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Fratelli sudtirolesi.

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Das Unvorstellbare wird real, nach den Landtagswahlen wird die SVP wohl mit den Fratelli die neue Landesregierung bilden

Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP), LH-Stellvertreter Alessandro Urzì (FdI). Es scheint, ein langgehegter Wunsch von Urzì geht in Erfüllung. SVP-Obmann Philipp Achammer schließt eine Koalition mit den sehr rechten Fratelli nicht mehr aus. Auf Rai Südtirol sagte Achammer, er könne sich eine Zusammenarbeit vorstellen.

Der Obmann bekräftigt damit die Aussage des SVP-Spitzenkandidaten Arno Kompatscher. Schon vor einigen Wochen äußerte sich der Landeshauptmann positiv zu einer politischen Kooperation mit den Fratelli d’Italia.

Diese Bekenntnisse überraschen. Kompatscher gilt als links-liberal, ohne rechte Schlagseite. Und Achammer tönte noch vor einem Jahr, dass es mit den Postfaschisten niemals eine Zusammenarbeit geben werde. Kompatscher begründet seine »Offenheit« mit dem Wahlergebnis. Sollten die Fratelli stärkste italienische Partei werden, ist eine Zusammenarbeit mehr oder weniger logisch. Achammer verweist auf das Bekenntnis von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (FdI), die ausgehöhlte Autonomie wieder herstellen zu wollen.

Nachvollziehbare Argumente? Ist es ein Zufall, dass sich Giorgia Meloni vor den Parlamentswahlen vor einem Jahr eine ganze Seite lang in der Tageszeitung Dolomiten ausbreiten durfte? Meloni schwadronierte unwidersprochen über einen starken Staat, in dem es eine starke Südtirol-Autonomie gibt, eingebunden in eine starke Region. Vieles davon klang nach Alessandro Urzì, der nach seiner Wahl ins Parlament in Vicenza zum Präsidenten der Sechserkommission avancierte.

War diese Dolomiten-Seite ein Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung SVP und Landeshauptmann? Scheint so zu sein. In ihrer Antrittsrede kündigte Meloni an, die Autonomie wieder vollinhaltlich »instandzusetzen«. Nach dieser Ankündigung enthielten sich die SVPlerInnen bei der Abstimmung.

Seitdem wird zwischen Bozen und Rom, zwischen der SVP und der rechtsrechten Regierung verhandelt. In dem Rai-Gespräch bestätigte SVP-Obmann Achammer diese Verhandlungen, die schon weit gediehen sein sollen. Wird mit einer Mega-Durchführungsbestimmung die durchlöcherte Autonomie, wie es die Rechtsprofessoren Esther Happacher und Walter Obwexer auf 600 Seiten dokumentieren, grundlegend saniert? Das Abgeräumte wieder hinzugefügt? Wird es dafür auch einen Notenwechsel zwischen Rom und Wien geben, im Sinne der Internationalität der Autonomie? Wird also der österreichisch-italienische Pariser Vertrag von der rechtsrechten Regierung als bilaterale Grundlage der Landesautonomie anerkannt? Die Autonomie also keine inneritalienische Angelegenheit? Das wäre ein großer Wurf, auch deshalb, weil besonders die Postfaschisten, allen voran Alessandro Urzì, sich immer dagegen gewehrt und gewandt haben.

Und was muss die SVP dafür anbieten? Genau, nach den Landtagswahlen im Herbst eine Koalition mit der Meloni-Partei. Mit einem nach Bozen zurückkehrenden Urzì als LH-Vize? Mit Marco Galateo als Landesrat? Eine Koalition mit einer Partei, die in der SVP Verräter am Staat und an der italienischen Nation sieht oder sah. Und das 100 Jahre nach der Machtergreifung der Faschisten, den Urvätern der Fratelli.

Mehr Autonomie also, im Gegenzug eine Landesregierung mit den Fratelli d’Italia. Kritische Stimmen scheinen verstummt zu sein. Andreas Unterkircher, LGBTQIA-Aktivist und SVP-Mitglied, sprach sich gegen dieses Bündnis aus. Seine nachdenklichen Überlegungen kümmern in der SVP niemand. Eher stoßen sie auf Ablehnung, beispielsweise beim Bauernmandatar Franz Locher, der sich ausgezeichnet mit Minister Lollobrigida von den FdI versteht.

»Ich bin mir bewusst, dass es in der SVP konservative Kräfte gibt, die mit den Positionen der Regierungschefin übereinstimmen. Vom linken Flügel der Partei erwarte ich mir jedoch einen konsequenten Antifaschismus und eine grundsätzliche Ablehnung eines Bündnisses mit Fratelli d’Italiaschrieb Unterkircher.

Konsequent und grundsätzlich? Dafür steht diese SVP nicht. Warum auch? Laut einer Apollis-Umfrage findet eine große Mehrheit der Südtirolerinnen und Südtiroler, die deutschsprachigen Bürgerinnen und Bürger, Giorgia Meloni und ihre rechtsrechte Regierung »gut«. Da ist es nur grundsätzlich konsequent, wenn die SVP mit der Bozner Filiale der FdI eine Landesregierung bildet. Ob sich die Gründer der SVP darüber wundern würden?


