Der ermordete rechtsradikale Influencer Charlie Kirk verteidigte offensiv die Waffengewalt und war kein Demokrat
Für eine solche Schlagzeile plus Untertitel würde es in den illiberal gewordenen USA Sanktionen geben. Mindestens. Sanktionen wie die fristlose Entlassung, Matthew Dowd beispieslweise. Auf dem »linken« Nachrichtensender MSNBC analysierte Dowd das hassende, hetzende und waffenstarrende Umfeld Kirks. Seine Analyse: »Hasserfüllte Gedanken führen zu hasserfüllten Worten, die dann zu hasserfüllten Taten führen.« Und schon war er gefeuert.
Dowd ist kein Linker, schon gar kein Linksradikaler, noch viel weniger ein Antifa-Militanter. Dowd war Republikaner, 2004 einer der Strategen der Wahlkampagne von Georg W. Bush, ein strammer Neokonservativer. Aber ja, er engagierte sich auch für die Demokratische Partei. Und die sind laut Präsident Trump kollektiv »verrückte Linksradikale«.
Gefeuert wurde auch Jimmy Kimmel mit seiner Late-Night-Show auf ABC. Sein unverzeihliches Vergehen: Er sagte, dass »viele im MAGA-Land sehr hart daran arbeiten, aus dem Mord an Charlie Kirk Kapital zu schlagen.« Der Chef der Medienregulierungsbehörde fand die Kimmel-Äußerungen »krank«.
Analysen, Kommentare, sind im MAGA-Land also verboten, besonders wenn sie auch noch kritisch daherkommen. Die MAGA-Aktivist:innen gingen in die Offensive, mit einer regelrechten Hexenjagd auf mutmaßliche, vermeintliche und tatsächliche Kirk-Kritiker. Sie werden gejagt, die Linken. Alle, die links von Donald Trump stehen, und er steht weit rechts, sind im Visier des immer autokratischer werdenden deep states der MAGA-Bewegung.
Das Vorbild für diese moderne Hexenjagd gegen alles angeblich Linke ist der bigotte, antikommunistische Republikaner Joseph McCarthy. Anfang 1950 initiierte McCarthy eine landesweite Kampagne gegen die angebliche kommunistische Unterwanderung des Regierungsapparates und des öffentlichen Dienstes. Mehr als drei Millionen Bedienstete wurden peinlichst genau befragt, 3.000 davon entlassen, weil Kommunisten. Ihnen wurden »unamerikanische Umtriebe« vorgeworfen. Elon Musk schaffte als »Effizienzminister« deutlich mehr, 14.000 wurden entlassen, 75.000 Bedienstete per Abfindung »ausgemustert«. McCarthy würde staunen. Kirk würdigte Musk als einen »phänomenalen Unternehmer«, der Trump »half«, den Staat umzubauen.
Kirk verteidigte die Waffengewalt
Transatlantisch verharmlosten viele Medien den ermordeten Charlie Kirk als einen angeblichen »konservative Influencer«. Fakt ist, Kirk war rechtsradikal. T-Online trug zusammen, was Kirk über nicht »normale« US-Amerikaner:innen raushaute. Vermutlich würden Trump und seine geifernde MAGA-Bewegung auch T-Online als linksradikales Medium einstufen und deshalb — per Lizenzentzug — abwürgen. Einigen Sendern steht dies jetzt bevor. Trump hält sich an seinen diktatorischen Männerfreund Wladimir Putin, auch er entzog bereits in seiner frühen Amtszeit — damals applaudierten »die Deutschen« Putin noch begeistert — unbequemen Medien ihre Lizenzen. Gelenkte »Meinungsfreiheit«.
Erschreckendes gab Kirk zum Besten, besonders menschenverachtend war sein Sager 2023 nach einem Amoklauf mit sechs Toten an einer Schule in Nashville, Tennessee: »Ich glaube leider, dass einige Tote durch Schusswaffen jedes Jahr es wert sind, damit wir den zweiten Verfassungszusatz behalten können und so unsere von Gott gegebenen Rechte schützen.«
Welche von Gott gegebenen Rechte — so tönen ja auch die Islamisten — wird Kirk gemeint haben? Das Recht auf das Tragen von Waffen und das Recht, damit auch zu Schießen? Auf Menschen. In diesem Jahr mussten bereits mehr als 10.000 Menschen den erwähnten Preis bezahlen, mit ihrem Leben. Letztendlich fiel Kirk seiner eigenen brutalen These zum Opfer.
Heuchelnde Rechte
Das Entsetzen über nicht nachvollziehbare Freude über die Ermordung Kirks ist mehr als verständlich, aber auch geheuchelt. Kein Republikaner schäumte vor Wut, als im Mai dieses Jahres die demokratische Politikerin Melissa Hortmann und ihr Ehemann erschossen wurden. Bei einem weiteren Attentat wurde eine weitere Demokratin samt Gatten niedergeschossen. Der Attentäter war ein ganz normaler US-Amerikaner, ein Rechtsradikaler, der schoss.
