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Der Landeshauptmann will Südtirol erklären. Schon wieder.

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Folgendermaßen hat sich Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) gegenüber der heutigen Tagesschau von Rai Südtirol zum »Trikoloreskandal« von Meran geäußert:

Ich bin überzeugt, dass sich jetzt die Wogen rasch glätten werden, dieser Vorfall wird auch rasch vergessen werden. Es wird immer wieder Aufreger um das Thema geben, weil es auch nicht hinreichend bekannt ist, dass eben in Südtirol sprachliche Minderheiten leben, dass wir unsere eigene Kultur und Tradition haben — auch dementsprechend eine eigene Identität. Das lohnt sich, glaub ich, immer wieder darauf hinzuweisen, das zu erklären und auch zu versuchen, die Menschen davon zu überzeugen, dass Vielfalt ein Mehrwert ist, dass diese Idee einer einzigen Kultur, einer einzigen Sprache, einer einzigen Nation innerhalb eines Staates eigentlich in der Vergangenheit immer ins Unglück geführt hat.

– Arno Kompatscher

Transkription von mir

Wovon redet er da eigentlich?

Die Wogen werden sich glätten, gewiss, der Argwohn und die Einschüchterung bleiben aber.

Wir können doch nicht dazu verdammt sein, einen ewigen Kampf gegen Windmühlen zu führen, wenn unsere Besonderheit erstens kaum jemand in Italien verstehen will und zweitens »diese Idee einer einzigen Kultur, einer einzigen Sprache, einer einzigen Nation« fest mit dem Nationalstaatsprinzip verknüpft ist.

Das werden wir sicher nicht ändern. Gleichzeitig müssen wir uns aber immer wieder nationalistische Aggressionen wie die aktuelle gefallen lassen.

In Italien wollen doch in der Regel noch nicht einmal die renommiertesten Kommentatorinnen und Journalisten wirklich irgendetwas über Südtirol, seine Identität oder Minderheiten im allgemeinen wissen, bevor sie ihre nationalistischen Attacken — mit Verlaub: — hinschmieren. Wie soll man da zur Durchschnittsbevölkerung vordringen?

Darüber hinaus — und hauptsächlich! — hat die allergrößte Mehrheit der Italienerinnen in Südtirol, einschließlich der Medien, die sich in dieser Causa zu Wort gemeldet haben, nicht minder verständnislos reagiert als Italienerinnen von außerhalb.

Es ändert also offenbar so gut wie gar nichts, mit der Realität in Südtirol vertraut zu sein.

Nicht zuletzt ging der Übergriff doch von Herrn Dario Dal Medico aus, der Südtirol bestens kennt. Und mit die harscheste Kritik an Katharina Zeller kam ausgerechnet von Kompatschers Koalitionspartnerinnen im Land. Muss er ihnen auch erst erklären, dass es hier Minderheiten mit einer eigen Identität gibt?

Wenn dann auch noch angeblich progressive Südtirolerinnen aktiv dazu beitragen, das Wissen über Südtirol in Italien durch gezielte Desinformation zu unterminieren und Hass anzufachen, ist wohl jegliche Hoffnung fehl am Platz, durch Überzeugungsarbeit irgendetwas verändern zu können.

Die einzige Lösung ist die Überwindung des Nationalstaats per se.

Cëla enghe: 01



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Comentârs

6 responses to “Der Landeshauptmann will Südtirol erklären. Schon wieder.”

