Im Jahr 2010 hat das Quality of Government Institute der Universität Göteborg für die Europäische Kommission eine Studie über die »Regierungsqualität« (Quality of Government, fortan QoG) in 172 Regionen der EU erstellt. Über 33.000 Personen beantworteten dafür Fragen zu drei Verwaltungsbereichen, die am häufigsten in die regionalen Verantwortung fallen: Bildungssystem, Gesundheitssytem und Polizei. Sie wurden gebeten, die jeweiligen öffentlichen Dienste in Hinblick auf Qualität, Unparteilichkeit und Korruption zu bewerten. Außerdem wurden Fragen zur Gerechtigkeit von Regionalwahlen und zur Stärke und Effektivität von regionalen Medien gestellt.
Laut QoG-Institut sind für »Good Governance« vertrauenswürdige, zuverlässige, unparteiliche, nicht korrupte und kompetente Institutionen erforderlich. In der Studie wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass QoG nicht mit Demokratie gleichzusetzen sei, wenngleich eine ausgeprägte Demokratie zu den Voraussetzungen für ein höheres QoG-Niveau gehöre.
Südtirol gehört laut dieser Studie bezüglich QoG zu den oberen 10% der EU-Regionen und hebt sich gemeinsam mit Aosta und Trient deutlich von den restlichen Regionen Italiens ab.
Unter den Faktoren, die laut dieser Studie eine gute QoG-Performance fördern, befinden sich zwei besonders interessante:
- die regionale Selbstverwaltung und
- die ethnische Vielfalt.
Gerade Italien sei ein gutes Beispiel für eine bessere QoG in den Regionen mit einem höheren Maß an Selbstverwaltung, und dies, obschon zwei der fünf Regionen mit Sonderstatut (Sardinien und Sizilien) eher mäßig abschnitten. Selbstverwaltung biete die Möglichkeit, Dienstleistungen auf die örtlichen Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger maßzuschneidern sowie geeignete Einstellungskriterien für öffentlich Bedienstete zu etablieren. Ein Schlüsselfaktor sei jedoch, dass auf regionaler Ebene die Verantwortlichkeiten klarer und für die Einzelnen nachvollziehbarer seien.
Häufig werde behauptet, dass kulturelle Homogenität das Zusammengehörigkeitsgefühl stärke sowie gesellschaftliche Interaktionen erleichtere, während Fragmentierung zu einem geringeren QoG-Niveau führe. Dies werde jedoch vom guten Abschneiden der Regionen Nordwest (Rumänien), Südwest (Tschechien) und Südtirol konterkariert. Langfristig steigere ethnische Vielfalt die Toleranz und die Zusammenarbeit unter verschiedenen Sprachgruppen.
Ein weiterer Faktor zur Verbesserung von QoG ist die Meritokratie — und auch in dieser Hinsicht schneidet Südtirol sehr gut ab. Eines der quantitativen Indizien für Meritokratie sei der Anteil weiblicher Angestellter in öffentlichen Verwaltungen, da Seilschaften dazu tendieren, männlich dominiert zu sein. In Südtirol sei die Geschlechterquote jedoch sehr ausgewogen.
Betrachtet man nur die regionalen Ergebnisse (Grafik oben), gehört Südtirol zu den Regionen mit den besten QoG-Werten überhaupt. Kreuzt man sie mit den gesamtstaatlichen Werten (Grafik unten), fällt unser Land weiter zurück — hebt sich aber weiterhin deutlich vom restlichen Staatsgebiet ab.
Italien versucht gerade, seine Werte durch mehr Zentralisierung in den Griff zu bekommen. Damit geht die Entwicklung in die entgegengesetzte Richtung, als die Ergebnisse der QoG-Studie empfehlen würden. Auch Südtirol wird diesen Ansatz mit Sicherheit zu spüren bekommen. Es ist durchaus vorstellbar, dass etwa die Bewertung des Gesundheitssystems (besonders in den ländlichen Bezirken) schon heute schlechter ausfallen würde, als 2010.
Grafiken: QoG Institute – Universität Göteborg.
7 replies on “Quality of Government und Südtirol.”
Wie ist das schlechte abschneiden Kataloniens zu erklären?
dunno
Dazu fällt mir eine Episode aus »Wir sind Kaiser« ein… Strache zu Gast… sinngemäße Widergabe:
Kaiser: Seifenstein, auf welchem Platz liegt Wien bei der Lebensqualität?
Seifenstein: Platz eins, Eure Majestät, Platz eins weltweit!
Kaiser: (an Strache gewandt) Und das will Er ändern??
— Man ersetze »Wien« mit »Südtirol« und »Strache« mit »Italien«… ;)
Wobei das ganze Oberitalien nicht so schlecht dran ist, wie man meinen könnte – man vergleiche z.B. die entsprechenden Erhebungen mit den Werten für Bayern.
Auffällig ist auch das wesentlich schlechtere Abschneiden der gleichen Regionen auf der unteren Grafik. Katalonien bleibt mir auch ein Rätsel.
Na dann:
Friede, Freude, Eierkuchen oder was?
Aber:
#Makroregionen
Was genau meint bbd mit dem Thema der Zentralisierung?
Eine Verwaltungsreform mit Abbau von Zwischeninstanzen wie es Povinzen italienweit eben sind, ist noch nicht zwangsläufig eine Zentralisierung. Im Gegenteil könnte eine solche Reform doch die Subsidiarität stärken.
Siehe:
http://salto.bz/article/30102015/triveneto-oder-aufraeumen
http://www.comunicatistampa.net/il-riordino-territoriale-dellitalia/
Das Paradox an einer Föderalisierung ohne finanziellen Ausgleich ist eine weitere Zunahme der Marginalisierung der wirtschaftlich schwachen Peripherie. Und dies ist die Ursache für innereuropäische Migrationsströme z.B. Kosovo, Mazedonien, Serbien. Ein Ausweg aus diesem Dilemma könnte sein, dass das Mailänder Abkommen als innereuropäisches Modell für staatlichen Ausgleich zwischen europäischem Norden und Süden (Osten) dient.
http://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-642-95891-5_8
Die Südtiroler Unabhängigkeitslinken müssen sich fragen ob sie trotz Anbiederung an Bourgeoisie und ethnizistischem Mainstream dazu beitragen die rechte Hegemonie in Europa zu brechen.
Siehe:
http://www.woz.ch/1542/linker-nationalismus/von-links-zur-unabhaengigkeit-ein-widerspruch-in-sich
Wo? Bitte erklären…
Diesen Passus möchte ich übrigens noch einmal gesondert hervorheben:
Die Polizei gehört also (laut QoG-Institut) zu den Bereichen, die am häufigsten von den Regionen verwaltet werden — aber in Südtirol, dem Vorzeigeüberdrübermodell für Selbstverwaltung ist dies seit Jahren undenkbar, geschweige denn umsetzbar.