Wollen Sie einen geschlossenen Hof kaufen? Kein Problem, die Liste mit entsprechenden Objekten ist lang. In alle Ecken des Landes können geschlossene Höfe, der Stolz der Südtiroler Landwirtschaft, jederzeit gekauft werden. Schon immer. Anders formuliert: ist Südtirols Landwirtschaftspolitik letztendlich gescheitert? Es findet ganz und gar nicht klammheimlich ein Ausverkauf von Grund und Boden, der Heimat, statt!
Andrè-Benedict Niederkofler von der Maklervereinigung sagte auf Rai Südtirol, die Bauernhöfe werden gleich wie früher verkauft, nur hat in letzter Zeit der Verkauf an Landesfremde zugenommen. Für den Ausverkauf gibt es einen klaren Grund: Die Höfe sind nicht geschützt und können damit von jedem gekauft werden. Während Wohnhäuser mit einer »Konventionierung«, einer Bindung für Ansässige, versehen sind, fehlt diese bei den Bauernhöfen.
Die verantwortliche Landesrätin für die Raumordnung, Maria Hochgruber Kuenzer (SVP), verweist auf die Schuldigen. Auf den Tourismus und die Werbekampagnen der IDM. Und welche Verantwortung tragen die Raumordnungspolitiker, einschließlich der aktuellen Landesrätin? Sie bürdet ihre Verantwortung dem Tourismus auf. Warum belegt sie die Bauernhöfe nicht mit einer Bindung, wie die Maklervereinigung es anregt?
Der Landesrat für Landwirtschaft, Arnold Schuler (SVP), ist auf der Suche nach einer Bremse, um den Ausverkauf zu stoppen. Seine Hoffnungen sind aber gering. Völlig illusionslos verweist er auf die EU, Stichwort freier Grunderwerb.
Von den 20.000 Höfen in Südtirol sind mehr als die Hälfte — angeblich 13.000 — geschlossene Höfe. Als geschlossen gelten sämtliche Liegenschaften, erläutert das Ressort für Landwirtschaft der Landesverwaltung, die auf Antrag des Eigentümers durch die Höfekommission als solche erklärt werden. In der Regel handelt es sich um landwirtschaftliche Grundstücke mit den dazugehörigen landwirtschaftlichen Gebäuden. Rechtlich ausschlaggebend ist die Eintragung in der Abteilung I des Grundbuches.
Das Höfegesetz bildet den rechtlichen Rahmen für die Aufrechterhaltung des geschlossenen Hofes als landwirtschaftliche Wohn- und Wirtschaftseinheit und sichert so den Fortbestand des bäuerlichen Familienbetriebes. Das Ziel ist, den Hof samt Grund und Boden als Wirtschaftseinheit zu erhalten. Ein hehrer Anspruch.
Riegel gegen den Ausverkauf?
Der geschlossene Hof — ein Mythos. Es beginnt schon damit, dass genaue Zahlen fehlen. Laut dem Bauernbund sind »von ca. 19.000 landwirtschaftlichen Betrieben über 11.000 geschlossene Höfe, dies zeugt für einen lebendigen Brauch, der heute noch aktueller und wichtiger denn je ist,« schwärmt der SBB auf seiner Homepage. Das kann unter der Rubrik »Schönfärberei« eingeordnet werden.
Der Landtag beschäftigte sich im Februar mit dem Thema, der Spekulation sollte ein Riegel vorgeschoben werden. Künftig sollen geschlossene Höfe nicht mehr an Nicht-Bauern verkauft werden können. Eine Südtiroler Spezialität: Die Kaufenden sind die bösen Buben, nicht die Verkaufenden.
Peter Faistenauer von der Liste Perspektiven für Südtirol lehnt eine Schuldzuweisung ab. Fakt ist, dass immer mehr bäuerliche Betriebe in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Jährlich stellen mehr als 100 Höfe den Betrieb ein. Faistenauer verweist in einem Beschlussantrag auf den Landtagsabgeordneten Mathias Ladurner-Parthanes (SVP), der schon 1980 eine Genehmigungspflicht für den Erwerb eines geschlossenen Hofes gefordert hatte.
Der Bergbauernvertreter im Bauernbund findet den Ausverkauf äußerst problematisch. Besonders deshalb, schrieb das Wochenmagazin ff im Februar 2022, weil die »Höfe wegen der großen Kubatur aufgekauft werden«. Von Investoren, Unternehmern, jedenfalls finanzkräftigen Personen. Keine Chance für den bäuerlichen Nachbarn, den Hof zu kaufen.
Die Krokodilstränen des SBB
Der Bauernbund vergießt hier aber Krokodilstränen, hält ff-Journalist Karl Hinterwaldner dem Bauernbund den Spiegel vor. Denn die Missstände sind seit Jahren bekannt, und auch die ff weist immer wieder auf den Ausverkauf von Bauernhöfen hin: »Die Verbandsspitze aber hält sich dabei immer vornehm zurück. Mit der Ausrede, man könne sich nicht in die Privatangelegenheiten von Käufern einmischen. Das ist jetzt nicht anders: Man könne nichts gegen die Verkäufe von Höfen unternehmen, heißt es.« Der freie Grunderwerb zählt zu den EU-Grundfreiheiten, beschrieb Bauernbund-Obmann Leo Tiefenthaler die Hürde, sich gegen den Ausverkauf wehren zu können.
