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Make Germany great again!
Wird ein deutscher Traum wieder greifbar?

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Offensichtlich. Die politischen Enkel der NSDAP, die AfD, ist laut den jüngsten Umfragen zweitstärkste Partei hinter der CDU. Tendenz steigend.

In zwei ostdeutschen Bundesländern würde ein Drittel der Wahlbevölkerung bei den anstehenden Landtagswahlen AfD wählen.

CDU und FDP arbeiten im deutschen Osten recht unkompliziert und ungeniert mit der AfD zusammen. Trotz ihres Wahlprogramms: Raus aus der EU, raus aus der NATO, hin zu Russland. Im AfD-Programm stecken noch weitere Hinweise für ein »anderes Deutschland«.

Nicht von ungefähr hofft die deutsche harte Rechte auf einen überzeugenden Wahlerfolg bei den Europawahlen im nächsten Jahr, im Verbund mit den spanischen Vox-Frankisten, der französischen RN, den Fratelli d’Italia bis hin zur polnischen PiS, ungarischen Fidesz, Unsere Slowakei und anderen rechtsradikalen Parteien.

Diese EU- und NATO-Feinde halten auch Donald Trump den Daumen, dass er in einem Jahr die US-Präsidentschaftswahlen gewinnt. Besonders bestimmte Deutsche scheint Ex-Präsident Trump schwer zu beeindrucken. Nicht, weil er deutsche Vorfahren hat. Er kam und kommt gut an, weil er verschüttete deutsche Gefühle antippt.

Wenig scherte sich Trump um die Meinung von Nachbarn und ehemaligen vermeintlichen Verbündeten, noch viel weniger um Gegner. Er kippte ohne viel Bedenken die von den USA und ihren Konzernen angezettelte Globalisierung auf den Misthaufen der Geschichte, erklärte sie kurzerhand zu einem Schaden für sein Amerika. Die großen Nutznießer bisher waren die US-Konzerne und deren Aktionäre.

Trump gibt den bösen Amerikaner, die weiße Volksfront applaudiert ihm zu. Trump will den Gang der Dinge bestimmen, ohne irgendwelche Absprachen mit lästigen Freunden. Als US-Präsident spielte er mit seinen anabolgestärkten Muskeln und ballte wieder die Faust zum Kampf. Make America great again, ohne kraft- und machteinschränkende Verträge und Bündnisse.

EU – Fessel für den Nationalstaat?

Die Lust auf einen solchen Sonderweg scheint auch in Deutschland zu wachsen. Wie anders ist sonst die Wut auf die EU zu erklären? Während die britischen Brexit-Fanatiker und die italienischen rechtsrechten Regierungsparteien die EU als viertes Reich deutscher Nation beschimpfen, empfinden in Deutschland manche Frustrierte die EU als Fessel für einen starken Nationalstaat.

Tastsächlich durfte die ehemalige bankrotte DDR nur deshalb an die BRD angeschlossen — mit ihr wiedervereinigt — werden, weil Bonn dafür im Gegenzug »mehr Europa« und weniger Nationalstaat, den Euro statt der D-Mark akzeptierte. Der deutsche Sonderweg, also weniger Europa und mehr Deutschland, war für Frankreich und für Großbritannien ein Horror. Die heutige EU ist Folge der deutschen Wiedervereinigung, der neue Riese musste angekettet werden.

Diese Ketten wollen manche sprengen, die AfD, die CSU, Teile der CDU, auch Linke wollen raus aus NATO und der Kapitalistenhochburg EU. Die Vision der National-Konservativen ist ein kraftstrotzendes Deutschland, ein starkes Vaterland, ein Nationalstaat, der sich von Brüssel nicht gängeln lässt. Ein Staat, der seine Grenzen schützt, seine Bürger vor illegalen Migranten und Kriminellen, der für den Frieden im Land sorgt. Die Botschaft der Rechten.

Für die illegale Zuwanderung wird ausschließlich die EU verantwortlich gemacht, eine Union, die die nationale Souveränität des Vaterlandes untergräbt. Ähnlich empfinden national denkende Franzosen, Briten, Italiener, Österreicher u.a. Die anonyme EU wird als Gefahr empfunden, wegen ihrer nationalstaatlichen Abstinenz, die den Frieden gefährdet.

Von der Montan- zur Europäischen Union – ein Friedensprojekt

Vergessen ist, dass dieses Europa — entstanden aus der Montanunion bestehend aus Belgien, der BRD, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden — dafür sorgte, dass die westeuropäischen Länder demokratisch und wirtschaftlich aufblühten. Schutzschild NATO sorgte für den Schutz vor der imperialistischen Sowjetunion. Nachfolgestaat Russland ist derzeit das einzige Land in Europa, das Krieg gegen einen Nachbarn führt. Seit 70 Jahren schon garantiert dieses europäische Dach Stabilität, Sicherheit und Frieden. Keine Selbstverständlichkeit, das konnten die Nationalstaaten nie garantieren.

