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Erstsprache: Bitte nicht verteidigen.

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ai

Die Grünen haben im Landtag einen Beschlussantrag eingereicht, um einmal mehr die Einführung der mehrsprachigen Schule zu fordern. Zu dieser Idee haben wir uns auf schon oft geäußert (vgl. 01 02).

Der Antrag beinhaltet jedoch noch ein Anliegen, das mir neu zu sein scheint — nämlich:

In der Landesgesetzgebung und der Beschließungstätigkeit [sic] der Landesregierung zum gesamten Thema der Sprachdidaktik in Südtirol das Konzept der „Muttersprache“ durch das Konzept der (auch mehrfachen) „Erstsprache“ zu ersetzen.

— Beschlussantrag Nr. 700/23

Das finde ich interessant, da das Konzept der »Muttersprache« tatsächlich nicht unumstritten ist und sich zu Missverständnissen eignet, wiewohl ihn zum Beispiel die UNESCO (»Internationaler Tag der Muttersprache«) verwendet.

Dann allerdings lese ich auf Salto, mit welchen Argumenten die Grünen diesen Vorschlag begründen:

Das Konzept der „Muttersprache“ sei mittlerweile ein ebenfalls überholter bzw. ein emotional sehr aufgeladener Begriff, so Foppa, welche als Beispiel die Frage in den Raum warf: „Wer würde nicht seine Muttersprache verteidigen wollen?“ Sinnvoller sei es daher technische Fachbegriffe zu verwenden, die eine rationalere Herangehensweise ermöglichten.

— Salto

Ist der Gedanke hinter der Ersetzung also tatsächlich, dass damit die Verteidigung der Minderheitensprachen gebrochen werden soll — und dies ausgerechnet, während eine neofaschistisch geführte Regierung auf Staatsebene weitere Angriffe vorbereitet, die die italienische Sprache auch zu Lasten der Minderheitensprachen weiter stärken werden?

Mit diesem Einblick in ihre eigentlichen Absichten bieten die Einbringerinnen doch tatsächlich gute Argumente, um ihren Vorschlag — zumindest — äußerst kritisch zu beäugen.



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Comentârs

3 responses to “Erstsprache: Bitte nicht verteidigen.”

  1. Artim avatar
    Artim

    Sollten wir jetzt, nur weil man mit Mutter- Sprache auch negative Eigenschaften verbinden kann – nach
    B. Foppa – nun gleich z.B. auch das Gedicht von Rosa Ausländer “Mutter Sprache”, Sprache als besondere
    Grund- und Beziehungserfahrung — u. das bereits von Anfang in der pränatalen Phase — mit Erstsprache (L1) ersetzen bzw. canceln?
    Über anderes kann man bei diesem Beitrag Foppas noch mehr ungläubig den Kopf schütteln.
    Seit Jahrzehnten wurde gegen die Erhebung und Möglichkeit der Sprachgruppenzugehörigkeits- bzw. gegen Zuordnungserklärung polemisiert und gekämpft. Nun beklagt ausgerechnet die Grünen-Vorsitzende Foppa, dass es keine eigene, spezielle “identäre” dt.-it. Volksgruppenzugehörigkeitserklärung gebe und “sprachliche Identität” verdrängt” werde. Welche? Für die nun plötzlich identitär-mutierte Foppa gilt dies offenbar aber nur für jene mit dem zweisprachigen dt.-it. Hintergrund und nicht für andere. Logik?
    Dass Identität fluid ist (vgl.a. Jürgen Habermas), ist allgemein bekannt. Auch, dass die Tücken der Nähe Begegnung/Vergegnung beinhalten (vgl.a. Georg Gadamer); ebenso, dass Sprache und Kulturalität im umfassenderen Sinne Formen gesellschaftlichen Handelns/Aushandelns sind. Das ist in Südtirol doch auch nicht anders (vgl.a. Siegfried Baur). Aber wieso sollte man deshalb z.B. Geschlechtern oder Minderheiten das eigene Verständnis bzw. ihre Rechte/Errungenschaften/Leistungen absprechen?
    Das eigentliche Problem ist doch, dass es bei diesen (künstlichen) Debatten in Südtirol meist um vorgeschobene und eben nicht um konkrete Weiterentwicklung von Schule geht. Ein Blick auf die Wirklichkeit reicht. Aber genau hier müsste Politik eigentlich ansetzen, sofern es ihr tatsächlich um (gute) Voraussetzungen für Entwicklung und Lernen geht.
    Wieso stemmt man sich politisch, um nur ein Beispiel zu nennen, wenn man schon eine mehrsprachige Idealschule möchte, denn weiterhin so vehement gerade gegen einen verpflichtenden Zwei- bzw.
    Dreisprachigkeitsnachweis für das gesamte Vorschul- und Schulpersonal, d.h. auch für Lehrkräfte an Grund-, Mittel-, Ober-, und Hochschulen.
    Auch (mehrsprachige) Schule geht nur modern, professionell und mit entsprechenden (größeren) Ressourcen. Unter anderem braucht es hierfür speziell trans- und interkulturell ausgebildete mehrsprachige (dt.,it.,engl.) Lehrkräfte. In Südtirol verwaltet man stattdessen bereits seit vielen Jahren Mangel. Viele Experten und Lehrkräfte bleiben gleich im Ausland angesichts der Bedingungen in Südtirol usw.
    Auf Foppas Antworten als mögliche zukünftige Landesschulrätin darf man jedenfalls gespannt sein.

  2. Martin Piger avatar
    Martin Piger

    Leider scheint das Erzwingenwollen der mehrsprachigen Schule nur ein neuer (unbewusster?) Assimilierungsversuch in neuem Gewand zu sein. Die Argumente sind verblüffenderweise seit Beginn der sechziger Jahre dieselben.
    Die Südtiroler seien rückständig, “chiusi”, rückwärtsgewandt. In heutiger Zeit bräuchte es neue Lösungen. Die alten identitären Modelle seien überholt.
    Man könnte eine gute Masterarbeit über diese wiederholten Versuche, die Minderheit ins Staatsvolk hereinzuholen, schreiben.

    1. Simon avatar

      Die Südtiroler seien rückständig, “chiusi”, rückwärtsgewandt.

      Diese Argumente sind leider weit verbreitet und verfehlen in Summe wohl auch nicht ganz ihr Ziel. Allerdings sind es nicht die Argumente der Grünen, würde ich sagen.

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