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Fest in ›ungarischen‹ Händen?
FUEN

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Die ungarndeutsche Olivia Schubert kandidiert für die FUEN-Präsidentschaft

Auf dem Jahreskongress der FUEN in Bozen (23. bis 26. Oktober) bewerben sich drei Kandidaten um den Vorsitz. Zwei davon stammen aus der ehemaligen FUEV-Hochburg, dem deutsch-dänischen Grenzland. Gösta Toft aus dem dänischen Nord- und Jens A. Christiansen aus deutschen Südschleswig. Ihre Konkurrenz wird der dritten Bewerberin möglicherweise zum Sieg verhelfen.

Die dritte Kandidatin, Olivia Schubert – amtierende Vizepräsidentin der FUEN – ist seit zwei Jahrzehnten in der Landesverwaltung der Ungarndeutschen engagiert.

Schuberts Chancen stehen deshalb nicht schlecht, den erfolgreichen Vorsitzenden Loránt Vincze zu beerben. Damit bliebe die FUEN unter »ungarischer« Kontrolle. Vincze gelang es, die Minority Safepack-Initiative zur einer der erfolgreichsten EU-Bürgerinitiativen zu pushen. Trotz der mehr als eine Million Unterschriften versenkte aber die EU-Kommission, als das Macht-Kartell der Vaterländer, die MSPI. Aus Rache, weil Ungarn bei Vincze und seiner FUEN tatkräftig mithalf?

Vor allem in Deutschland gibt es deshalb Bedenken, schrieb der Nordschleswiger, dass ein möglicher Einfluss der ungarischen Regierung von Viktor Orbán dem Ruf und Einfluss der FUEN schaden könnte. 

Genau das warf Jan Diedrichsen, einst FUEV-Direktor, Ex-Vorsitzender der GfBV und Mitbegründer des Blogs GfbV-Voices, Vincze 2022 vor. Im Artikel So nicht, Loránt Vincze im Nordschleswiger verweist Diedrichsen auf das Agieren von Vincze im Europaparlament. So lehnte er mit weiteren Abgeordneten aus den rechten Fraktionen die Schlussfolgerung des Europaparlaments ab, wonach Ungarn keine vollwertige Demokratie mehr sei. 

Vincze wies die Kritik des Europäischen Parlaments zurück. Ihm zufolge findet eine »Hexenjagd« gegen Ungarn statt, gegen die Fidesz-Regierung.  

Ungarn, ein Minderheitenparadies?

Laut Diedrichsen verteidigte Vincze die Minderheitenpolitik der ungarischen Regierung, »völlig undifferenziert beschreibt er Ungarn als Minderheitenparadies (was nicht zutrifft).« Die Fakten: Laut dem Innenministerium gibt es 13 Minderheiten, das Nationalitätengesetz von 1993 sieht »Sonderrechte« (siehe am Beispiel der Ungarndeutschen) vor, wie Selbstverwaltungsorgane, mit denen die eigenen Belange geregelt werden, in den Bereichen Kultur, Schule usw. Mit einem weiteren Gesetz 2011 wurden die Minderheitenrechte abermals großzügig bestätigt, „»dies muss jedoch auch immer vor dem Hintergrund der geringen Zahl der Minderheiten in Ungarn gewertet werden«.

Fakt ist auch, dass ein Großteil der Angehörigen der verschiedenen Minderheiten kaum mehr die eigene Muttersprache verwendet. Nur mehr ein überschaubarer Bruchteil der Minderheiten-Angehörigen ist noch fit in der eigenen Muttersprache. Minderheitenpolitik oder Assimilierungspolitik?

Die Experten des Europarates empfahlen der ungarischen Regierung die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, um den Angehörigen der nationalen und ethnischen Minderheiten uneingeschränkte Entfaltung zu ermöglichen. 

Ungarn, eine Hochburg des Minderheitenschutzes? Die Fassade ja, der Inhalt nein.

Laut Olivia Schubert gibt es mehrere Beispiele, »wo die deutsche Minderheit angegriffen wurde oder wo wir das Gefühl hatten, dass wir durch konkrete Aktivitäten oder Maßnahmen im öffentlichen Leben benachteiligt wurden.« Aber nicht von staatlicher Seite, schwächte Schubert im Gespräch mit dem Nordschleswiger ab. Die Landesversammlung scheut sich aber nicht, wenn es notwendig ist, auch den Staat zu kritisieren. 

Auf die Frage des Nordschleswigers, wie sie es mit Orbán hält, entgegnete Schubert: »Also ich kann mich nicht erinnern, dass den beiden Herren (die erwähnten zwei weiteren Kandidaten für die FUEN-Führung) ähnliche Fragen gestellt wurden bezüglich ihrer Ministerpräsidenten.« Ein gewagter Vergleich. Distanzierung vom illiberalen Orbán geht anders.

Schubert betonte, dass sich die Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen als eine eigenständige und von allen Parteien unabhängige Organisation versteht. »Unser Ziel ist es immer, mit allen jeweiligen Regierungen und allen Parteien zusammenzuarbeiten … Unser Ziel ist es immer, dass Minderheitenschutz und die Förderung der Minderheiten weiterhin Regierungsziel bleiben.«

Zurecht stellt Schubert im Interview mit dem Nordschleswiger kritisch fest, dass die EU die FUEN nicht fördert. Es ist tatsächlich peinlich, dass die EU für die Lobbyarbeit der FUEN keine Fördermittel bereitstellt. Immerhin sehen die EU-Verträge ja auch den Schutz und die Förderung der Minderheiten vor. 

