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Mangott und seine Wissenschaft.

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Der Innsbrucker Professor konnte auf Rai Südtirol einmal mehr unwidersprochen seine Thesen verbreiten. Zum Beispiel, dass sich der Westen wegen seiner Sanktionen im Krieg mit Russland befinde.

Es sei klar, wer Täter und wer Opfer ist, schickte Professor Gerhard Mangott im Morgengespräch von Rai Südtirol voraus. Keine Frage, die Fakten sind doch klar, die russische Armee überfiel am 24. Februar 2022 die Ukraine, hält seitdem ein Fünftel des Landes besetzt, vertrieb Menschen aus den annektierten Gebieten, deportierte ukrainische Kinder, verübte eine ganze Reihe von Kriegsverbrechen, von Vergewaltigungen, Folterungen bis zu den bekannt gewordenen Massenmorden.

Seine Feststellung, wer Täter und Opfer ist, schränkte Mangott dann wieder drastisch ein. Er macht nämlich die EU auch für die »Ukraine-Krise« verantwortlich. Der Professor sieht in den Sanktionen der EU gegen Russland einen Brandbeschleuniger für das Ausmaß und für die Dynamik der Eskalation. »Die massive Finanz- und Militärhilfe, die die westlichen Staaten nach Ansicht vieler auch zurecht leisten – denn es ist klar, wer Täter und wer Opfer ist – unterminiert jedes kooperative Verhältnis mit Russland«, wirft Mangott der EU vor. Er scheint nicht der Ansicht zu sein, dass die geleistete westliche Hilfe notwendig ist. So ähnlich sehen es der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban, sein US-amerikanischer Freund Donald Trump und dessen Republikaner sowie die NSDAP 2.4, die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht in Deutschland. Zu dieser prorussischen Allianz zählt auch der österreichische Ober-Freiheitliche Herbert Kickl.

Laut Mangott beschädigen die Sanktionen das Verhältnis mit Russland, das kooperative Verhältnis, unterstreicht der Professor. Naja, das Deutschland von Bundeskanzler Schröder und Bundeskanzlerin Merkel biederte sich jahrelang dem russischen Präsidenten Wladimir Putin an, die Republik Österreich kooperierte ungeniert mit russischen Oligarchen und der russischen organisierten Kriminalität. Beide Staaten zeigten 2014 großes Verständnis für die russischen Ansprüche auf die Krim und die Ostukraine. Auch das Italien von Ex-Ministerpräsidenten Giuseppe Conte (5SB) schleimte um Putin herum.

Für Mangott ist es unverständlich, wenn europäische Politiker Russland vorwerfen, nicht konstruktiv und kooperativ zu sein. So sieht es auch der russische Kriegspräsident. Putin beteuerte seine Konstruktivität und Kooperativität im Interview mit Tucker Carlson, einst Moderator des rechtsradikalen US-amerikanischen TV-Senders Fox News und Sprachrohr von Donald Trump. Russland wolle Friedensverhandlungen, durfte Putin Carlson erzählen, die Ukraine hingegen verweigere sich. Die Verantwortung für diese Verweigerung trage US-Präsident Joe Biden. Putin pur.

Professor Mangott entwickelt diese These weiter: »… für einen Politologen ist das, was jetzt passiert, diese Abschottung, diese Isolation auch im wirtschaftlichen Bereich schon so etwas wie ein kriegsähnlicher Zustand, kein Krieg, aber ein kriegsähnlicher Zustand.« Auch die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht analysieren ähnlich, inzwischen in Deutschland gar eine Mehrheit der Bevölkerung. Diese Mehrheit fordert ein Ende der Sanktionen und der Waffenlieferungen sowie einen Aufnahmestopp für ukrainische Flüchtlinge. Ausgerechnet Deutschland. Die Nazi-Vorfahren wüteten im Zweiten Weltkrieg besonders grausam in der Ukraine. Eine gerne verdrängte und vergessene üble deutsche Vergangenheit.

