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Schule: Der SVP-Vorschlag und die Reaktionen.

Autor:a

ai

Die SVP hat ein Paket vorgelegt, mit dem die deutsche Sprache in der Schule geschützt und gestärkt werden soll. Unter anderem sollen die Sprachkenntnisse von Kindern im Vorschulalter getestet werden.

Ich persönlich halte von solchen Maßnahmen nichts, jedenfalls, wenn sie Kinder von der deutschen Schule fernhalten statt inkludieren oder Sonderklassen rechtfertigen sollen. Minderheiten müssen den Anspruch erheben, Teile der Mehrheitsgesellschaft und Zuwandernde zu integrieren (vgl. 01 02 03), was hierzulande leider in viel zu geringem Ausmaß geschieht.

Nichtsdestoweniger müssen Sprachminderheiten bei Bedarf auch auf Mechanismen zurückgreifen können, um ihren Fortbestand zu schützen. Deshalb ist die häufig zu vernehmende Frage, was denn wäre, wenn die italienische Schule ähnliche Maßnahmen ergriffe, wenig zielführend.

Für die Kritik an den SVP-Vorschlägen wenig hilfreich finde ich auch Aussagen, wonach sprachbezogene Erhebungen im Vorschulalter schlicht nicht durchführbar seien oder wenn man sie — wie es zum Beispiel David Augscheller auf Facebook macht — als »gegen jegliche Wissenschaftlichkeit gerichtet« bezeichnet. Dann müssten Preschool Language Scales (Kanada und USA), TRAS (Schweden/Norwegen), HAVAS 5 (Hamburg), Sismik/Seldak (Deutschland), Sprachgewandt (Schweiz), Sprachscreening für das Vorschulalter (Österreich), um nur einige zu nennen, wohl auch wissenschaftsfeindlich und undurchführbar sein.

Solche Tests werden übrigens sogar mit Vorliebe von plurilingualen Zentren bei der Einschulung genutzt — auch um Schülerinnen abzuweisen.

A propos mehrsprachige Schule: Die wird wieder einmal von mehreren Seiten als heilsbringende Alternative zum SVP-Vorschlag ins Spiel gebracht. Dabei sagt ausgerechnet »die Wissenschaft«, dass bidirektionale Immersion nichts für Sprachminderheiten ist (u. a. 01 02 03 04 05). Und zwar stellen das Fachleute so einhellig fest, dass mir trotz jahrelanger Suche keine einzige Studie zu Gesicht gekommen ist, die speziell für Minderheiten Immersion in die Mehrheitssprache empfiehlt und als unbedenklich ansieht.

Vor einiger Zeit hatte ich diesbezüglich auch einige Landtagspolitikerinnen, die sich vehement für die mehrsprachige Schule einsetzen, gefragt, wobei sie mir ebenfalls keine einzige Quelle nennen konnten. Ich ersuche an dieser Stelle erneut darum.

Besonders in Erinnerung geblieben ist mir ein Schriftwechsel mit Alex Ploner vom Team K.

Wer sich also gegen die Vorschläge der anderen und für die eigenen so sehr auf die Wissenschaft beruft, tut dies also letztendlich indem sie blufft. Oder indem sie sich auf Studien beruft, die nicht für die spezielle Situation von Sprachminderheiten gedacht sind.

In ihrem durchaus verständlichen Ärger über die SVP-Vorschläge versteigt sich die Landtagsabgeordnete Brigitte Foppa (Grüne) auf Facebook sogar zur Aussage, die Mehrsprachigkeit sei »fast überall besser entwickelt als in Südtirol«. Auch dies eine Behauptung, die sich wissenschaftlich wohl ohne große Schwierigkeiten widerlegen ließe.

Schade, dass wir wieder einmal keine sachliche Diskussion hinbekommen.

Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06 07 08



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Comentârs

8 responses to “Schule: Der SVP-Vorschlag und die Reaktionen.”