  1. Martin Piger avatar
    Martin Piger

    Viele Südtiroler sind nicht einmal mehr zornig, sondern einfach nur noch müde von diesem Staat, der sich hier über Respektlosigkeit beklagt und selber dauernd Respektlosigkeit übt. Zu oft schon musste man sich ärgern, über den Staat, aber auch über die eigenen politischen Vertreter, die im Zuge des friedlichen Zusammenlebens einen Rückzieher nach dem anderen machen. Wir warten z. B. schon 50 Jahre auf die Umsetzung der Zweisprachigkeit im Sanitätsdienst und bei Behörden. Die Lösung scheint aber nicht die Umsetzung zu sein, sondern die Aufweichung der Zweisprachigkeitspflicht. Schuld, dass die Italiener kein deutsch lernen, sind natürlich die Südtiroler oder die deutsche Schule, nicht etwa die italienische Schule in Südtirol, die Schüler das Klassenziel erreichen lässt, auch wenn sie kein Wort deutsch sprechen. Maturanten, die keine drei Sätze in deutsch zustande bringen, ja geht’s noch! In der deutschen Schule hätte ich mit italienisch negativ das Klassenziel nicht erreicht. Immer noch gibt es in Südtirols italienischen Schulen keinen Geschichtsunterricht über Südtiroler Geschichte, es sei denn die Lehrperson macht das in Eigenregie.
    Dann hört man Aussagen, wie, dass die Alpini im ersten Weltkrieg die Heimat verteidigt hätten. Was hilft es da, wenn sich vorübergehend die Wogen glätten, immer mit der Angst im Hinterkopf auf den nächsten mutwillig herbeigeführten und aufgebauschten Eklat. Vielleicht ist das auch ein Grund, wieso viele Südtiroler Studenten nach dem Studium nicht mehr zurückwollen. Wer will denn schon freiwillig Freiwild für nationalistische Umtriebe sein. Viel zu lange hat die SVP ihre sich selbst auferlegte Rolle der Beschützer der Südtiroler zu schwammig ausgeübt und sich selbstgefällig in der schwindenden Zustimmung der Bevölkerung geaalt.

  2. Sigmund Kripp avatar
    Sigmund Kripp

    Wobei ich der Gerechtigkeit halber sagen muss, dass man zwischen den empörten Stimmen italienischer Schreiber auf social medias doch auch einige sehr moderate und verständnisvolle liest!
    Zumindest so viele, dass es auffällt…

    1. Simon avatar

      Schon, aber es bleiben leider kleine Ausnahmen. Sogar die politische Linke ist in Italien höchst nationalistisch eingestellt. Vor allem aber — und darum ging es mir hier — haben die unterschiedlichen Reaktionen mit dem »Erklären«, also damit, ob die betreffende Person mit Südtirol vertraut ist, relativ wenig zu tun.

      Als es vor über 15 Jahren um die Reitalianisierung der Berge ging, wollte man auch »erklären«. Das Ergebnis ist aber, dass sich AVS+Tourismusvereine untergeordnet und CAI+Tolomei durchgesetzt haben.

  3. G.P. avatar
    G.P.

    Kompatscher: “Es wird immer wieder Aufreger um das Thema geben, weil es auch nicht hinreichend bekannt ist, dass eben in Südtirol sprachliche Minderheiten leben, dass wir unsere eigene Kultur und Tradition haben — auch dementsprechend eine eigene Identität.”
    Genau da muss sich Kompatscher an die eigene Nase fassen. Denn genau in dieser Hinsicht tut er praktisch nichts, außer ein paar Lippenbekenntnisse abgeben. Er ist im Grunde der beste Italiener im Lande.

  4. Hartmuth Staffler avatar
    Hartmuth Staffler

    Der Kompatscher versucht immer wieder, die Südtiroler als Klassenbeste in Italien darzustellen, anstatt klar und deutlich zu erklären, dass die Südtiroler keine Italiener sind. Dass die Südtiroler eine sprachliche Minderheit sind, muss man den Italienern nicht erklären, das wissen eigentlich alle, und je besser sie unsere Realität kennen, um so nationalistischer äußern sie sich meistens. Viele Italiener stoßen sich ja gerade daran, dass wir “anders” sind. Was will man da erklären? Das von Gabriele D’Annunzio geprägte Schlagwort der “vittoria mutilata” wirkt immer noch. Die Italiener wollen mindestens einen Krieg gewonnen haben, und dazu gehört, dass die Besiegten sich bedingungslos unterwerfen. Vae victis.

  5. Simon avatar

    Bis jetzt haben auf Change.org über 40.000 Personen eine Petition unterschrieben, um Frau Zellers Rücktritt bzw. Entlassung zu fordern. Das finde ich krass.

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