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EU-Regionen: Union und Mitgliedsstaaten drücken Zentralisierung durch.

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Seit den letzten Europawahlen verabschiedet sich die Kommission immer mehr von der Union

Die EU-Kommission verkommt zu einem Kartell der »Vaterländer«. Die Mitgliedsstaaten wickeln die Europäische Union Stück für Stück ab. Aus der Union wird ein loses Bündnis der »Vaterländer«, wie es sich Konservative und Rechte wünschen.

So versenkte die Kommission — »juristisch« begründet — die erfolgreiche Minority Safepack-Initiative des Minderheitendachverbandes FUEN. Sie erklärte sich für nicht zuständig. Neue Mitglieder müssen, heißt es aber in den EU-Verträgen, vor dem Beitritt ihre Minderheitenprobleme regeln und lösen. Also doch eine Thema der Union?

Seit ihrem Erstarken kokettiert Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen mit den rechten Fraktionen. Für die Zusammenarbeit opfert sie ihren Green Deal, den öko-sozialen Umbau der EU. Prioritäten von gestern, als die Rechten noch Ränder waren.

Konservative und Rechte führen ihren »Kulturkampf« gegen »Veggie-Burger«, lehnen die Renaturierung zerstörter Landschaften ab, die eh schon halbherzigen Bemühungen gegen den Klimawandel werden langsam abgedreht.

Die Flüchtlings- und Migrationspolitik ist ein Flickwerk, die EU reagiert nur auf Herausforderungen, agiert nicht. Jedes Mitgliedsland hantiert — auf Druck rechter Wahlerfolge — mit unterschiedlichen Konzepten, die zu spät umgesetzt werden. Die EU und ihre Mitglieder gestalteten in der Vergangenheit nicht die Migration.

Und die Vaterländer machen sich über die Kommission daran, die EU zu zentralisieren, zugunsten der Mitgliedsländer. So sollen künftig nicht mehr die Regionen, immerhin die vielbeschworene dritte Ebene in der EU-Architektur, die Strukturfonds der EU verwalten, sondern die Einzelstaaten.

Offene Nationalisierung

Die Union schlägt ja vor, die bisherige regionale Verwaltung der EU-Struktur- und Kohäsionspolitik (die Politik des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts) den Staaten zu übertragen. Ein krasser Versuch, die Regionen als Mitgestaltende endgültig auszuhebeln. Regionen, die in vielen Fällen auch Siedlungsgebiete sprachlicher und nationaler Minderheiten sind. Nutznießer dieser Entregionalisierung sind die Mitgliedsstaaten.

Die Kommission will die bisherigen 530 Programme — von der Kohäsions- bis zur Agrarpolitik — in einem einzigen Fonds zusammenlegen. Vorbild dafür ist der Recovery Fund zum Wiederaufbau nach der Corona-Pandemie. Dieser Recovery Fund wird von den Staaten verwaltet, zentralistisch, die Regionen werden zu Bittstellern degradiert.

Die verschiedenen Struktur- und Kohäsionsfonds — bisher meist erfolgreich regional verwaltet und gemanagt — werden zu Instrumenten der Mitgliedsstaaten. Von wegen Europa der Regionen, Regionen als dritte EU-Ebene, Europa von unten.

Regionaler Widerstand

Inzwischen formiert sich regionaler Widerstand. Der Ausschuss der Regionen, ein nur beratendes Gremium, von der Kommission selten zur Kenntnis genommen, kritisierte die geplante Zentralisierung heftig. Die Erfahrungen mit dem Corona-Aufbaufonds schrecken ab, sagen Regionalpolitiker. Diese zentralisierten Fonds sind bürokratische Monster. Regionale Belange wurden nicht zur Kenntnis genommen.

Die Autonome Provinz Bozen – Südtirol und die Autonome Region Friaul-Julisch-Venetien in Italien übten heftige Kritik an den Kommissionsplänen. Der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) würdigte die Kohäsionspolitik als ein wichtiges Instrument, um Ungleichheiten zu beheben: »Die Regionen wissen am besten, wo Handlungsbedarf besteht. Die Erfahrung mit dem staatlichen Wiederaufbaufonds hat gezeigt, dass eine zentrale Umsetzung weniger erfolgreich ist.« Die Regionen wollen weiterhin eine tragende Rolle in der Kohäsionspolitik der EU spielen, sagte Kompatscher.