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Comentârs

5 responses to “Fratelli sudtirolesi.”

  1. Simon avatar

    Ist Urzì Landtagskandidat? Oder denkst du, dass sie ihn von außen berufen würden? Da bin ich sehr skeptisch.

  2. G.P. avatar
    G.P.

    Auf Rai Südtirol sagte Achammer, er könne sich eine Zusammenarbeit vorstellen.

    Und zwar, weil die “Fratelli” unter Giorgia Meloni eine 360-Grad-Wende vollzogen hätten. 360-Grad-Wende, er meinte wohl 180-Grad-Wende … und das kommt vom Bildungslandesrat!

    1. Martin Piger avatar
      Martin Piger

      360 Grad Wende kann schon stimmen, frei nach “Il Gattopardo” von Giuseppe Tomasi di Lampedusa:

      Wenn wir wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, muss alles sich ändern.

      Genial der Achammer: zur Beruhigung der Wähler sollen jene an die häufig zitierte 180 Grad Wende denken, mit bloss einem Versprecher bezügl. der Grade von Seiten des Landesrates, während es sich in Wahrheit zur Beruhigung der “Fratelli”um eine Anerkennung der Beharrung derer auf dem Althergebrachten handelt.

      1. Stuff avatar
        Stuff

        Schlussendlich wird wohl ausschlagebend sein, ob sich die Fratelli nun 360 Grad nach links oder hingegen 360 Grad nach rechts gewendet haben…

  3. artim avatar
    artim

    Es stimmt zwar, Macht kann auch bedeuten, nichts machen zu müssen. Aber gar nicht darauf einzugehen, was Kritiker, Gegner, Berater und andere wieder und wieder anführen, ist auf Dauer auch nicht unbedingt klug. Die SVP ist samt Spitzenpersonal zu lange schon im sog. Kompatscher-Achhammer-Modus. Nur. Anders als Merkel hat Kompatscher sich nicht an seinen angekündigten politischen Rückzug für 2023 gehalten. Die Kohärenz macht den Unterschied.
    Ebenso wurde nichts von seiner Ankündigungspolitik der Reform umgesetzt. Heute heißt das Schlagwort “Nachhaltigkeit”, mit dem er vor den Wahlen Handlungsfähigkeit beweisen will.
    Mittlerweile geht es längst nicht mehr um rechts von der Mitte in der SVP (vgl. ff, 34-2023). Die sind längst bei den Freiheitlichen, Süd-Tiroler Freiheit u.a. Es geht um die fehlende zentrale Leerstelle in der politischen Mitte Südtirols selbst.
    Es ist neben dem Scheitern der Erneuerung der Mitte auch die zunehmende Erkenntnis des Mittelstandes heute, sich das Leben im eigene Land immer weniger leisten zu können (vgl. R. Benedikter, Dolomiten 5./6.Aug.2023).
    Was es 2023 so dringend bräuchte, wäre eigentlich die den SVP-Wählern und Wählerinnen 2013 von LH Kompatscher und OM Achammer versprochene neue SVP und Politik bzw. eben sonst eine Liste, die für die Mitte der dt./lad. Bevölkerung ein wählbares Angebot darstellt. Das sind grundlegende Volksgruppen- und Bürgerrechte und qualitativ hoher Bürgerservice in der eigenen Sprache statt gruppenbezogener Ungleichwertigkeit im Alltag.
    Ein „Naturgesetz“ Volkspartei zu wählen gibt es nach zehn Jahren Politik (neuer) Beliebigkeit, der Einzelinteressen, der Selbstdemontage und des massiven Legitimationsverlustes wohl nicht mehr. Auch weil sich die Frage stellt:
    Wie glaubwürdig sind Kompatscher und Achammer noch, die die national-rechtsextremen Brüder Italiens vor kurzem als Gefahr für ganz Italien und das Südtirol bezeichneten und nach den röm. Parlamentswahlen 2022 trotz beschworener Brandmauer diese in vorauseilender Andienerei nicht nur gleich normalisierten, sondern diese für die aus dem Widerstand entstandene SVP kurzerhand sogar als anschluss- und koalitionsfähig erklärten?
    Mal schauen, ob die “Grünen” oder doch noch Team K (trotz dessen Absage an die SVP) die Rolle der Erfüllungsgehilfen auf Zeit zusammen mit den national-rechtsextremen Brüdern Italiens nach den Wahlen im Herbst übernehmen.
    Die anderen dt./lad. Listen bleiben wohl auch weiterhin ausgeschlossen. So zumindest die Vorhersage, auch des LH Kompatschers im RAI-Sommerinterview v. 31.08.23, sollte es nicht doch noch zu einer völlig unvorhersehbaren Wende kommen.

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