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Antisimmatismus.
Krasse antisemitische Bildsprache auf Salto

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Kürzlich ist in der Reihe “Simmantics” des Salto-Zeichners Benno Simma folgende “Karikatur” erschienen, die US-Präsident Donald Trump und den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu als blutsaugende Vampire zeigt. Der Text ist eine Anspielung darauf, dass Netanjahu ausgerechnet Trump für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen hat.

Benno Simma auf Salto – Querbalken von mir

Im Zuge der mehr als berechtigten Kritik an Israels Vorgehen gegen die Palästinenser und an der israelischen Regierung brechen offenbar nun alle Dämme und Menschen, die Humanität für Gaza fordern, strapazieren gleichzeitig die abscheulichsten antisemitischen Stereotype: Juden als blutsaugende, entmenschlichte Parasiten gepaart mit der Ritualmordlegende.

Der Vorwurf, wonach Juden (christliche) Kinder ermorden würden, um deren Blut für rituelle Zwecke zu gebrauchen, wurzelt im christlichen Antijudaismus der Spätantike und des frühen Mittelalters. Mit der Legende um den Ritualmord am 12-jährigen William von Norwich verbreitete sich die so genannte Blutlüge über ganz Europa. Über die Jahrhunderte entstanden durch antijüdische Propaganda die absurdesten Geschichten, die bis in die heutige Zeit wirken und die Grundlage für Verschwörungstheorien wie jene vom Weltjudentum bilden. Mit dem Kult um das Anderle von Rinn (welcher erst 1994 endgültig durch Bischof Reinhold Stecher abgedreht wurde) und der ehemaligen Märtyrerverehrung des Simon von Trient – einer der langlebigsten Ritualmordlegenden überhaupt – gibt es auch im historischen Tirol prominente Beispiele für diesen tief in der Bevölkerung verwurzelten Judenhass, der unter den Nationalsozialisten im Holocaust gipfelte. 

Antisemitische NS-Propaganda – Der Jude als Vampir: Obige Zeichnung stammt laut Signatur im Bild rechts oben (Fips) von Philipp Rupprecht und ist höchstwahrscheinlich im NS-Hetzblatt “Der Stürmer” erschienen, dessen Hauptzeichner Rupprecht war. – Querbalken von mir

Auch heute noch bedienen sich extremistische Gruppen wie Neonazis und Islamisten obiger antisemitischer Symbolik. Verschwörungstheorien wie QAnon und Pizza Gate, die an die Existenz unterirdischer Kinderfarmen glauben, in denen im Geheimen agierende Eliten den Kindern Blut für die Gewinnung von Adrenochrom zum Zwecke der Verjüngung abzapfen, sind die moderne antisemitische Fortsetzung der mittelalterlichen Ritualmordlegende.

Und natürlich greifen auch palästinensische Extremisten wie die Hamas das Motiv des diabolischen, blutsaugenden, kindermordenden jüdischen Vampirs auf.

Propaganda-Show der Hamas bei der Übergabe getöteter israelischer Geiseln – Querbalken von mir

Dass derlei antisemitischer Schund auch bei vermeintlich progressiven Medien wie Salto verfängt, ist erstaunlich bis erschreckend. Dass es gar zu einem Verfahren vor der Journalistenkammer kommt, wage ich angesichts des laxen Umgangs mit rassistischer Hetze hierzulande zu bezweifeln. Ich lasse mich aber gerne eines Besseren belehren.

Cëla enghe: 01 02 03 04 || 01



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18 responses to “Antisimmatismus.
Krasse antisemitische Bildsprache auf Salto