Laut Kompatscher geht es bei dieser Debatte nicht nur um die Strukturfonds, sondern um die regionale EU: »Wir brauchen ein Europa der Regionen — kein Europa der Ministerien.« Die regionalen Politiker befürchten, dass eine zentralisierte Verwaltung die lokalen Bedürfnisse ignorieren könnte.

In einem Schreiben der Regionalpolitiker aus Italien an die Kommission heißt es, dass es keinen Sinn macht, Gesamtpläne für ganze Staaten zu erstellen. Sinnvoller sei es, weiterhin auf die spezifischen Bedürfnisse der Regionen einzugehen. Konkretes Beispiel: Die Region Basilikata in Süditalien hat andere Anforderungen als Südtirol im Alpenraum. Mit den aktuellen EU-Plänen entfernt sich Europa noch weiter von seinen Bürgerinnen und Bürgern, befürchten die regionalen Regierungschefs.

Protest der Minderheitenparteien

Die Fraktion der Nationalitätenparteien, die Europäische Freie Allianz (EFA), unterstützt den regionalen Protest. Mit der geplanten Zentralisierung werden die regionalen Zuwendungen gekürzt, zugunsten der Mitgliedsstaaten. Die Kommission drehe offensichtlich die Zeit zurück, stellt die EFA-Fraktion fest, die angestrebte Renationalisierung gefährde das europäische Projekt.

Die Zentralisierung ist laut EFA bereits jetzt spürbar. Verwalten Mitgliedsstaaten EU-Mittel, wird einseitig umverteilt, kritisieren die EFA-Parteien. Der Vergleich zwischen den Ergebnissen des Kohäsionsfonds, der direkt an die Regionen vergeben wird und der verstaatlichten EU-Fonds verdeutlich die EFA-Kritik: »Regionen, die mit der staatlichen Regierungspartei verbündet sind, profitieren von einer höheren finanziellen Zuweisung, während die Regionen, die gegen die Zentralregierung sind, den Preis dafür zahlen.« Betroffen davon sind Minderheitenregionen, die von regionalen Minderheitenparteien regiert werden.

Regionale Programme sind europäische Projekte

Für die Europäische Freie Allianz sind die regionalen Programme tatsächlich europäische Projekte, die sich am stärksten auf das Leben der Bürgerinnen und Bürger auswirken. Und die Kohäsionsprojekte sind eine der Säulen des europäischen Aufbauwerks und einer der Hauptgründe, warum sich Regionen mit diesem politischen Projekt verbunden fühlen.

Die EFA bekennt sich zur Europäischen Union, zum Europa der Regionen, gegen das Kartell der Vaterländer: »Wir können nicht zu einem Europa zurückkehren, das auf den Interessen der Staaten basiert. Die EU ist viel mehr. Es ist ein Projekt, das alle Europäerinnen und Europäer einbezieht und ihnen dient: ein Europa für alle Regionen.«

Die Selbstdemontage hat begonnen

Die Union ist derzeit dabei, sich selbst zu demontieren. Einige Mitgliedsstaaten sind besonders engagiert mit dabei, wie der eifrige ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán. Er bastelt an einer antiukrainischen Allianz mit der Slowakei des Robert Fico und mit Tschechien von Andrej Babis. Drei ausgewiesene Gegner der EU.

Orbán hofft auf einen Wahlsieg seines freiheitlichen österreichischen Freundes Herbert Kickl, der beste Aussichten hat, bei den nächsten Wahlen »Volkskanzler« zu werden. Als solcher wird er dann seine »Volksrepublik Österreich« — seine »Festung Österreich« — in diese Orbán-Allianz einbringen. Eine Wiederauflage des Vielvölkerstaates Habsburg, nur deutlich reaktionärer und als Vorhof Russlands.

Kippt Frankreich nach der Präsidentschaftswahl 2027 nach rechts und Deutschland 2029 ebenso, wird es diese EU nicht mehr geben. Nur mehr Vaterländer, die keine Rücksicht auf Regionen und Minderheiten nehmen. Die entsprechenden Vorarbeiten leistet die amtierende EU-Kommission.


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