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Femizide in Südtirol.
Zahlen und Fakten

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ai

Nie wäre ich auf die Idee gekommen, einen Artikel wie den folgenden zu verfassen – und schon gar nicht zu einem Zeitpunkt, an dem der Mord an einer jungen Südtiroler Frau noch in den Schlagzeilen ist. Die Pietät würde Zurückhaltung gebieten. Doch leider sind unmittelbar nach der fürchterlichen Gewalttat eine Reihe pietätloser, undifferenzierter und rassistischer Kommentare von JWA (“Schluss mit heuchlerischen Phrasen und verlogenen Worten. Wir brauchen endlich Taten: Migrationsstopp und Rückführungen – bevor noch eine Einheimische sterben muss.”), STF (“Südtirol ist geschockt vom brutalen Mord, den ein Ausländer an einer jungen Südtirolerin begangen hat. […] Süd-Tirol hat kein Problem mit Männern, sondern mit gewalttätigen Ausländern!”) u.a. durch die Medien und Internetforen gegangen, die man in ihrer generalisierenden Unsäglichkeit so nicht stehen lassen kann und denen auch mittels Tatsachen begegnet werden muss.

Das Organisationsteam des Frauenmarsches hat nach dem Mord an C. F. M. im August 2023 eine Liste der Femizide in Südtirol seit 1992 veröffentlicht. Demnach gab es in diesen etwas mehr als 31 Jahren 35 Femizide durch soweit man weiß 30 Täter. Einer der Täter hat in diesem Zeitraum drei Frauen ermordet. Ein anderer möglicherweise zwei, denn es gibt für einen zweiten Mord offenbar ein Geständnis, aber keine Verurteilung. Ein Täter hat neben seiner Frau auch die beiden Töchter im Alter von 4 und 1,5 Jahren umgebracht. Ein Mord wurde bis heute nicht aufgeklärt. Mindestens ein in der Liste angeführter Femizid wurde nicht als Mord, sondern als Körperverletzung mit Todesfolge eingestuft, ein weiterer als fahrlässige Tötung. In einem Fall war der Täter unzurechnungsfähig. Der Mord an L. P. und ihrem Ehemann P. N. durch deren Sohn im Jahr 2021 wurde vom Frauenmarschteam nicht als Femizid gelistet.

Ich habe jeden einzelnen gelisteten Fall nachrecherchiert und Folgendes festgestellt:

Alle 35 als Femizid gelisteten Taten wurden von Männern begangen, von denen 18 Inländer und 11 Täter mit Migrationshintergrund waren (1 Täter unbekannt, 3 inländische Täter Mehrfachmörder). Somit wurden 31% der Morde an Frauen in den vergangenen drei Jahrzehnten von zugewanderten Tätern begangen. Menschen mit Migrationshintergrund sind in dieser Statistik tatsächlich im Vergleich zu ihrem Bevölkerungsanteil (dieser lag 2021 bei 9,7%1Der Ausländeranteil in Südtirol ist in den vergangenen 30 Jahren stark gestiegen. Das bringt beim prozentuellen Vergleich der Herkunft der Täter zwangsläufig eine Unschärfe mit sich, weil ich für alle Vergleiche zur Situation als Referenzjahr 2021 verwendet habe. Grobe Trends lassen sich dennoch erkennen.) stark überrepräsentiert. Diese Überrepräsentation von Menschen mit Migrationshintergrund in Bezug auf derartige und ähnliche Gewalttaten lässt sich vielerorts beobachten. Ein Grund dafür ist, dass in dieser Bevölkerungsgruppe meist die Hauptdelinquentengruppe (junge Männer) im Vergleich zur angestammten Bevölkerung stark überrepräsentiert ist; d.h. die autochtone Bevölkerung ist durchschnittlich älter und weiblicher und allein schon aufgrund dieses demografischen Merkmals grundsätzlich weniger kriminell.