  1. Hartmuth Staffler avatar
    Hartmuth Staffler

    Antisemitismus ist in Südtiroler Medien leider ein immer wieder in Erscheinung tretendes Übel. In meinem Büchlein “Krummstab und Krummnase – der christlichsoziale Antisemitismus in Tirol am Beispiel der “Brixener Chronik” habe ich das geschildert und auch auf das verhängnisvolle Wirken des Piusvereins hingewiesen, der sich dem “Kampf gegen die Judenpresse” gewidmet hat und in Brixen vor dem Ersten Weltkrieg mit mehr als 600 Mitgliedern seine Tiroler Hochburg hatte. Der Nachfolger des damaligen katholischen Pressvereins, der das antisemitische Hetzblatt “Brixener Chronik” veröffentlich hat, hat sich davon nie distanziert. Zum Thema passt auch, dass Alcide Degasperi und sein väterlicher Freund Celestini Endrici, den Degasperi mit geschickter Lobbyarbeit in Wien gegen den Widerstand des Domkapitels auf den Bischofsthron von Trient gebracht hat, glühende Antisemiten waren und das Simmerle von Trient hoch verehrt haben. Degasperi hat sogar an seinem Studienort Wien Vorträge über den “heiligen” Simonino gehalten. Für Kunstinteressierte ein kleiner Tipp: In das Gewölbe der Pfarrkirche von Sarns hat Heinrich Kluibenschädel im Jahr 1878 das Anderle von Rinn und das Simmerle von Trient gemalt, die noch im Kirchenführer von 1984 allen Ernstes als “Tiroler Volksheilige” bezeichnet wurden. Anstatt sich mit dieser Vergangenheit auseinanderzusetzen, hat man es in Südtirol vorgezogen, nach dem Motto “lei net rogln” den Mantel des Schweigens darüber auszubreiten. Unter diesem Mantel schwelt aber weiterhin ein latenter Antisemitismus.

    1. Lorenz Winkler avatar
      Lorenz Winkler

      Danke für diese Ausführung. Ich hab den Buchtitel grad in der Unibibliothek Innsbruck und auf Amazon gesucht, da steht es sei in Italienisch verfasst. Stimmt das?

      1. Hartmuth Staffler avatar
        Hartmuth Staffler

        Das Buch ist in deutscher Sprache erschienen, und zwar bei Weger in Brixen, ISBN 88-88910-01-8. Die unsinnigen ISBN-Regeln führen manchmal zu Missverständnissen, weil Bücher, die in Italien erscheinen, eine italienische ISBN-Nummer erhalten müssen.

  2. Christoph Franceschini avatar
    Christoph Franceschini

    Lieber Simon Constantini, die Rolle des moralischen Sittenwächters ist nicht immer einfach. Und ich bin mit Dir einverstanden, dass man über diese Karikatur durchaus kontrovers diskutieren kann. Aber Benno Simma hier plumpen Antisemitismus vorzuwerfen, ist niederträchtig.
    Benno Simma hat in seinem Leben mehr für das friedliche Zusammenleben, dem alternativen und anderen Südtirol und die Entwicklung Südtirols zu einer freien, toleranten Gesellschaft getan, als es dieser Blog je imstande sein wird.
    Karikaturen müssen überspitzt sein, wehtun, ja, auch auf Stereotype zurückgreifen. Sie müssen und sollen die Menschen zum Nachdenken bringen, auch zur Widerrede.
    Nach dem andauernden Genozid in Gaza, bei dem die Welt nur zuschaut, nach dem täglichen Horror, dem bewussten Außerkraftsetzen aller Regeln des Völker- und Menschenrechts durch Israels Regierung in diesem Konflikt, ist es mehr als nur Hohn, dass ein vom Internationalen Strafgerichtshof zur Fahndung ausgeschriebener Kriegsverbrecher auch noch hergeht und einen seiner wichtigsten Mittäter ernsthaft für den Friedens-Nobelpreis vorschlägt.
    Darüber sollte man sich empören und nicht über die Zeichnung meines Freundes Benno. Das Duo als blutrünstige Vampire darzustellen, ist nach meinem Empfinden sogar noch eine schmeichelhafte Zuschreibung. Hier geht es keinesfalls darum, die schlimmsten antisemitischen Klischees zu bedienen oder gar den rassistischen Wahn der Nazis zu imitieren. Es geht um zwei mächtige Männer, die zur Rechenschaft gezogen werden sollen. Personifiziert auf zwei Männer unterschiedlicher Konfessionen.
    Es geht weder um Israelis noch um Juden. Das kommt in dieser Karikatur klar zum Ausdruck.
    Wer anderes sehen will, muss schon eine sehr schlechte Fantasie haben oder böse, besserwisserische Absichten. Vielleicht auch beides.

    1. Simon avatar

      Lieber Christoph Franceschini, ich bin mit obigem Beitrag zwar zu hundert Prozent einverstanden, aber er ist von Harald Knoflach und nicht von mir.