Empathie, Menschenfreundlichkeit, zeichnete Kirk nicht aus. Ganz im Gegenteil. Als ein Rechtsextremer 2022 den Ehemann der Demokratin Nancy Pelosi mit einem Hammer schwer verletzte, witzelte Kirk: Ein »Patriot« solle für den rechtsradikalen Angreifer die Kaution bezahlen. Wie beschrieb der gefeuerte Dowd das Umfeld von Kirk? Hassend und hetzend. Beispiel, 2023 beschrieb Kirk Joe Biden: »Biden ist ein stümperhafter, von Demenz befallener, korrupter Tyrann mit Alzheimer, der ehrlich gesagt wegen seiner Verbrechen gegen Amerika ins Gefängnis gesteckt und/oder zum Tode verurteilt werden sollte.«
Außerdem empfahl Kirk, dass die Vollstreckung von Todesurteilen öffentlich stattfinden und im Fernsehen übertragen werden sollte.
Krudes von Kirk
All das passt zum grauenhaften Rest der Kirk-Ideologie, die Journalistin Annika Brockschmidt bündelte seine krude Gedankenwelt auf der Seite Volksverpetzer: Abtreibungen seien schlimmer als der Holocaust, prominente schwarze Frauen hätten nicht die nötige »Gehirnkapazität«, um ernst genommen zu werden, der rechtsextreme Verschwörungsmythos des »Great Replacement« sei real. Brockschmidt, die sich kenntnisreich mit der MAGA-Bewegung und deren Satelliten beschäftigt, nennt Kirk ohne Scheu einen rechtsextremen Aktivisten, der sich menschenfeindlich äußerte. Sein Kerngeschäft, Hass und Hetze gegen die »Anderen«.
So oder ähnlich ordnete ZDF-Moderatorin Dunja Hayali Kirk ein und verurteilte gleichzeitig seine Ermordung. Die Folge, über sie brach eine entgrenzte rechtsextreme Online-Hetzkampagne herein — plus Morddrohungen. Federführend mit dabei Ex-Bild-Chef Julian Reichelt und sein Organ nius, Lautsprecher der AfD und des inzwischen rechtsradikalen deutschen Mainstreams. Wegen der verbale in Angriffe im Netz zog Hayali ihre Konsequenzen.
Das Unsagbare wird sagbar
Auch in Südtirol testen »Freiheitskämpfer« das Sagbare aus, extrem praktiziert während der Corona-Pandemie, im Wahlkampf und im Landtag. Jürgen Wirth-Anderlan, dessen Berater für die »weiße Rasse« und gegen »die Juden« kämpft, oder Melanie Mair, die Jugendsprecherin der Süd-Tiroler Freiheit, die eifrig ihren Vorsitzenden Sven Knoll kopiert.
Hetze und Hass kommen manchmal mit feiner Feder daher. Vor einigen Monaten geriet der Sextner Tennisprofi Jannik Sinner ins Visier eines angeblich Großen des italienischen Journalismus, Corrado Augias. Er deklassierte Sinner als einen »widerwilligen Italiener«. Oder letzthin der Rapper Fedez, er reicherte die Augias-Kritik mit weiteren rassistischen Ausschmückungen an, Sinner sei ein »reinrassiger Italiener mit dem Akzent von Hitler«.
Was ist ein reinrassiger Italiener? Fühlt sich Fedez den leggi razziali des faschistischen Italiens verpflichtet? Fedez wird von Südtirol nichts wissen, auch nicht davon, dass fast 100 Millionen Europäer den »Akzent von Hitler« verwenden. In der »Logik« von Fedez sprechen also weltweit bis zu 70 Millionen Menschen den »Akzent von Mussolini«. Überraschend positiv die Kritik an Fedez im Netz. Wohl zu seiner Überraschung.
Das Unsagbare wird zum Sagbaren, Charlie Kirk war darin ein Meister. Ungeniert kritisierte er den Civil Rights Acts, der schwarze Amerikaner 1964 zu gleichberechtigten Wählern machte, als einen »Fehler«. Dieses Gesetz sei ein »Biest« und eine »Waffe gegen Weiße«. Kirk war kein Demokrat, sondern ein christlicher weißer Nationalist. Den Bürgerrechtler Martin Luther King beschimpfte Kirk als eine »furchtbare« Person, den von einem Polizisten ermordeten Kleinkriminellen George Floyd einen »Drecksack«. Ein Zitat aus T-Online: »2024 erklärte Kirk, wenn er ein Flugzeug betrete und sehe, dass sein Pilot schwarz sei, sei er besorgt: Junge, ich hoffe einfach mal, dass er qualifiziert ist.«
Kirk war geistiger Teil jener Putschisten, die am 6. Jänner 2021 das Kapitol in Washington stürmten. Für Präsident Donald Trump allesamt Helden und Märtyrer, darunter Mörder und Gewalttäter, Mitglieder rechtsradikaler Milizen. Sie fordern Schadenersatz für »erlittenes Unrecht«. Präsident Trump erklärte inzwischen die imaginären Antifa-Grüppchen zu Terroristen.
Nein, der kaltblütige Mord an Charlie Kirk ist durch nichts zu rechtfertigen. Auch nicht durch seine furchtbare menschenfeindliche Aussage, »dass einige Tote durch Schusswaffen jedes Jahr es wert sind, damit wir den zweiten Verfassungszusatz behalten können und so unsere von Gott gegebenen Rechte schützen.«
Der mutmaßliche Kirk-Mörder T. Robinson ermordete also einen MAGA-Bewegten, der das Morden verteidigte. Als einen Preis der Freiheit. »Es ist eine bittere Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet er selbst zum Opfer der Gewalt wurde, die er als notwendiges Übel bezeichnete«, kommentierte das Jacobin-Magazin.
Cëla enghe:
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