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Packungsbeilagen: Gesetz als Placebo.

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Seit Jahren beschäftigen wir uns in Südtirol immerfort mit denselben Problemen, zu denen unter anderem die mangelnde Zwei- und Mehrsprachigkeit, die Ortsnamen, die Einschränkung unserer Zuständigkeiten, die Polizei, der miserable Postdienst oder die Packungsbeilagen von Medikamenten gehören. Dies ist ein konkreter, praktischer Beweis dafür, dass es sehr einfache Dinge gibt, die wir mit unserer Autonomie nicht zu regeln und zu lösen imstande sind.

Nun hat der neue Obmann der Freiheitlichen, Walter Blaas, mittels Landtagsanfrage Interessantes zutage gefördert, was die zweisprachigen Packungsbeilagen von Medikamenten betrifft. Schon öfter hatten wir uns gewundert, wie es möglich ist, dass eine klare gesetzliche Vorschrift von den Pharmakonzernen einfach ignoriert werden kann, während die Mehrsprachigkeit etwa in der Schweiz und in Finnland problemlos funktioniert.

Nun wissen wir es: Die zuständige Landesrätin Martha Stocker (SVP) hat Herrn Blaas geantwortet, dass die mangelnde Befolgung des einschlägigen Gesetzes insgesamt mit rund 210.000 Euro an Strafen geahndet wurde.

Sage und schreibe 210.000 Euro! Berücksichtigen wir, dass die Zweisprachigkeitsverpflichtung in diesem Bereich seit rund 25 Jahren gilt, ergibt sich eine durchschnittliche Strafhöhe von jährlich 8.400 Euro — und das für alle Pharmakonzerne zusammen. In der Beantwortung der Landtagsanfrage werden 24 mit Bußgeldern belegte Unternehmen genannt, was auf einen durchschnittlichen Strafwert von 350 Euro pro Jahr und Hersteller schließen lässt.

Wer die Umsätze dieser Riesen kennt, weiß, dass es sich hierbei sprichwörtlich um Peanuts handelt, die ein solches Unternehmen nie und nimmer dazu überzeugen werden, sich an irgendeine Vorschrift zu halten. Selbst Verkehrsstrafen sind mitunter deutlich höher. Allein die Logistik für die Umsetzung der verpflichtenden Zweisprachigkeit ist mit Sicherheit teurer als diese Strafen, weshalb die Bußgelder für die Konzerne nicht nur keine ernstzunehmende Belastung, sondern wohl sogar noch eine Einsparung bedeuten.

Wir lassen uns also seit einem Vierteljahrhundert an der Nase herumführen, während das Fehlen der lingua nazionale effizient und mit drakonischen Strafen geahndet wird — auch da, wo die Sinnhaftigkeit infrage gestellt werden darf.

Siehe auch: 01 02 03 || 01 02 03



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Comentârs

3 responses to “Packungsbeilagen: Gesetz als Placebo.”

  1. Simon avatar

    Das Schweizerische Rote Kreuz hat diesen Artikel bei Twitter favorisiert:

    1. proEuregio avatar
      proEuregio

      … “Zustände wie im alten Rom” ! Und dies alles mit vollsten “Verständnis” von Seiten der SVP-Politikerinnen/ParteisoldatInnen ! !
      Ich kann mich an meine zwei Jahre (1970er) in München erinnern, als dort sämtliche Medikamente mit Beipackzetteln in allen gängigen Sprachen und sämtlicher “GastarbeiterSprachen” zur Verfügung standen ! ! !
      Aber “tanto, siamo in Italia …”

  2. Waltraud Astner avatar
    Waltraud Astner

    Bezüglich fehlender Zweisprachigkeit bei der Produktetikettierung sei auf die Werbeschaltung von Brimi auf stol.it hingewiesen: Ein Bauer im blauen Schurz vor Almhütte und Bergkulisse verweist mit dem Spruch: “So natürlich wie wir” auf die von Brimi hergestellte Mozzarella mit einsprachiger italienischer Etikettierung (100% latte Alto Adige). Das einsprachig Italienische ist also wohl neuerdings das “Natürliche” bei Südtiroler Bergbauernprodukten.

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