      Inhaltlich lasse ich ihn auf deine Stellungnahme antworten, falls er das möchte, auch weil er es — speziell bei diesem Thema — tausendmal besser kann als ich.

    2. Wolfgang Mayr avatar
      Wolfgang Mayr

      Offensichtlich hat Christoph den BBD-Artikel “Antisimmatismus” nicht aufmerksam gelesen. Er macht Simon dafür “verantwortlich”. Der “Übeltäter” und der “moralische Sittenwächter” war aber Harald Knoflach. Was der sich da erlaubt! Dieser zeigt die Ähnlichkeiten der Karikaturen auf, von Benno Simma, aus dem “Stürmer” und der Hamas. Die Ähnlichkeiten sind frappierend. Das war der thematische Inhalt der Kritik von Knoflach an Benno Simma. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Zweifelsohne ist Benno Simma eine herausragende Südtiroler Persönlichkeit, aber ist deshalb Kritik nicht erlaubt? Noch einmal, die Karikaturen ähneln sich. Und Christoph wiederholt die Hamas-These, des Genozids in Gaza. Kriegsverbrechen zweifelsohne, ja, Genozid nein. Es gibt schätzungsweise mehr als 14 Millionen Palästinenser, im Westjordanland und in Gaza fast vier Millionen. In Israel leben 9,7 Millionen Menschen, 1,2 Millionen davon sind “arabische Israelis”, Palästinenser. Genozid? Während in Israel arabische Bürger leben, gibt es in keinem arabischen Land mehr alteingesessene Juden. Wie auch immer Harald, lass dir keine “schlechte Fantasie”, “böse” oder “besserwisserische Absichten” unterstellen.

      1. Harald Knoflach avatar
        Harald Knoflach

        Präzisierung:
        laut aktuellen Statistiken leben bereits über 2 Millionen Araber in Israel.
        https://www.cbs.gov.il/he/publications/doclib/2024/yarhon0724/b1.pdf

        Dazu 2,4 Millionen in Gaza und 3,4 Millionen im Westjordanland. Also in den palästinensischen Gebieten insgesamt 5,8 Millionen.
        https://www.pcbs.gov.ps/statisticsIndicatorsTables.aspx?lang=en&table_id=676

      2. Valentino Liberto avatar
        Valentino Liberto

        @Harald Knoflach
        Auf der Website des Palestinian Central Bureau of Statistics hast du das Sternchen übersehen:

        *Population estimates were prepared before the Israeli aggression against Gaza Strip on October 7th, 2023. As a result of the aggression, and considering the increasing number of martyrs and missing persons, and the number of those who left Gaza Strip in addition to the decrease in the number of births, population estimates indicate a decrease in the population of Gaza Strip to (2,129,724) persons, a decrease of 6% from what was estimated for mid 2024. The population of Gaza Strip also decreased to (2,114,301) persons, a decrease of 10% from what was estimated for mid 2025.

        Laut dem neuesten Bericht vom UN-Büro für humanitäre Hilfe (OCHA) liegt die Zahl der palästinensischen Todesopfer in Gaza seit dem 7. Oktober bei rund 58.000.

        @Wolfgang Mayr
        Die 8.000 Toten von Srebrenica werden als Genozid anerkannt – obwohl die bosniakische Bevölkerung in Bosnien-Herzegowina, mit über einer Million Menschen, nicht ausgelöscht wurde.

      3. Harald Knoflach avatar
        Harald Knoflach

        @Valentino
        Danke für den Hinweis. Dann sind es offenbar 2,1 Mio. Zuzüglich der 3,4 in der Westbank sind wir bei 5,5 Mio.

        Du hast völlig Recht, was die Zahl der Opfer angeht. Laut UN-Völkermordkonvention ist die Zahl irrelevant. Wenn ich das richtig verstehe, kann sogar die Tötung weniger Menschen Völkermord sein.
        Das wichtigste Kriterium ist die Intention – sprich, dass eine teilweise oder vollständige Vernichtung mit genau dieser Absicht erfolgt.
        Sowohl der Terrorangriff am 7. Oktober als auch das militärische Vorgehen Israels in Gaza erfüllen Merkmale der Völkermordkonvention.
        Im Moment gibt es aber keine juridische Entscheidung, ob es sich bei den beiden Ereignissen um Völkermord, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit handelt. Jedenfalls ist der Haftbefehl gegen Netanjahu mit Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begründet, nicht mit Völkermord.

