In einem wissenschaftlichen Artikel mit dem Titel Lost autonomy triggers and the rise of secessionism1doi:10.1017/S175577392510026X, das in der European Political Science Review bei Cambridge University Press erschienen ist, analysieren Felix Schulte, Matthias Scantamburlo und Maria Ackrén den Zusammenhang zwischen Autonomieverlust und Sezessionismus.
Die gewählten, als »typisch« eingestuften Fallbeispiele sind die Färöer und Katalonien.
Aus Südtiroler Sicht ist jedoch besonders interessant, dass unser Land als »Negativbeispiel« ausgesucht wurde, weil hier nämlich objektiv messbare, massive Einschnitte in die Autonomie zu keinen ähnlichen Entwicklungen geführt haben wie in den beiden erstgenannten Gebieten.
Die Erosion der Südtirolautonomie kann laut den Autorinnen sowohl auf die Verfassungsreform von 2001 und die darauffolgenden Urteile des italienischen Verfassungsgerichts als auch auf die einseitigen Kürzungen der Regierung von Mario Monti zurückgeführt werden.
Dass der Autonomieverlust im Fall von Südtirol kein Auslöser für einen massiven Anstieg sezessionistischer Tendenzen war, wird damit begründet, dass die Beschneidungen schrittweise und bürokratisch statt plötzlich und dramatisch stattgefunden hätten. Anders als im Fall der Färöer und von Katalonien sei der Prozess subtil und höchst technisch abgelaufen, sodass ein breiter Aufschrei der deutschen Minderheit ausgeblieben sei. Die Kürzungen der Monti-Regierung hätten zwar tatsächlich zu Zugewinnen für separatistische Parteien geführt, aber bei weitem nicht in einem Ausmaß wie in den Vergleichsgebieten.
Auch die selbstverwaltete Abstimmung der STF im Herbst 2013 nach katalanischem Vorbild habe nicht dazu beigetragen, eine breitere sezessionistische Bewegung in Gang zu setzen. Gleichzeitig habe jedoch auch die SVP-Vision einer dynamischen Autonomie an Momentum verloren und die historische Autonomiepartei ihre Dominanz eingebüßt.
Italiens Vertrauen auf die beständige Arbeit des Verfassungsgerichts und zentralistisch gesinnter Regierungen erinnert mich an die Boiling-Frog-Metapher, bei der ein Frosch so langsam erhitzt wird, dass er die Gefahr nicht erkennt und zu Tode gekocht wird, anstatt sofort aus dem Wasser zu springen.
- 1doi:10.1017/S175577392510026X

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