Die Entwicklung geht hin zu einem russischen Siegfrieden, die westliche Hilfe für die überfallene Ukraine bröckelt. Nach einer ukrainischen Niederlage herrscht dann wieder Frieden — hoffen Pazifisten, Anti-Europäer:innen, Anti-Amerikaner:innen, Putin-Anhänger:innen —, gibt es Billig-Gas und Billig-Öl aus Russland, Ungarn möchte dann die ungarische Region in der Westukraine annektieren, kündigten ungarische Rechtsradikale lauthals an. Die Büchse der Pandora wäre damit geöffnet. Erstmals nach 1945 veränderte ein europäischer Staat militärisch seine Grenzen, der größte Staat der Welt. Ein gefährliches Signal, nicht nur für Europa. Im Interview mit Carlson beruhigte Putin die westlichen Nachbarn, Russland sei beispielsweise nicht an polnischen Territorien interessiert. Das sagte Putin auch vor dem Überfall auf die Ukraine.

Seinen Überfall begründete Putin mit dem Schutz der russischsprachigen Ostukrainer, die angeblich von ukrainischen Nazis ausgerottet werden sollten. Russischsprachig? Bis zum russischen Krieg gegen die Ukraine sprach die überwältigende Mehrheit der Ukrainer:innen russisch, die Folge der Russifizierung in der Sowjet-Ära.

Professor Mangott grenzte sich im Morgengespräch von Rai Südtirol von Wissenschaftler:innen ab, die seiner Ansicht nach aktivistisch seien, also proukrainisch. Forschende, die kein Verständnis zeigen für russische Ansprüche auf die Ukraine, wie beispielsweise die Osteuropa-Historikerin Franziska Davies von der Universität München. Davies wirft aufgrund ihrer Recherchen den Russland-Verstehern vor, Mangott zählt auch dazu, die russische Aggression oftmals relativiert zu haben. Viele dieser Putin-Fans sprechen der Ukraine ihr Recht auf Selbstbestimmung ab. Genauso warnt Mikhail Zygar, einst Chefredakteur des unabhängigen russischen TV-Senders Doschd, vor russischen Fake News über die Ukraine. In seinem Buch »Krieg und Sühne« zeigt er, wie mehr als 300 Jahre russischer Propaganda, Volksmärchen und Fantasy dem russischen Krieg gegen die Ukraine den Boden bereitet haben. Ja, »Russlands Angriffskrieg hat deutlich früher begonnen«, um Mangott zu zitieren.

Mangott erhebt sich mit seiner Abgrenzung über die angeblich wissenschaftlichen Aktivist:innen, denen er wissenschaftliche Einäugigkeit bzw Blindheit vorwirft. Das mutet seltsam an. Als die russische Armee 2021 entlang der ukrainischen Grenze aufmarschierte, spielte er die Gefahr herunter. Es stehe jedem Staat frei, auf seinem Territorium seine Armee wo auch immer zu stationieren. Nicht nur, Russland musste laut Mangott militärisch auf die Ukraine reagieren. Russische Propaganda.

Und genauso klingt auch seine Schlussfolgerung. Vom Krieg profitieren die USA, eine weitere Mangott-These. Anders formuliert, die Ukraine kämpft einen Stellvertreterkrieg, ein in rechts- und linksradikalen Kreisen oft zitiertes Narrativ, besser gesagt Märchen. Wissenschaftlich?


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Comentârs

One response to “Mangott und seine Wissenschaft.”

  1. Hartmuth Staffler avatar
    Hartmuth Staffler

    Russland gibt viele Millionen Euro für Desinformation im Westen aus. Irgendwo muss dieses Geld ja landen. Unabhängig davon eine kleine Ergänzung: “Die Nazi-Vorfahren wüteten im Zweiten Weltkrieg besonders grausam in der Ukraine. Eine gerne verdrängte und vergessene üble deutsche Vergangenheit.” Das stimmt natürlich, aber besonders grausam gewütet hat in der Ukraine auch die ARMIR (Armata Italiana in Russia). Das muss in Italien weder verdrängt noch vergessen werden, weil die Italiener ja laut offizieller Leseart anscheinend nur in die Sowjetunion gegangen sind, um die arme Bevölkerung vor den bösen Deutschen zu schützen. Dass zu diesem hehren Zweck auch zahlreiche ukrainische Dörfer zerstört und alle männlichen Einwohner erschossen werden mussten, sollte besser nicht erwähnt werden. Es war ja nicht böse gemeint.

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