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Die Schwächen der Autonomie und die Tücken der Bürgerbeteiligung.
Drei Jahre nach dem Autonomiekonvent

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Vor drei Jahren, am 22. September 2017, hat der Konvent der 33 sein Abschlussdokument dem Landtag überreicht. Seitdem Stillstand, Sendepause in Sachen Autonomiereform. Warum?

Die Latte für dieses neuartige Verfahren war zunächst hoch gelegt. Mit eigenem Landesgesetz (Nr. 3/2015) war der Autonomiekonvent als partizipatives Verfahren zur Ausarbeitung von Vorschlägen zur Reform des Autonomiestatuts von 1972 eingesetzt worden. LH Kompatscher gab bei einer feierlichen Eröffnungsveranstaltung am 16. Jänner 2016 den Auftakt. Dann folgten Open-Space-Veranstaltungen im ganzen Land mit rund 2.000 Teilnehmenden und 60 Vereinen. Aus einem Kreis von 1.829 interessierten Bürgern wurde das Forum der 100 ausgelost. In der Folge traf sich dieses Forum ein Dutzend Mal, hörte Expertinnen, formulierte Vorschläge, wählte acht Vertreter für das eigentliche Beratungsorgan, den Konvent der 33. Hier wollte die SVP weniger dem Zufall überlassen, und besetzte ihn gemäß Gesetz zur Hälfte mit Landtagsabgeordneten und den Mehrheitsparteien nahestehenden Verbandsvertretern. Es hatte also den Anschein, dass die SVP diesen Prozess als ganz ernsthaften Schub für eine Autonomiereform werten und nutzen wollte. Es kam anders.

Der Konvent arbeitete hart. In 27 öffentlich zugänglichen Treffen wurden in über einem Jahr die wesentlichen Bereiche mit Reformbedarf durchdiskutiert. Völliger Konsens im Ergebnis war von vornherein Illusion: es ist unmöglich, einen Urzì und Vertreter der Schützen unter einen Hut zu bekommen. Die italienischsprachigen Konventsmitglieder formulierten vier Minderheitenberichte, doch der im Juni 2017 mehrheitlich verabschiedete Endbericht war gehaltvoll und wohl repräsentativ für den Wunsch der Mehrheit der Südtiroler Bevölkerung nach mehr Autonomie, wenn auch ohne genaue Vorschläge für rechtliche Abänderungen des Statuts. Nebenbei: der Autonomiekonvent hat nie auf ein einfaches Instrument der Meinungsforschung zurückgegriffen, nämlich eine repräsentative Befragung aller Bürger und Bürgerinnen.

Auch das Trentino wickelte ein partizipatives Verfahren ab, doch weit bescheidener in der Methode. Somit liegen seit drei Jahren beiden Landtagen die Vorlagen vor, sie könnten jederzeit einen mehrheitlichen Beschluss fassen und im Regionalrat gemeinsam eine Initiative zur Abänderung des Statuts verabschieden, der dann im Parlament eingebracht würde. Geschehen ist nichts dergleichen.

Dass Verfahren der Bürgerbeteiligung zur Reform von Autonomiestatuten versanden, ist für Italien nicht neu. Mit einem ehrgeizigen Partizipationsmodell war die Region Friaul Julisch Venetien 2004 gestartet und schaffte es in acht Monaten, unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft einen Vorschlag zur Reform des Regionalstatuts von 1963 vorzulegen. 2005 lehnte der Friauler Regionalrat dieses dem Parlament vor, seitdem Stillstand. Das Statut ist immer noch dasselbe.

Die Region Sardinien ging einen Schritt weiter. In einer Volksbefragung sprach sich die Mehrheit der Sarden am 6. Mai 2012 für die Einsetzung einer gewählten „Assemblea Costituente“ aus, mit der Aufgabe, das alte Autonomiestatut von 1948 endlich dem neuen Bedarf anzupassen. Die Region hätte dieses Ergebnis per Gesetz umsetzen müssen. Doch das konnte nicht geschehen ohne vorausgehende Statutsänderung per Gesetz, und dagegen legte sich das Parlament in Rom quer. Somit blieb auch in Sardinien alles beim Alten. Da sich das Parlament von unten kaum zur Änderung von Sonderstatuten bewegen lässt, braucht es umso mehr besonderen Druck der Bevölkerung und demokratische Legitimation, um überhaupt nur gehört zu werden. Diese geringe Chance scheint Südtirol leichtfertig zu vergeben.

Ein einziges Mal, im Dezember 2019, fragte eine Landtagsabgeordnete nach, was denn aus dem Autonomiekonvent geworden sei. In Beantwortung der Anfrage Nr. 30/05/19 der Landtagsabgeordneten Atz-Tammerle (STF) erklärte der Landeshauptmann, dass man in Bezug auf den Konvent keine Einzelmaßnahmen, sondern ein „Gesamtkonzept“ vorantreiben werde. Welche konkreten Schritte die Landesregierung unternehmen wird, um die Ergebnisse des Autonomiekonvents umzusetzen, fragte darauf Sven Knoll nach. Wann sei mit den nächsten Schritten zu rechnen?
Der Konvent fordere eine Weiterentwicklung der Autonomie, meinte Kompatscher damals, und dabei sei man nicht stehengeblieben. Dafür brauche es Verfassungsgesetze, und dazu müsse man mit dem Trentino und mit dem römischen Parlament reden. Der Konvent habe einen Mehrheits- und einen Minderheitsbericht hinterlassen; daher müsse man sich auf eine Position einigen, die man nach außen vertreten wolle, so Kompatscher. Das alles wusste man vorher. Im Klartext: es ist die SVP, die das alles auf die lange Bank schieben will. Warum? Die SVP hat auch nie die Unterstützung der Regierungskoalition in Rom an die Behandlung ihres Verfassungsgesetzentwurfs für ein neues Statut geknüpft, was ein zentrales Anliegen wäre: warum?

Wenn nun solche Beteiligungsverfahren von vornherein nichts bewirken, warum hat die SVP den Autonomiekonvent überhaupt abhalten lassen? Am Bedarf an Reform des Autonomiestatuts kann es nicht liegen. Der wird allein schon dadurch belegt, dass im Parlament seit 2013 ein Verfassungsgesetzentwurf der SVP aufliegt (wieder eingebracht im März 2018), der die Mehrheit der Artikel des Statuts ändern will. Den Reformbedarf des Statuts bestätigt der Konvent mit Hunderten von Vorschlägen seines Ergebnisberichts. In der Publikation „Mehr Eigenständigkeit wagen“ des Autors sind eine ganze Reihe von Vorschlägen im Einzelnen begründet. Doch die SVP hat das Momentum des Konvents, den Druck von unten, im Herbst 2017 nicht genutzt. Wen kümmert aber in fünf oder acht Jahren noch, was ein Südtiroler Konvent sich zur Autonomie wünscht, wenn selbst der Landtag sein Ergebnis jahrelang in der Schublade lässt? Überraschenderweise haben auch die Konventsmitglieder selbst noch nicht gegen diese sang- und klanglose Archivierung ihrer Vorschläge aufbegehrt. Die einfachen Bürger selbst werden freilich beim nächsten Konvent nicht mehr so eifrig mitmachen. Es könnte eine „Mitmachfalle“ sein. Ein Verfahren, das nicht nur im weiteren Gesetzgebungsverfahren niemanden zu etwas verpflichtet, sondern auch politisch keine Wirkung entfaltet und schließlich schlichtweg in der Versenkung landet.

Siehe auch: 01 02


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