Dürftige Förderungen

Derzeit ist überschaubar, wer die FUEN fördert. Ungarn, Deutschland, das autonome Südtirol, die deutschsprachige Gemeinschaft in Belgien und das österreichische Bundesland Kärnten. Also nicht nur das EU-feindliche Ungarn fördert die FUEN. Aber ja, Ungarn ist der zweitgrößte Förderer der FUEN. 

Die Minderheitenorganisation listet detailliert auf, wer wieviel fördert. Mit mehr als 700.000 Euro sponsert das deutsche Innenministerium die FUEN, 450.000 Euro stellt Ungarn zur Verfügung. Dänemark rückt für die FUEN 50.000 Euro raus.

Die drei deutschen Bundesländer mit Minderheiten, Schleswig-Holstein, Sachsen und Brandenburg »stemmen« zusätzliche 53.000 Euro Fördermittel. Das reiche Südtirol steuert gerade mal 15.000 Euro bei, bei einem Landeshaushalt von acht Milliarden Euro. Über ihre Region reichen Südtirol und das Trentino weitere 35.000 Euro an die FUEN weiter.

Die deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens und das österreichische Bundesland Kärnten — mit einer ständig schrumpfenden slowenischen Minderheit — jeweils dürftige 7.500 Euro.

Diese Zahlen drücken eine Geringschätzung in Sachen Minderheitenschutz aus. FUEN-Vorsitzender Vincze tat deshalb die »westliche« Finanzierung — im Vergleich zur ungarischen Unterstützung — als irrelevant ab. Was so nicht zutrifft. Was zweifelsohne stimmt, insgesamt sind die Förderungen irrelevant, zu viel zum Sterben, zu wenig zum Leben. 

Trotzdem war/ist der Schmusekurs der derzeitigen FUEN-Führung gegenüber Orbán nicht gerechtfertigt. Besonders augenscheinlich wurde diese Haltung beim Kongress 2023 in Berlin. Ein erster vorliegender Entwurf für eine Hauptresolution hatte es in sich. In dem Text wurde die russische Invasion in der Ukraine mit nur wenigen dürren Zeilen erwähnt. 

Vincze-FUEN pro-russisch?

Stattdessen rechneten die Autoren des Resolutionsentwurfs mit der verkorksten Minderheitenpolitik in der Ukraine ab. Die Ukraine ist zweifellos kein Musterbeispiel gelungener Minderheitenpolitik. Dies gilt aber genauso für Ungarn, für den rumänischen Nachbarstaat, für Polen, für Tschechien, für die Slowakei, für Deutschland und Österreich, für Frankreich, für Italien, für Griechenland, nicht zu reden vom EU-Anwärter Serbien.

Textpassagenlang rechnet die FUEN mit der Ukraine ab, der russische Krieg jedoch ist im Entwurf nicht mehr als eine Fußnote. Damit relativierte die FUEN ihre eh schon dürftige Kritik und verharmloste den Eroberungskrieg. Der Entwurf war russlandfreundlich, ukrainefeindlich, der Resolutionsentwurf zielte auf eine Verurteilung der Ukraine ab.

Dieser Entwurf wurde von den Delegierten grundlegend abgeändert, auch weil es Interventionen gab. Ein dramatischer Eklat konnte somit verhindert werden. Mit diesem Entwurf hätte sich die FUEN zu einer Vorfeldorganisation des ungarischen Außenministeriums degradiert. Doch weit davon ist sie trotzdem nicht mehr entfernt.

Nach seiner Wiederwahl bedankte sich Vincze engagiert bei Ungarn, für die politische und finanzielle Unterstützung, eine peinliche Lobhudelei auf Viktor Orbán. 

Trotz aller Kritik an Vincze trifft seine Feststellung über die geringe »westliche« Förderung zu. Noch drastischer, der EU-Boykott gegenüber der FUEN. Es ist und bleibt peinlich und untragbar, dass die EU sich der FUEN verweigert. 

Ansonsten ist die EU überaus spendabel, Beispiele gibt es mehr als genug, die EU bekennt sich zur dezentralen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, die FUEN als nichtstaatliche Organisation arbeitet dezentral über Landesgrenzen hinweg zusammen. Die EU-Kommission listet die Bereiche auf, die unterstützt werden. Fast alles kommt darin vor, außer die sprachlichen und nationalen Minderheiten.

Endlich EU-Finanzen für die FUEN!

EU-Politiker würdigen Minderheitenpolitik immer wieder auch als Friedenspolitik, nicht von ungefähr zählen die EU-Verträge die Minderheitenrechte zu den Grundwerten der Union. Aber was kümmern mich die Verträge von gestern, könnte eine der Thesen der EU-Mitgliedsstaaten sein.

Die FUEN betreibt europäische Regionalpolitik, festigt somit die EU an der Basis. Wertgeschätzt wird das nicht. Dabei scheint Geld im Überfluss vorhanden zu sein. So erhielt allein Italien für den sogenannten Wiederaufbau nach der Corona-Pandemie sagenhafte 194 Milliarden Euro. 

Olivia Schubert nannte im Gespräch mit dem Nordschleswiger die EU-Förderung für die FUEN nicht von ungefähr als eines der wichtigsten Ziele der Verbandsarbeit. Eine »großzügige« und garantierte »Subventionierung« mit EU-Mitteln würde der FUEN finanzielle Stabilität verschaffen. Und auch politische Unabhängigkeit. Immerhin zählen Minderheitenrechte zu den Grundwerten der EU. Auf was wartet die EU noch?

Cëla enghe:


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