Aufgeschlüsselt nach Staatsbürgerschaften und — bei den italienischen Staatsbürgern — nach vermuteten Sprachgruppen2Da in der Berichterstattung zu den Mordfällen die Sprachgruppenzugehörigkeit natürlich nicht angegeben wird, habe ich aufgrund von Vor- und Nachname auf die Sprachgruppe geschlossen. Das ist zwar eine weitere Unschärfe, aber aufgrund der geringen Fallzahlen (1 Femizid = 3% aller 35 Femizide) geht es weniger um eine prozentgenaue Auflistung als vielmehr um grobe Tendenzen. zeigt sich folgendes Bild der Täter:

Anz. TäterStaatsbürgerschaftAnteil
18Italien (gesamt)60,00%
13– Italien (dt. Name)43,33%
4– Italien (it. Name)13,33%
1– Italien (lad. Name)3,33%
3Deutschland10,00%
2Österreich6,67%
1Tunesien3,33%
1Marokko3,33%
1Rumänien3,33%
1Pakistan3,33%
1Albanien3,33%
1Türkei3,33%
1unbekannt3,33%

Soweit ich das überblicken konnte, war kein einziger der Täter der letzten drei Jahrzehnte illegal im Land aufhältig. Die größte migrantische Community in Südtirol (Stand 2021 lt. ASTAT) ist jene der Albaner/-innen, gefolgt von den Deutschen, den Pakistaner/-innen, den Marokkaner/-innen und den Rumän/-innen.3Jene der aus [anderen] italienischen Regionen zugewanderten Menschen wird [m. W.] nicht gesondert erfasst. Diese fünf Nationalitäten (jeweils mehr als 3000 Menschen) sind auch alle unter den Tätern vertreten. Bemerkenswert ist der Umstand, dass das Opfer des pakistanischen Täters Pakistanerin war, das Opfer des rumänischen Täters Rumänin und das Opfer des albanischen Täters ebenfalls Rumänin. Zwei Opfer deutscher Täter waren Österreicherinnen. Bei 45% der Morde, die durch zugewanderte Täter begangen wurden, hatte das Opfer ebenfalls Migrationshintergrund. Zudem sind Menschen mit Migrationshintergrund im Vergleich zu ihrem Bevölkerungsanteil nicht nur bei den Tätern, sondern auch bei den Opfern (23%) überrepräsentiert:

Anz. OpferStaatsbürgerschaftAnteil
27Italien (gesamt)77,14%
24– Italien (dt. Name)68,57%
3– Italien (it. Name)8,57%
3Österreich8,57%
2Rumänien5,71%
1Bulgarien2,86%
1Deutschland2,86%
1Pakistan2,86%

Trotz der geringen absoluten Zahlen habe ich eine Berechnung angestellt, welche Nationalitäten bzw. Sprachgruppen im Vergleich zu ihrem Bevölkerungsanteil bei den Tätern über- und unterrepräsentiert sind:

StaatsbürgerschaftAnz. TäterFaktor
Türkei143,95
Österreich220,89
Tunesien120,47
Deutschland311,45
Rumänien15,03
Marokko14,95
Pakistan14,74
Albanien12,78
– Italien (lad. Name)10,81
– Italien (dt. Name)130,70
Italien (gesamt)180,67
– Italien (it. Name)40,57

Beispielsweise sind nur 0,32% der Menschen in Südtirol Österreicher/-innen. Ihr Anteil an den Frauenmördern der vergangenen 31 Jahre liegt allerdings bei 6,67%, ist also um das 21-fache höher. Hingegen liegt der Anteil der inländischen Mörder mit italienischem Nachnamen nur bei rund der Hälfte des Bevölkerungsanteils.4Italienische Staatsbürger/-innen italienischer Muttersprache.

