Kein Geringerer als der Vorsitzende der Sechserkommission, Alessandro Urzì von den neofaschistischen Fratelli d’Italia, hat gestern im italienischen Senat einen Frontalangriff auf die Schutzmachtfunktion Österreichs für Südtirol gestartet, die lediglich ein moralisches Recht, eine Art Höflichkeit, aber nicht viel mehr als eine freundliche Gepflogenheit sei. Für seine Attacke nutzte er ausgerechnet die Präsentation einer wissenschaftlichen Publikation zur Südtirolautonomie in der Senatsbibliothek, die die SVP-Fraktion organisiert hatte.
Von der ehemaligen Sammelpartei, die auf Landesebene (und bald auch in der Landeshauptstadt) mit FdI regiert, kommt nicht viel mehr als ohrenbetäubendes Schweigen. Wenn noch jemand daran gezweifelt hätte, ist das die Bestätigung, dass die SVP ihren autonomiepolitischen Kompass verloren und sich von den Erbinnen des Faschismus hat einlullen lassen. Sie lässt inzwischen fast alles über sich und — was viel schlimmer ist — über Südtirol ergehen.
Seit jeher versuchen insbesondere die italienischen Rechten, den Minderheitenschutz und die Autonomie unseres Landes zu einer rein inneritalienischen Angelegenheit zu deklarieren. Schließlich ist die internationale Absicherung seit dem Gruber-Degasperi-Abkommen ein wichtiges Fundament unserer institutionellen Architektur, das Italien daran gehindert hat, die Italianisierungspolitik des Faschismus auch in der Nachkriegszeit fortzusetzen. Österreich brachte den Vertragsbruch vor die UNO und konnte die Verabschiedung des Zweiten Autonomiestatuts erwirken. Das war dem MSI und ist auch seinen ideologischen Nachfolgern selbstverständlich ein Dorn im Auge.
Wie befürchtet haben die Wölfe nicht über Nacht ihr althergebrachtes Beuteschema verworfen, sondern nur den Schafspelz übergezogen und somit eine neue, hinterhältigere Strategie gewählt. Die SVP ist prompt darauf hereingefallen. FdI hat unerwartet mit der Wiederherstellung der Autonomie gewunken, sich dafür die Regierungsbeteiligung auf Landesebene — einschließlich Vergrößerung der Landesregierung — erpresst und seitdem autonomiepolitisch vor allem auf Zeit gespielt. Umgesetzt ist noch gar nichts. Die Volkspartei ließ es aber zu, dass die Rechten Maßnahmen zu Lasten der Sprachminderheiten in die Reform einbauen, nahm stillschweigend gezielte Provokationen und Tabubrüche hin, verteidigte auch die Meraner Bürgermeisterin nicht angemessen vor den nationalistischen Attacken ihrer eigenen Koalitionspartner und schickt sich nun an, den Rechten als Juniorpartnerin die Landeshauptstadt zu überantworten.
Kürzlich wurde bekannt, dass Urzì sogar einen Grundpfeiler des Minderheitenschutzes abschaffen lassen wollte. Außerdem drängt er den Landtag zur »Lösung« der Ortsnamensfrage in seinem Sinne.
Die heutige, wenngleich bereits wieder gestutzte Autonomie hat maßgeblich die Volkspartei erkämpft. Doch das bedeutet keineswegs, dass sie nach Belieben über sie verfügen kann und zulassen darf, dass sie von ihren Feinden — auch wenn sie sich als Autonomiefreunde getarnt haben — zerstört wird, denn sie gehört uns allen. Im Landtag etwa gehört nicht einmal mehr die Mehrheit der deutschsprachigen Abgeordneten der SVP (und der Regierungsmehrheit) an.
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