Während uns der italienische Staat Milliarden schuldet, die er uns illegal abgezwackt hat — es verstößt (unter anderem) gegen das Mailänder Abkommen — wollen Landesregierung und SVP-Parlamentarier in Rom schon wieder ein neues Finanzierungsmodell aushandeln. Unter normalen Verhältnissen müsste die Voraussetzung für eine derartige Neuverhandlung die Beseitigung der bestehenden Schieflage sein, doch von einer derartigen Lösung ist bislang nichts zu vernehmen. Stattdessen klagt das Land Südtirol in rund einem Dutzend Fällen gegen den Zentralstaat und weiß bereits aus Erfahrung, dass dies — außer Spesen — ohnehin nichts bringt. Bereits in Vergangenheit überwies Rom trotz eindeutiger Gerichtsurteile die geschuldeten Beträge nicht. Dabei nutzt der Staat die Gelder nicht einmal, um seine eigene finanzielle Schieflage in Ordnung zu bringen, sondern verprasst das Geld wie eh und je. Auf dieser erfreulichen Grundlage soll also ein Nachfolgemodell zum weitgehend gescheiterten Mailänder Abkommen entstehen, welches zum Zeitpunkt seiner Unterzeichnung noch in höchsten Tönen gepriesen wurde.
So erklärten die Experten Erich Thöni und Klaus Rier noch 2011 dem Tagblatt Dolomiten gegenüber, dass das Mailänder Abkommen »die finanzielle Unabhängigkeit Südtirols vom Ermessen der römischen Zentralregierung weiter ausbaut«. Genau das Gegenteil war der Fall.
Wie SVP-Senator Zeller unlängst Südtirol Online mitteilte, will sich der Staat diesmal zusätzlich zur einmal vereinbarten Summe gar noch 100 Millionen für Notfälle sichern, etwa »für ein Erdbeben oder eine Finanzkrise«. Das ist dreimal so viel, wie nötig wäre, um die drei Kleinspitäler in Schlanders, Sterzing und Innichen mit dem gewohnten Leistungsumfang offen zu halten — weil sich der Vergleich gerade anbietet. Dass die 100 Millionen »im Falle einer Finanzkrise« fällig wären klingt wie Hohn, denn der Staat steckt seit 2007 in einer tiefen Krise und gerade wieder in einer Rezession. Dann kann man Rom das Geld auch gleich schon überweisen, anstatt den Steuerzahler und das Land erneut an der Nase herumzuführen.
Doch damit nicht genug: Unisono sagen Landeshauptmann Arno Kompatscher und Senator Zeller (beide SVP), conditio sine qua non für die Unterzeichnung eines neuen Abkommens sei die Einbindung der österreichischen »Schutzmacht« und somit die internationale Verankerung. Man ist sich also (trotz gegenteiliger Beteuerungen) bewusst, dass man es in Rom mit notorischen Vertragsbrechern zu tun hat, denen man nur noch trauen kann, wenn man sich Hilfe von Außen holt. Nur gut, dass noch vor kurzem behauptet wurde, die Schutzmachtfunktion sei obsolet, wo man heute schon wegen eines fünf- bis zehnjährigen Finanzierungsabkommens quasi einen völkerrechtlichen Vertrag abschließen muss, weil sich Italien sonst nicht daran hält. Dabei gibt die SVP implizit auch noch zu, dass die einzige Möglichkeit, Italien zur Einhaltung seiner Verpflichtungen anzuhalten, die Unterstützung durch einen Staat ist, während man die Staatlichkeit, die uns (Ver-)Handlungssicherheit gäbe, für Südtirol selbst vehement ablehnt.
Doch noch sträubt sich Italien offenbar dagegen, Wien in die Verhandlungen miteinzubeziehen. Dies begründete Senator Zeller im TAZ-Interview vom 3. Oktober folgendermaßen:
Natürlich will die Regierung das Level der Bindewirkung so gering wie möglich halten.
– Karl Zeller
Wenn dies »natürlich« ist, stellt sich aber doch die Frage, warum man mit einem derartigen Vertragspartner überhaupt noch verhandelt. Welche Zukunft können eine Autonomie und ihre längst überfällige Weiterentwicklung in einem staatlichen Gebilde haben, das offenbar jeder Vertrauenswürdigkeit entbehrt — und das sogar, während angeblich »autonomiefreundliche« Regierungen am Werk sind?
Cëla enghe: 01
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