Die Präsenz ausländischer Täter – mit Ausnahme der Deutschen – ist ein jüngeres Phänomen, das auch mit dem Wachstum des Ausländeranteils korreliert. Zwischen 1992 und 2011 gab es nur inländische Täter bzw. die drei Täter aus Deutschland. 1992 betrug die Zahl der Ausländer/-innen im Land knapp über 5000, 2001 knapp über 15.000 und 2011 knapp unter 40.000. 2021 lag die Zahl der Ausländer/-innen in Südtirol bei über 52.000. Seit 2012 waren 50% der Täter nicht italienische Staatsbürger (2 Österreicher, 1 Tunesier, 1 Albaner, 1 Marokkaner, 1 Pakistaner, 1 Rumäne und 1 Türke).

Über die Dekaden gesehen ist die Zahl der Morde an Frauen schwankend. So geschahen 15 (43%) der vom Frauenmarsch gelisteten 35 Femizide zwischen 1992 und 2001. Von 2002 bis 2011 gab es “nur” 4 (11%). Danach gab es wiederum einen starken Anstieg auf 13 (37%) zwischen 2012 und 2021, wobei allein im Horrorjahr 2018 fünf Frauen ermordet wurden. In den Jahren 2022 und 2023 wurden bislang insgesamt 3 Femizide (9%) gezählt.

Trotz dieser erschütternden Verbrechen und der Tatsache, dass noch viel mehr gegen diese Art von Gewalt getan werden muss, zählen diese Zahlen im internationalen Vergleich zu den niedrigsten weltweit. Das ist zwar alles andere als eine Jubelmeldung und kein Trost, aber es sollte ein Ansporn sein, die Situation weiter zu verbessern und erst recht keine Verschlechterung hinzunehmen. Laut den Zahlen von Eurostat,5Die Mordraten in den meisten EU-Ländern zählen zusammen mit einigen Ländern Asiens und Ozeaniens zu den niedrigsten auf der Welt. die für die Jahre 2011 bis 2020 vorliegen, liegt Italien bezüglich der Zahl der getöteten Frauen pro 100.000 Einwohner/-innen im Durchschnitt dieser Jahre auf Platz 26 (0,331 pro 100.000) von 27 EU-Ländern. Nur in Irland (0,148 pro 100.000) wurden in besagtem Zeitraum in Bezug auf die Bevölkerungszahl weniger Frauen ermordet. Österreich (0,523) liegt auf Platz 16, Deutschland (0,444) auf Platz 21. Die meisten Morde an Frauen werden in den baltischen Staaten verübt. Am unrühmlichen ersten Platz steht Lettland (2,430). Trotz des Annus horribilis 2018 ist der Wert für Südtirol in diesem Zeitraum6vorausgesetzt die vom Frauenmarschteam publizierte Auflistung ist taxativ mit 0,228 pro 100.000 noch niedriger als jener Italiens.

Siehe auch: 01 02 || 01

  • 1
    Der Ausländeranteil in Südtirol ist in den vergangenen 30 Jahren stark gestiegen. Das bringt beim prozentuellen Vergleich der Herkunft der Täter zwangsläufig eine Unschärfe mit sich, weil ich für alle Vergleiche zur Situation als Referenzjahr 2021 verwendet habe. Grobe Trends lassen sich dennoch erkennen.
  • 2
    Da in der Berichterstattung zu den Mordfällen die Sprachgruppenzugehörigkeit natürlich nicht angegeben wird, habe ich aufgrund von Vor- und Nachname auf die Sprachgruppe geschlossen. Das ist zwar eine weitere Unschärfe, aber aufgrund der geringen Fallzahlen (1 Femizid = 3% aller 35 Femizide) geht es weniger um eine prozentgenaue Auflistung als vielmehr um grobe Tendenzen.
  • 3
    Jene der aus [anderen] italienischen Regionen zugewanderten Menschen wird [m. W.] nicht gesondert erfasst.
  • 4
    Italienische Staatsbürger/-innen italienischer Muttersprache.
  • 5
    Die Mordraten in den meisten EU-Ländern zählen zusammen mit einigen Ländern Asiens und Ozeaniens zu den niedrigsten auf der Welt.
  • 6
    vorausgesetzt die vom Frauenmarschteam publizierte Auflistung ist taxativ


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