProEuregio avatar
    ProEuregio

    … Herr Alfreider war bereits am Sonntag in seinem Parteisoldaten-Gehabe in der Tagesschau zu erleben, – er faselte etwas von Projekten …

  5. Thomas Benedikter avatar

    Die Ladiner von Souramont haben sich mit großer Mehrheit in freier Abstimmung für eine Rückgliederung an Südtirol ausgesprochen, und der Regionalrat von Venetien hat dazu grünes Licht gegeben. Nur Rom legt sich quer und einem SVP-Ladiner fällt nichts Besseres ein, als auf “heikle Phasen” hinzuweisen, die in Italien bekanntlich sehr lange zu dauern pflegen. So kann man auch ein Verfassungsrecht ad absurdum führen (das Recht von Gemeinden auf den Wechsel zu anderen Regionen, wenn beide betroffenen Regionen zustimmen, vgl. Art. 132, Abs.2 Verf.) und die Buchensteiner können sich bei ihrem “Landsmann” Alfreider fürs Leisetreten bedanken.

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