      4. Harald Knoflach avatar
        Harald Knoflach

        Population estimates were prepared before the Israeli aggression against Gaza Strip on October 7th, 2023. As a result of the aggression, and considering the increasing number of martyrs and missing persons,

        Wobei dieser Satz schon übelste Propaganda ist. Weil am 7. Oktober 2023 ist ja nichts anderes passiert als die “Israeli aggression against Gaza Strip” und alle Toten – egal ob Terroristen oder Zivilisten – sind Märtyrer.

      5. Wolfgang Mayr avatar
        Wolfgang Mayr

        Harald hat auf deinen Einwand, @valentino, bereits reagiert. Es gab im serbischen Krieg gegen die Bosniaken nicht nur die Ermordeten von Srebrenica. Mehr als 100.000 Menschen starben, 25.000 bosniakische Frauen wurden vergewaltigt, mehr als zwei Millionen Menschen flohen oder wurden “ethnisch gesäubert”.

      6. Simon avatar

        Die Frage, ob es sich bei den israelischen Kriegsverbrechen in Gaza um einen Genozid handelt, ist eine höchst komplexe und vielschichtige. Ob es sich lohnt, sie hier zu erörtern? Nach meinem Dafürhalten ist sie ja für die Einstufung oder Nichteinstufung der Karikatur von Benno Simma als antisemitisch irrelevant.

        (Irrelevant in dem Sinne, dass die Karikatur auch dann nicht besser wird, wenn Israel in Gaza einen Genozid begeht.)

    3. Martin Brugger avatar
      Martin Brugger

      Lieber Christoph! Der Umstand, dass du dich deinen Freunden gegenüber einmal befangen fühlst oder sie ein andermal – so wie in diesem Fall – in Schutz nimmst, spricht absolut für dich, keine Frage! Bitte nimm also die folgenden Ausführungen nicht persönlich.

      Gerade unter “Freunden”, wie du schreibst, sollte man sich schon sagen können, wenn Verirrungen im Spiel sind, die zudem öffentlich gemacht werden. Beste Freunde nehmen sich in solchen Fällen gegenseitig ins Gebet, das muss eine Freundschaft aushalten, selbst wenn man dem “alter Ego” damit weh tut und sei es, dass die Freundschaft daran zerbricht oder im besten Fall noch mehr festigt.

      Weist man gute Freunde nicht auf Verirrungen hin, dann lässt man sie irgendwie “im Regen” stehen und sollte sich dann nicht darüber wundern, wenn sie von anderer Seite ebenso offen angesprochen und beanstandet werden.

      Es geht um die Symbolik, die von besagter Zeichnung ausgeht und die Beanstandung hat wirklich nichts mit
      moralischer Sitten-Wächterei gemein. Nicht nur, dass sich solche Symbolik menschenverachtende Systeme und politische Parteien für ihre Ziele zu eigen machen und diese für sich vereinnahmen, nein, nein… noch viel schlimmer: sie lassen die Leser und uns als Gesellschaft insgesamt abstumpfen, sodass man beinahe gewillt wäre zu sagen: “Ja, aber… es ist ja nur eine Zeichnung… was soll denn daran so schlimm sein…? Das kann doch nur von diesem – wie auch immer gearteten “versifften Gesindel” kommen, oder?

      Die Antwort darauf ist: nein, es ist deshalb schlimm, weil die viel zitierte “rote Linie” überschritten wird. Überzogen? Mitnichten, vor allem wenn solche Symbole wie es so oft der Fall ist unbedacht bedient werden.

      Das passiert zuweilen, wenn etwa E-Mails vorschnell, zum Beispiel aus Groll oder zur eigenen Belustigung verschickt werden: man sollte eine Nacht überschlafen, bevor man sie versendet (ich nehme mich aber nicht aus, mir passiert das auch zuweilen, wenn ich “vom Leder” ziehe).