  1. artim avatar
    artim

    Die Herausforderungen sind enorm. Die Missstände sind viele. Was nun — öffentliche Bildungswirtschaft?
    Es gilt es wohl einiges umzugestalten, von Bildungspolitik in einer empathischen Wissensgesellschaft 2.0, in der Minderheitenschule mit fremdsprachigem Umfeld bis architektonisch, den bisherigen Klassenraum … um Qualität Bildung und Partnerschaft in der Euregio wirksam zu befördern; vgl.a :

    Schule neu denken: Wie Räume Lernen verändern

    https://www.barfuss.it/leben/wir-verhindern-lernen-durch-unterricht/

    Leselust² Diplom-Studien:

    https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-46984-9

  2. G.P. avatar
    G.P.

    Und zwar stellen das Fachleute so einhellig fest, dass mir trotz jahrelanger Suche keine einzige Studie zu Gesicht gekommen ist, die speziell für Minderheiten Immersion in die Mehrheitssprache empfiehlt und als unbedenklich ansieht.

    Das gibts doch gar nicht! Wetten, dass irgendwo irgendwer (die Grünen, die Rechten) demnächst eine solche Studie ausgraben und diese als einzig wahre und gültige Studie verkaufen werden.

  3. Harald Knoflach avatar
    Harald Knoflach

    In Brigittes Kommentar sind generell ein paar eigenartige Feststellungen drin:

    Im Wunsch, ihren Kindern eine bestmögliche Ausbildung in Südtirols Leitsprache zu geben, schreiben sie die Kinder in die deutschen Kindergärten und Schulen ein.

    Lt. Sprachbarometer 2014 ist für die Menschen in Südtirol die wichtigste Sprache Italienisch – auch für die Deutsch- und Ladinischsprachigen.

    Wichtigste Sprache: Italienisch.

    Vielleicht erwägen sie angesichts dieser Hürden am Ende doch, ihre Kinder auf die italienische Schule zu schicken. Diese meistert übrigens jetzt schon einen Anteil an Migrantenkindern, der weit höher ist als der in den deutschen Schulen.

    Abgesehen davon, dass das ein bisschen rassistisch klingt, weil sie offenbar automatisch davon ausgeht, dass Migrantenkinder mehr Probleme bereiten, geht es im SVP-Vorschlag (den ich nicht gut heiße) in erster Linie um das Beherrschen der Unterrichtssprache. Kinder aus Migrantenfamilien sind sehr oft italienisch sozialisiert und haben meist keine so schlechten bis sehr gute Italienischkenntnisse. Es ist ungleich mehr Aufwand, Kinder zu unterrichten, die die Unterrichtssprache nicht beherrschen. Ich halte diese Gleichsetzung von Migrantenkinder beherrschen Sprache nicht für bedenklich.

    Dabei sagen die Studien, dass den jungen Leuten in Südtirol etwas ganz anderes fehlt, nämlich die Weltoffenheit, die Flexibilität und, ja, die Mehrsprachigkeit, die fast überall auf der Welt besser ist als in Südtirol.

    Also die Studien, die ich gefunden habe, sagen das nicht. Es sind hauptsächlich die niedrigen Löhne, die fehlenden Berufsfelder und die hohen Lebenshaltungskosten.

    EURAC https://www.eurac.edu/de/dossiers/brain-drain-brain-gain
    “Es kann daher davon ausgegangen werden, dass in Südtirol eine vertikale Lücke (Anm. bezüglich “Skills Missmatch”) besteht, da es wenige Stellen für Personen mit Hochschulabschluss zu geben scheint, aber auch eine horizontale Lücke, da es schwierig ist, Personal mit spezifischen technischen Fähigkeiten und Sprachkenntnissen zu finden.”
    “Trotz des technologischen Fortschritts und Möglichkeiten des Remote Work, worauf auch im Zuge der Covid-19-Pandemie verstärkt gesetzt wurde, spielt die geografische Lage bei der Wahl des Arbeitsplatzes noch immer eine sehr wichtige Rolle, insbesondere für hochqualifizierte Personen. Fachleute sind sich einig, dass städtische Zentren mehr Talente anziehen als ländliche Gebiete.”
    “Die Gründe für die Abwanderung von Personen, die in Südtirol geboren und aufgewachsen sind, sind vor allem der Mangel an interessanten Arbeitsangeboten entsprechend ihrer Qualifikation, die geringen Karrieremöglichkeiten sowie die im Vergleich zu den Lebenshaltungskosten niedrigeren Löhne.”
    “Der Vergleich der Ergebnisse Südtirols mit jenen der Nachbarregionen zeigt, dass in den Bereichen Dienstleistungen, Infrastruktur, Wohnen und Arbeitsqualität noch einiges an strategischer Arbeit gefragt ist. Die Erreichbarkeit der Region mittels Straßen- Bahn- und Flugverkehr ist einer der Schlüsselfaktoren, um qualifizierte Arbeitskräfte anzuziehen. Hinzu kommt, dass die Region zwar recht wohlhabend ist, das Lohnniveau aber oft nicht mit den Lebenshaltungskosten übereinstimmt, insbesondere, was das Wohnen betrifft. ”
    Dann wäre auch noch diese WIFO-Studie https://www.wifo.bz.it/media/18414c98-8141-4501-b018-a022493546b2/2019-brain-drain-de.pdf
    Darin findet sich bei den Motiven für die Abwanderung auf Rang 5 einer der von Foppa genannten Gründe: “verschlossene Mentalität”
    Interessanterweise geben jedoch in der selben Studie die Zugewanderten als siebtstärkstes Motiv “offene Mentalität” an.

