von Marco Manfrini
Am 31. Oktober 1960, also vor genau 65 Jahren, nahm die Generalversammlung der Vereinten Nationen die 1. »Südtirol-Resolution« an. Sie war auf Wirken des damaligen österreichischen Außenministers, Bruno Kreisky, zustande gekommen. Kreisky wollte der fortdauernden Entnationalisierung und Diskriminierung der Südtiroler:innen sowie der ununterbrochenen Italienisierung des Landes nicht tatenlos zusehen.
Vor einer Woche luden der Schützenbezirk Brixen mit den Schützenkompanien Brixen, Vahrn und Schabs-Aicha, das Land Südtirol und die Silvius-Magnago-Stiftung zum Gedenken an Kreiskys großartigen diplomatischen Erfolg und seinen Einsatz für Land und Leute.
Martha Stocker (SVP) führte mit klaren Worten und großem Feingefühl für die Nuancen der Geschichte durch die Veranstaltung. Sie betonte auch immer wieder, dass es auch darum ging, Kreisky den Dank und die Anerkennung zukommen zu lassen, die ihm anfangs von Südtiroler Seite allzu oft verweigert worden waren.
Dazwischen gab es Ansprachen von Seiten des Brixner Bürgermeisters, Andreas Jungmann (SVP), des Tiroler SPÖ-Vorsitzenden und Landeshauptmannstellvertreters Philip Wohlgemuth und des Südtiroler Landeshauptmanns Arno Kompatscher (SVP). Die Reden waren durchaus gut und ehrlich. Es hätte ihnen aber meiner Meinung nach nicht geschadet, wenn die eine oder andere Bemerkung etwas direkter ausgefallen wäre. Die Lage nach 1945 war nämlich äußerst ernst, sie war für den Forstbestand der österreichischen Minderheit in Italien eigentlich sogar existentiell bedrohlich. Seit der Verfassungsreform von 2001 und der autonomiefeindlichen Rechtsprechung des italienischen Verfassungsgerichtshofs trübt sie sich wieder zunehmend ein. Erst vor wenigen Tagen schränkte der Verfassungsgerichtshofs den autonomen Spielraum Südtirols und des Trentino ein weiteres Mal klar und deutlich ein. Es handelt sich daher um keine Panikmache, wenn man davon spricht, dass unsere Autonomie in Not geraten ist, sondern um eine nüchterne Feststellung. Gerade deshalb war es so wichtig, sich an Bruno Kreisky zu erinnern.
Kreisky war nämlich ein Mensch und Politiker von großem Mut und Weitblick und von beeindruckender Entschlossenheit, das Richtige zu tun. Er hatte das Herz am rechten Fleck.
Als Sozialdemokrat kämpfte er sein Leben lang für Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit. Sein Einsatz gegen Faschismus und Autoritarismus wurde 1936 mit einem Jahr Kerkerhaft bestraft. Im Jahr 1938 folgte die Flucht vor den Mördern des Naziregimes.
Nach 1945 und als Außenminister scheute sich Kreisky nicht, das Leid und die Ungerechtigkeit anzuprangern, die Südtirol durch Italien und die Fremdbestimmung widerfahren ist. Aus tiefer Überzeugung machte er sich für Südtirol und seine Menschen stark.
Seinem Einsatz ist es zu verdanken, dass Italien an den Verhandlungstisch gezwungen wurde, der schlussendlich die Südtirolautonomie hervorbrachte. Kreisky meinte es ernst, wenn er sich schützend vor die österreichische Minderheit in Italien stellte.
Das Gedenken an ihn verpflichtet uns, nicht stillschweigend zuzusehen, wie unsere Autonomie seit bald 25 Jahren — trotz gegenteiliger Beteuerungen und oberflächlicher Reparaturen — Stück für Stück beschnitten wird. Es liegt an uns, die Stimme zu erheben und für mehr Selbstständigkeit und mehr autonome Freiräume zu kämpfen. Kreisky hätte es wohl auch getan.

Scrì na resposta