      Ich möchte dem Autor dieser Zeichnung wirklich nichts unterstellen und ihn in keiner Weise “vorführen”, im Gegenteil. Vielmehr gebührt ihm der Dank dafür, dass darüber offen diskutiert werden kann, denn eine Diskussion ist hierzulande schon lange fällig – oder um es in Abänderung der letzten Strophe aus der “Legende der Entstehung des Buches Taoteking auf dem Weg des Laotse in die Emigration” von Bert Brecht auszudrücken, der mir dazu gerade einfällt:

      …Aber rühmen wir nicht nur den Weisen (Knoflach), dessen Name unter dem “Posting” prangt!
      Denn man muss dem Weisen seine Weisheit erst entreißen. Darum sei Simma auch bedankt:
      Er hat es ihm abverlangt…

      An dieser Stelle sei ein Kapitel aus der Geschichte längst vergessenen Zeiten aufgeschlagen (auch wenn man einen noch weiteren Bogen spannen könnte, um unzählige Beispiele anzuführen, wie tief die Vorbehalte und der “Judenhass” wurzelt), der erst seit 1879 mit der Bezeichnung “Antisemitismus” umrissen wird.

      Im Jahr 1564 förderte der zweite Sohn von Kaiser Ferdinand I. und Bruder von Maximilian II., Erzherzog Ferdinand II, als Landesfürst von Tirol die katholische Gegenreformation in seinen Verwaltungsgebieten.
      Er erließ eine neue Landesordnung, die vorwiegend Strafangelegenheiten regelte; seine Polizeiordnung von 1573 sah vor, dass in Bozen wohnhafte Juden und durchreisende Juden ein Kennzeichen tragen mussten, um die Einhebung des Leibzolles zu erleichtern: einer Geleitsabgabe, die Juden beim Überschreiten einer Zollgrenze für ihren persönlichen Schutz und ihre Unversehrtheit entrichten mussten. Das Judensymbol bestand… aus einem gelben, kreisrunden Stück Stoff…

      Zuletzt: die regierende Koalition im Land hat sich in einer Sackgasse verfangen, einem “Gefangenen-dilemma”: man möchte sich da ja gerne hinausmanövrieren, aber unsere führenden Politiker scheinen von der Angst beseelt zu sein, ihr Gesicht zu verlieren wenn sie eine Kehrtwende machen. Ist das wirklich so? Mitnichten! Ein großer Seufzer würde durch das ganze Land gehen und der Landeshauptmann würde gefeiert werden wie ein Held!

    4. Harald Knoflach avatar
      Harald Knoflach

      Hallo Christoph,

      es geht in meinem Artikel nicht darum, dass ich kritisiere, dass Simma Netanjahu kritisiert – mitunter auch scharf. Das wäre völlig legitim.
      Auch bin ich der Meinung, dass auch verdienstvolle Personen nicht über jede Kritik erhaben sind und Fehler machen können, auf die man hinweisen darf.
      Ich gebe dir auch recht, dass eine Karikatur provozieren darf und soll.
      Doch jetzt kommt das aber. Ich bin in der Ära Waldheim in Österreich aufgewachsen und habe – im Unterschied zu Südtirol bzw. Italien – einen ernsthaften Prozess der Geschichtsaufarbeitung in Bezug auf den Holocaust und den Antisemitismus, der diesen hervorgebracht hat, mitgemacht.
      Diese Karikatur stellt eine Grenzüberschreitung dar, die meines Erachtens anderswo nicht geduldet werden und einen Aufschrei in der Medienlandschaft und Wissenschaftscommunity hervorrufen würde.

      (Beispielsweise hat eine wesentlich harmlosere, wenngleich stereotypisierende Darstellung Netanjahus dem langjährigen Karikaturisten der SZ, Dieter Hanitzsch, den Job gekostet.
      https://www.dw.com/de/wirbel-um-nethanjahu-karikatur-zeichner-entlassen/a-43821233
      Wobei der Deutsche Presserat hinsichtlich dieser Karikatur keine Rüge aussprach: https://www.presserat.de/presse-nachrichten-details/netanjahu-karikatur-in-der-s%C3%BCddeutschen-zeitung-von-der-meinungsfreiheit-gedeckt.html)

