Gestern teilte das Landespresseamt (LPA) mit, die Landesregierung habe ein Abkommen zwischen Staat und Sonderautonomien gutgeheißen, mit dem finanzielle Einbußen ausgeglichen würden, die durch neue staatliche Steuerregelungen entstehen werden.
Ändert der Staat die Steuersätze und entstehen dadurch Mindereinnahmen, wird künftig durch das neue Abkommen ein finanzieller Ausgleich sichergestellt.
– Pressemitteilung
Aufgrund des Einvernehmensprinzips könne der Staat steuerliche Maßnahmen mit Auswirkungen auf Südtirol nur mit Zustimmung des Landes umsetzen.
Damit stärken wir nicht nur unsere finanzielle Autonomie, sondern sichern auch das Mitspracherecht des Landes bei allen entscheidenden Steuerfragen. Zudem können wir finanzielle Nachteile frühzeitig und einvernehmlich ausgleichen. Auch die Bürgerinnen und Bürger profitieren von den Steuersenkungen. Sie müssen weniger Steuern bezahlen.
– LH Arno Kompatscher (SVP) laut Pressemitteilung
»Ausgleich« klingt für mich so, dass der Staat den autonomen Regionen und Ländern (ungefähr) gleich viel Geld gibt, wie sie durch die Abänderung der Steuerregelungen verlieren werden. Sucht man sich den entsprechenden Beschluss der Landesregierung heraus, dem der Originaltext des Abkommens beiliegt, ist darin jedoch von einem »teilweisen Ausgleich« die Rede, der sich auf den Zeitraum 2026-2028 beschränkt.
Im Jahr 2026 und 2027 sind dafür pauschal 100 Millionen Euro vorgesehen, im Jahr 2028 nur noch 50 Millionen — für alle Sonderautonomien zusammen. Südtirol erhält daraus 10,5 Millionen im ersten, 11,5 Millionen im zweiten und 5,8 Millionen im dritten Jahr.
Doch wie viel geht Südtirol verloren? Steht dieser »Ausgleich« auch nur annähernd in einem Verhältnis zu den Ausfällen? Dies geht weder aus dem Beschluss der Landesregierung, noch aus dem Abkommen und schon gar nicht aus der schönfärberischen Pressemitteilung hervor.
Möglicherweise kann hierzu aber ein finanzpolitisches Dokument des sardischen Regionalrats Aufschluss geben. Dort wird festgehalten, dass die Ausfälle für die Sonderautonomien auf rund eine Milliarde Euro geschätzt werden.1Punkt 2.1.2, S. 25f. Demgegenüber nimmt sich der »teilweise Ausgleich« von 100 Millionen geradezu mickrig aus. Statt 100 Prozent (also eine Milliarde) durch die steuerpolitischen Maßnahmen des Staates zu verlieren, verlieren die Autonomien 90 Prozent (also rund 900 Millionen).
Nachdem die Ausgleichsbeträge laut Abkommen im Verhältnis zu den zu erwartenden Mindereinnahmen verteilt werden, bedeutet dies, das Südtirol etwa 2026 mit um die 105 Millionen Euro an Mindereinnahmen rechnen muss, von denen der Staat 10,5 Millionen erstattet. Knapp 95 Millionen Euro gingen dem Landeshaushalt somit verloren. Im Jahr 2028 steht dem Land noch weniger — nämlich nur die oben genannten 5,8 Millionen — zu, und ab 2029 ist unklar, ob überhaupt noch etwas fließen wird, obwohl die steuerlichen Maßnahmen, die die Ausfälle bedingen, dann nicht notwendigerweise auslaufen.
Ob diese Zahlen, die ich aus dem sardischen Dokument extrapoliere, so stimmen, kann ich nicht sagen. Die Größenordnung wird nicht ganz falsch sein, Gewissheit könnte hier wohl höchstens eine Landtagsanfrage bringen, vorausgesetzt, die Landesregierung beantwortet sie ehrlich und nicht ausweichend.
Allerdings finde ich es schon einen Skandal, wie hier bewusst und mit System Schönfärberei betrieben wird, indem von »Ausgleich« gesprochen wird, obwohl dieses Wort etwas ganz anderes suggeriert, als in der Realität der Fall ist. Die Landesregierung täuscht damit in meinen Augen die Öffentlichkeit — und indirekt auch den Landtag — über den Ausgang wichtiger Verhandlungen mit dem Staat.
Es passt aber gut in die Tradition der Jubelmeldungen über die Südtirolautonomie, die dann einem Faktencheck allzu oft nicht standhalten. Die Bevölkerung wird damit ruhig gehalten und — solange Medien (01 02) und Opposition ihre Aufgaben nicht wahrnehmen — die SVP vor noch größeren Wahlverlusten verschont.
- 1Punkt 2.1.2, S. 25f.

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