Bei einem möglichen blauen österreichischen Bundeskanzler sieht Hans Heiss schwarz.
In seinem Kommentar im im Standard kanzelte Hans Rauscher eine ganze Reihe freiheitlicher Programmpunkte für die künftige österreichische Regierung ab. Er nannte sie »verrückte Forderungen«, besonders die Zurückholung Südtirols über die Anerkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft für die echten Südtiroler.
Für die Freiheitlichen ist Südtirol nicht nur eine Herzenssache, ein Begriff, den Leopold Figl 1945 in seiner Regierungserklärung gebrauchte. Aus der Herzenssache wurde im Laufe der Zeit die Herzensangelegenheit. Will heißen, die österreichischen Parteien stehen Südtirol zur Seite, helfen, wenn es einen »Hilferuf« aus Bozen gibt.
Deshalb gab es einen Unterausschuss Südtirol im Nationalrat, intervenierten österreichischen Stellen bei der italienischen Regierung. Erfolgreich war der sozialdemokratische Außenminister Bruno Kreisky mit seiner Anrufung der UNO-Vollversammlung 1961, weil Italien nicht bereit war, den italienisch-österreichischen Pariser Vertrag samt Landesautonomie umzusetzen.
Während die Zentrumsparteien zwischen ÖVP und Neos die Autonomiepolitik unterstützen, hielten und halten die Freiheitlichen immer am Recht auf Selbstbestimmung fest. So weit, so gut. Immerhin ist das Recht auf Selbstbestimmung auch im Statut der SVP verankert.
Die Austrofaschisten und Südtirol
Was ist aber von dieser freiheitlichen Position zu halten? Die Vorväter der Freiheitlichen, die Austrofaschisten und die illegalen Nazis, waren allesamt keine Südtirolfreunde.
Austrofaschistisch war die Ära von 1933 bis 1938, Bundeskanzler Engelbert Dollfuß errichtete einen »Ständestaat« und ging gewaltsam gegen die Sozialdemokratie, Kommunisten und Gewerkschaften vor. Manche Historiker präzisieren und verwenden den Begriff Klerikalfaschismus, paktierten doch die katholische Kirche und die rechtskonservativen Parteien.
Nach der Ermordung von Dollfuß durch Nazikiller übernahm Kurt Schuschnigg von der Vaterländischen Front den österreichischen Ständestaat. Die Front getragen haben die antisemitischen Christsozialen, die Heimwehr, rechtsradikale Milizen und der Landbund, eine Bauernpartei.
Dieser österreichische rechtsrechte Ständestaat stand im Bündnis mit dem faschistischen Italien. In den »Römischen Protokollen« sicherte der faschistische Diktator Benito Mussolini Österreich wirtschaftliche Hilfe zu, um den Einfluss des nationalsozialistischen Deutschland einzudämmen. Zu den Partnern in diesem
Fascho-Verbund zählte auch das Ungarn der Pfeilkreuzler. Eine doch überraschende Ähnlichkeit mit der heutigen Lage. In Ungarn und in Italien regieren rechtsrechte Parteien, Österreich steht kurz bevor, von den rechtsrechten Freiheitlichen übernommen zu werden.
Das faschistische Italien der 1930er Jahre — seit 1922 verfolgte der Staat eine radikale Politik der »Entnationalisierung« der Südtiroler:innen —, agierte als Schutzmacht für das klerikalfaschistische Österreich. Der autoritäre Ständestaat wehrte sich gegen eine feindliche nationalsozialistische Übernahme — mit Hilfe Italiens. Im Gegenzug schwieg Kanzler Dollfuß, für ihn war das schikanierte Südtirol kein politisches Thema.
»Geben wir den Italienern das Land…«
Dollfuß warb kurz vor Kriegsende 1918 für einen Kompromissfrieden mit Italien. »Geben wir den Italienern das Land bis zur Salurner Klause. Es war ja der ewige Zankapfel zwischen Österreich und Italien«, so eine Dollfuß-Aussage, die in einem Dokument des Österreichischen Staatsarchivs belegt ist. Dollfuß meinte damit das italienischsprachige Trentino, das begehrte Objekt national-italienischer Begierde.
In seiner Amtszeit erhob Dollfuß den Land-Sager zu seinem Leitmotiv. Geben wir den Italienern das Land vom Brenner bis zur Salurner Klause, war wohl seine Überlegung — und im Tausch erhielt Österreich den faschistischen Schutz gegen den nationalsozialistischen Nachbarn.
Auch gültiges Leitmotiv in seiner Amtszeit als »Bundeskanzler«, als faschistischer Diktator. Dieses Österreich kritisierte nicht die faschistische Politik gegen Südtirol.
Ähnlich wie Dollfuß hielt es auch der deutsche Reichskanzler, »Volkskanzler« Adolf Hitler. Er und seine NSDAP wollten »alle Deutschen« heimholen. Deutsche, die seit der Niederlage im Ersten Weltkrieg außerhalb der deutschen Staatsgrenzen lebten, in der neuen Tschechoslowakei, in Ungarn, in Rumänien, in Polen, in Italien usw.
Für Südtirol galt diese Maxime aber nur bis 1922, damals putschte sich Benito Mussolini an die Macht. Hitler suchte offensiv die Nähe zum Duce, kopierte erfolgreich sein Tun. Erst in den späten 1930er Jahren gelang es Hitler, auch weil die westeuropäischen Demokratien Front machten, mit dem faschistischen Italien ein Bündnis zu schließen. Den Stahlpakt.
Hitler gegen Südtirol
Für diesen Pakt opferte Hitler Südtirol. Schon 1922 sagte Hitler auf einer NSDAP-Versammlung in München, auf die »Deutschen in Südtirol« verzichten zu wollen. Festgehalten wurde dieser Verzicht in einem Memorandum 1924. Dieses mündete in den Optionsvertrag von 1939, in die »Aussiedlung« der Südtiroler:innen ins »Großdeutsche Reich«. Hitler brandmarkte Südtirolfreunde als Agenten des »internationalen Judentums«, also als zu verfolgende Feinde Deutschlands.
Trotzdem hielten damals viele Südtiroler den Nazis die Treue, engagierten sich im nationalsozialistischen Völkischen Kampfring, jagten 1939 Dableiber, die sich gegen die »Aussiedlung« wehrten, beteiligten sich an der Verfolgung der Meraner Juden durch die 1943 entstandenen Nazibehörden in der Operationszone Alpenvorland. Der Rest der braunen Geschichte in Südtirol ist bekannt.
Die Klerikalfaschisten der 1930er Jahre und die großdeutschen Nazis sind die geistig-politischen Vorfahren der heutigen Freiheitlichen. Was ist, diese Geschichte im Hinterkopf haltend, von den FPÖ-Forderungen nach Südtiroler Selbstbestimmung zu halten?
Ist Herbert Kickl endlich »Volkskanzler«, wird er die Nähe zur politischen Enkelin von Benito Mussolini, Giorgia Meloni (FdI), suchen. Südtirol ist dabei nur im Weg. Nicht von ungefähr sagte der ehemalige Landtagsabgeordnete und Historiker Hans Heiss im Grantler-Gespräch auf Barfuss, dass sich dann Südtirol vor der österreichischen Schutzmacht schützen muss.
Hinweis: Dieser Beitrag wurde am 9. Februar 2025 vom Autor geändert.
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