      Akkurat die Darstellung von Juden als entmenschlichte, blutsaugende, parasitäre Kindermörder ist jedoch dermaßen historisch vorbelastet und wird heute nach wie vor von extremistischen Gruppen (Neonazis, Islamisten, Verschwörungstheoretiker) ernsthaft reproduziert (wie auch meine Beispiele belegen), dass es – euphemistisch ausgedrückt – nicht gerade schlau ist, sich diese Darstellungsweise zu eigen zu machen. Den Regierungschef des einzig mehrheitlich jüdischen Staates (ungeachtet dessen, ob es einen Haftbefehl gegen ihn gibt oder nicht) vor diesem Hintergrund als blutsaugenden Vampir darzustellen, bedient zweifelsfrei zutiefst antisemitische Klischees und hat meines Erachtens nichts mehr mit diskutierenswerter Provokation zu tun.

  3. Harald Knoflach avatar
    Harald Knoflach

    Dass in einer Karikatur Körperteile überzeichnet werden, um den Gezeichneten hässlich erscheinen zu lassen, liegt in der Tradition des Genres. Doch die lange Wirkungsgeschichte der
    Judenfeindschaft, in der ein rassistisch argumentierendes Feindbild auf das religiöse
    aufsattelte, macht es problematisch, wenn in Karikaturen auf die Überzeichnung von
    Körperteilen zurückgegriffen wird, die in der antisemitischen Weltsicht physiognomische
    Kennzeichen von Juden sind.

    Im Grunde gibt es ein paar einfache Regeln: Möchte man israelische Politiker*innen oder
    Repräsentant*innen karikieren, sollten ihr Körper und ihre Gesichtszüge nicht nur keine übergroßen Nasen haben, sondern auch keine anderen klassisch antisemitischen Körpermerkmale aufweisen.

    aus “Antisemitismus in der zeitgenössischen Karikatur. Das Beispiel der Netanjahu/Netta Zeichnung in der „Süddeutschen Zeitung“” von Isabel Enzenbach, Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung (Quelle)

  4. Harald Knoflach avatar
    Harald Knoflach

    Kunsthistoriker Jürgen Müller, Kurator der Ausstellung zu “100 Jahre Nosferatu”, interpretiert den Film-Vampir als Wiedergänger der unheilbringenden antisemitischen Figur des “Ewigen Juden”: Er stehe für Wanderschaft, Unreinheit, Verborgenheit. “Mit dem Antisemitismus der Weimarer Zeit geht eine Metaphorik des Vampirismus einher”, schreibt Müller, “in der vom deutschen Volkskörper die Rede ist, der durch ausländische Parasiten ausgesaugt werde”.

    https://www.rbb24.de/kultur/beitrag/2022/12/berlin-nosferatu-film-vampir-100-jahre-ausstellung-murnau.html

    Doch im Verlauf der Ausbreitung der Legende in Europa wurde die angebliche jüdische Mordlust immer mehr mit ihrer Gier nach Blut begründet. […] In Passionsspielen wurden die teuflischen Juden alljährlich vorgeführt, und die Mär vom geldbesessenen, blutgierigen Juden entwickelte sich weiter.

    https://www.swissinfo.ch/ger/kultur/das-christliche-europa-schuf-den-judenhass-im-mittelalter/47755110

    Schweineköpfe sind wie Bluttrinker die ältesten antisemitischen Beleidigungen und Stereotypen. […] Schwein und Vampir haben nichts mit dem Nahostkonflikt, den Palästinenserfragen und dem modernen Israel gemein, nein, diese Bildsprache ist weit über tausend Jahre alt. […] Also handelt es sich um klassischen, uralten Judenhass. […] Genau diese Bildsprache hat den ersten und bislang einzigen industriellen Massenmord in der Geschichte der Menschheit argumentativ begleitet.

    https://www.deutschlandfunk.de/jude-als-ss-vampir-und-mossad-schwein-documenta-skandal-hat-konsequenzen-dlf-2914ea7c-100.html

  5. Harald Knoflach avatar
    Harald Knoflach

    Wenn Juden aus Frankreich in Italien beschimpft und gewalttätig bedrängt werden, dann geht es schon lange nicht mehr um Israel oder Palästina. Das ist diese hässliche Fratze des Antisemitismus, der offenbar tiefer verwurzelt ist, als man glauben mag.

    https://www.suedtirolnews.it/italien/moerder-geht-nach-hause-wir-sind-hier-in-italien-nicht-in-gaza

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