Bei den Wahlen vom Sonntag wurde Alessandra Todde von der russlandfreundlichen Fünfsternebewegung (5SB) zur neuen Präsidentin der Region Sardinien gewählt. Sie war bis Ende letzten Jahres stellvertretende Parteivorsitzende auf gesamtstaatlicher Ebene und wurde unter anderem vom PD und einer Allianz aus Grünen und Linken unterstützt. Bei über 750.000 Wählenden konnte sie sich mit einer hauchdünnen Mehrheit von weniger als 3.000 Stimmen gegen ihren Hauptkontrahenten Paolo Truzzu (FdI) durchsetzen, der erst wenige Wochen zuvor zum Kandidaten der Rechten gekürt worden war.
Während aber Todde mehr Stimmen als Truzzu erhielt, wählten 48,9% die Rechts- und nur 42,6% die Mittelinkskoalition.
Weit abgeschlagen an dritter Stelle landete der ehemalige Regionspräsident (2004-2009) von Mittelinks, Tiscali-Gründer Renato Soru, der mit einem Bündnis aus autonomistischen und sezessionistischen Parteien sowie +Europa und Rifondazione Comunista zur Wahl angetreten war. Auch einige PD-Mitglieder unterstützten seine Kandidatur gegen jene von Todde.
Das sardische Wahlgesetz war vor gut zehn Jahren ad hoc verändert worden, um einen Erfolg von Michela Murgia möglichst zu erschweren und hat auch diesmal seine Wirkung nicht verfehlt: Mit 8% der Stimmen geht an das Bündnis von Soru kein einziger Regionalabgeordneter.
Shaming
Selbst von linksliberalen Medien wie la Repubblica wurde Soru zudem gemobbt, weil er sich erlaubt hatte, bei Wahlveranstaltungen auch auf Sardisch zu sprechen. Am 19. Dezember 2023 etwa erschien in dem römischen Blatt ein Beitrag, in dem unter anderem kritisiert wird, dass der Inhalt einer halbstündigen Rede vom 16. September unverständlich gewesen sei, bis einige — Achtung: — »indigene« Journalisten eine Übersetzung geliefert hätten. Im Interview mit dem staatsweiten Blatt habe er dann aber immerhin Italienisch gesprochen, wird zufrieden vermerkt. Doch Soru wurde von Repubblica natürlich mit dem schwerwiegenden Vorwurf konfrontiert, und er rechtfertigt sich: Ein Vorredner habe ihn herausgefordert, Sardisch zu sprechen. Dass Mitarbeiterinnen, die aus Sardinien berichten, Sardisch wenigstens passiv beherrschen sollten, auf diese Idee kommt bei Repubblica offenbar niemand. Minderheitensprachen sind dazu da, offensiv marginalisiert zu werden: da ist man sich so sicher, dass die Sprachwahl sogar öffentlich thematisiert und problematisiert wird. Natürlich muss sich hingegen niemals rechtfertigen, wer die ohnehin über jedes Maß privilegierte Staatssprache spricht — und das in einem Land, das sich minderheitenfreundlich schimpft.
Auch Präsidentin Todde gibt an, Sardisch zu beherrschen. Auf die Idee, es in der Öffentlichkeit zu sprechen, sollte sie aber nicht kommen, wenn sie nicht beschimpft werden möchte.
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