Seltsam, denn seit Monaten trägt der Bauernbund eine hochemotionale Kampagne gegen Bär und Wolf mit, gesponsert vom Unternehmen Athesia. Eine Kampagne gegen den Ausverkauf? Fehlanzeige. Verwunderlich ist diese Nicht-Haltung aber keineswegs. Im Gegenteil. Der Bauernbund und seine Landtagsmandatare sind ausgezeichnete und effiziente Lobbyisten. Es gelang ihnen, Stichwort Raumordnung, immer noch größere Kubaturen und immer noch mehr Erleichterungen für ihre Klientel durchzudrücken.
Mittelalterlicher geschlossener Hof?
In den Genuss dieser Privilegien kommen jetzt Nicht-Bauern. Außerhalb Südtirols. Südtiroler Nicht-Bauern griffen immer schon zu. Christoph Franceschini beschrieb auf Salto 2014, wie lückenhaft Südtirols Höfegesetz ist. Und zu welchen absurden Auswüchsen das führt, zeigt ein eklatanter Fall um einen neuen geschlossenen Hof in Eppan.
Der Bauernbund vergießt tatsächlich Krokodilstränen, trägt er doch mit seiner entgrenzten Lobbyarbeit zur Spekulation bei. Wann startet der Bauernbund eine breite Kampagne gegen den Ausverkauf, für eine Bindung der Bauernhöfe, für eine neue Subventionspolitik, die die kleinstrukturierte Landwirtschaft rettet?
Oder sollte das Konzept »geschlossener Hof« überhaupt gründlich reformiert werden? Magda Baur wetterte 2016 auf Salto, das Konzept sei mittelalterlich. Ihre Frage: »Wie kann ein derartiges mittelalterliches Institut in einer modernen Rechtsordnung noch Bestand haben?« Die Folge dieses Gesetzes sei, dass die sogenannten weichenden Erben »faktisch enterbt« werden.
Baur warf der Landesregierung vor, mit ihrer mit ihrer Gesetzgebung Privilegien und — mit Steuergeldern finanzierte — Zuschüsse zu gewähren, »damit auf legalem Wege eine Enterbung durchgeführt und eine weitere Vermögenskonzentration in der Landwirtschaft erreicht werden kann.«
Mit dieser Politik wird laut Magda Baur das genaue Gegenteil von dem erreicht, was das Höfegesetz zu fördern vorgibt: Den Schutz der bäuerlichen Existenz. Warum? Geschlossene Höfe sammelten immer mehr Grund und Boden, es finde eine ständig wachsende Konzentration statt. Für finanzschwache Jungbauern schrumpfe damit die Chance, für immer weniger frei handelbare Grundflächen erschwingliche Preise zahlen zu können.
Aus den fetter werdenden geschlossenen Höfen entwickelten sich Großbetriebe, heißt es auf Salto weiter, bewirtschaftet von ausländischen Arbeitskräften, während heimische Kleinbauern in den Nebenerwerb gezwungen würden. Die Großbetriebe produzierten standardisierte, lange haltbare Ware für einen übersättigten Weltmarkt, analysiert Magda Baur weiter. Ihr Vorwurf an den Bauernbund: »Und eine professionelle PR-Maschinerie gaukelt uns vor, dass all diese Privilegien und Subventionen dem Erhalt einer die Umwelt schützenden Bauernschaft dienen.«
»Es ist Zeit zum Aufwachen!«
Es sei Zeit zum Aufwachen, appellierte Baur auf Salto an den Landwirtschaftslandesrat, an die Bauernmandatare im Landtag und an den Bauernbund. Als einen möglichen Lösungsansatz nennt Magda Baur eine geschützte Mindestkultureinheit.
Die geltenden Regeln für den »geschlossenen Hof«, formulierte Magda Baur ihren Vorwurf, schlössen die Frauen prinzipiell aus. Baur findet es inakzeptabel, dass bei einem sechs Hektar großen Hof mit drei Häusern der Sohn alles und die Tochter nur eine lächerliche Auszahlungssumme (im Verhältnis von 20 : 1) erhält. Deshalb sollte die Landesregierung »dieses Relikt aus dem Mittelalter, das in Südtirol in seiner frauenverachtenden, diskriminierenden Ausprägung auf die Spitze getrieben worden ist, reformieren.«
Auch deshalb sei eine gründliche Reform notwendig, führt Magda Baur weiter aus. Denn, »ist die jetzige Rechtslage mit dem italienischen Verfassungsrecht und der europäischen Grundrechtsordnung noch vereinbar?« Ist es mit dem Grundsatz der Gleichheit vereinbar, dass ein Bauer »zuerst das Geld für den Neubau eines Prunkbaus, dann zwei Häuser und den ganzen Grund von 6 ha in bester Tallage übergibt und die Tochter geht leer aus?«
In ihrem Salto-Beitrag Der geschlossenen Hof II bekennt sich die Autorin zur Unterstützung der Kleinbauern: »Für die systematische Enterbung der ‚weichenden Erben‘ (in der Regel der Frau), nur damit einzelne Bauern reich und reicher werden und die steuergeldfinanzierten Subventionen in Anspruch nehmen können, habe ich hingegen gar keines!«
Fördert also letztendlich das Gesetzeswerk »geschlossener Hof« den auf Sonntagsreden laut und heftig kritisierten Ausverkauf der Heimat, also das Verscherbeln von Bauernhöfen samt Grund und Boden?
Scrì na resposta