  4. Martin avatar
    Martin

    Dabei sagen die Studien, dass den jungen Leuten in Südtirol etwas ganz anderes fehlt, nämlich die Weltoffenheit, die Flexibilität und, ja, die Mehrsprachigkeit, die fast überall auf der Welt besser ist als in Südtirol.

    Wahrscheinlich gehen die meisten jungen Leute ja wegen der tollen Mehrsprachigkeit nach Deutschland und Österreich…wer weiß.

  5. G.P. avatar
    G.P.

    Brigitte Foppa und die Grünen liefern immer wieder mal den Beweis, warum gerade sie (für mich) unwählbar sind und bleiben.

  6. Martin Piger avatar
    Martin Piger

    Ich kann sagen, dass ich unter unseren italienischsprachigen Mitbürgern weitaus häufiger eine provinzielle Haltung feststellen kann, als unter den Deutsch- und Ladinisch-Südtirolern. Unser Kulturraum endet eben nicht am Brenner, wie viele Italiener vermuten, sondern umfasst Österreich, Deutschland und auch die Deutschschweiz. Darüber hinaus ist der Durchschnittssüdtiroler sowieso an ganz Europa interessiert, während der Durchschnittsitaliener eher ein weniger von Europa postuliert.
    Die enge Südtiroler Mentalität und die gemischtsprachige Schule als Allheilmittel sind die argumentativen Dauerbrenner und Rohrkrepierer der Südtiroler Grünen. Ich weiß nicht, welche Schule man den Grünen empfehlen könnte, damit sie aus ihren Fehlern lernen könnten.

    1. Simon avatar

      Durchschnittssüdtiroler… Durchschnittsitaliener… ich halte wenig von solchen Zuschreibungen und denke auch nicht, dass sie uns weiterbringen.

      1. Martin Piger avatar
        Martin Piger

        Ja, das wird schon missverständlich ausgedrückt sein: Ich wollte sagen, dass es Haltungen gibt, die, unabhängig von der sozialen Position oder der politischen Überzeugung in den verschiedenen ethnischen Gruppen entweder häufiger oder eben seltener anzutreffen sind. Ich spreche hier zunächst von meinen langjährigen persönlichen Erfahrungen. Würde man darüber eine wissenschaftlich empirische Umfrage anstellen, glaube ich, würden genau diese Resultate herauskommen. Dann kann man sich fragen, warum das so ist und gegebenenfalls nach Lösungen suchen, wenn einem die Resultate Sorge bereiten. Mir wurde von italienischen Bekannten und auch Freunden in Südtirol im Laufe meines Lebens schon oft unsere angebliche geistige und kulturelle Enge vorgeworfen. Selber kannten sie z. B. keinen einzigen österreichischen Liedermacher wie Wolfgang Ambros oder Reinhard Fendrich, bei uns Südtirolern war man erstaunt, dass wir die italienische Alltagskultur nicht so selbstverständlich hinauf- und herunterdeklinierten wie sie selber. Wenn man in Südtirol den anderen verstehen will, sollte man sich halt auch ein wenig in seiner Kultur auskennen. Dass das bei Italienern schwächer ausgeprägt ist, als bei Südtirolern, dazu stehe ich.

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