National besoffene Vaterländer steuerten in den Ersten Weltkrieg, das gilt für Großbritannien gleichermaßen wie für Frankreich, Russland, Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien. Diese Nationalstaaten, die meisten waren zwar multiethnisch, nicht national monokolor, agierten in ihren engen nationalen Einbahnstraßen. Sie waren unfähig zum Dialog und nicht willens, Konflikte zu lösen. Auch deshalb, weil die jeweils eigene Nation für heilig erklärt wurde, zum Maß aller Dinge.

Deutscher Sonderweg – Das Dritte Reich

Der übelste Nationalstaat war Nazi-Deutschland, Deutschland über alles. Das Dritte Reich »säuberte« innerhalb streng geschützter Grenzen seinen »Volkskörper«, im Zweiten Weltkrieg wurde dieses völkermörderische Programm auf ganz Europa ausgedehnt.

Die Nationalstaaten zettelten 1914 den Ersten Weltkrieg an, das nationalsozialistische Deutschland 1939 den Zweiten Weltkrieg. Die Nationalstaaten, Assimilierer, ethnische Säuberer, Kriegstreiber, keine Garanten für Ausgleich und Friedfertigkeit.

Das von den USA und den westeuropäischen Siegermächten — unter dem Druck der Sowjets — erzwungene Zusammenschauen in Teilen Westeuropas veränderte auch die Nationalstaaten. Das von Nazi-Deutschland zerschlagene Frankreich arrangierte sich mit dem westlichen Rumpf-Deutschland, wie auch die Benelux-Staaten und Italien. Aus dem einstigen Aggressor wurde ein Verbündeter, der US-amerikanische und britische Liberalismus wirkten auf die starren Nationalstaaten in Westeuropa ein. Statt engstirniger Abgrenzung und Abschottung setzten die Länder auf Kooperation, der ehemalige deutsche Feind wurde eingebunden, musste Teile der Souveränität abgeben und konnte in die staatliche Freiheit entlassen werden.

Der Sozialdemokrat Schumacher stemmte sich gegen die stückweise Entstaatlichung der deutschen Nation, gegen deren Eingliederung in das Westbündnis. Diese Haltung griffen die Grünen während der NATO-Nachrüstung in den 80er Jahren auf. Raus aus der NATO, Annäherung an die DDR. Neutralität, ein deutscher Sonderweg. Ein Graus für die Konservativen, die sich als Partner der USA verstanden, als Atlantiker. Bundeskanzler Kohl zweifelte nie an dieser Westbindung. Für ihn stand außer Frage, dass die Vereinigung der beiden deutschen Staaten von westeuropäischen Partnern, allen voran Frankreich, akzeptiert werden musste. Der sowjetische Crash ermöglichte es, die Teilung Europas aufzuheben, auch die deutsche. Die osteuropäischen Warschauer-Pakt-Staaten flüchteten regelrecht in das Westbündnis, in die NATO und in die EU mit all ihren Mängeln.

Friedensmacht Deutschland?

Propagandisten für einen deutschen Sonderweg gab es immer schon, wie das ehemalige CSU-Mitglied und Berufsoffizier Alfred Mechtersheimer in den 1980er Jahren. Wegen seines Engagements gegen die NATO-Nachrüstung musste er die CSU verlassen, wurde Bundestagsabgeordneter der Grünen. Mechtersheimer engagierte sich in der Friedensbewegung und warb für die deutsche Neutralität. Die damalige Europäische Gemeinschaft (EG) geißelte Mechtersheimer als eine europäische Reichsgründung, initiiert von den Eliten. Er beschrieb sie in seinem Buch Friedensmacht Deutschland als künstliche europäische Zentralmacht.

Mechtersheimer stellte diesem »Völkergefängnis« das deutsche Kerneuropa, bestehend aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, gegenüber. Eine Neuauflage Großdeutschlands. Make Germany great again.

Mechtersheimer ist inzwischen bei der extremen Rechten geendet. Sein deutscher Sonderweg führte ihn die die bedenkliche Nähe von Saddam Hussein — und zwar über sein Deutsch-Arabisches Friedenswerk. Mit seiner Deutschland-Bewegung versuchte er in den 1990er Jahren das erfolgreiche freiheitliche Aufbauprojekt von Jörg Haider in Österreich zu kopieren.

Ausgerechnet der sozialdemokratische Bundeskanzler Gerhard Schröder griff die Sonderweg-Rhetorik auf. Er verweigerte US-Präsident Georg W. Bush die Unterstützung im Irak-Krieg. Nachträglich betrachtet wahrscheinlich keine falsche Entscheidung. Der Sturz von Saddam Hussein stürzte die gesamte Region ins Chaos.

Schröder hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit dem ehemaligen US-Präsidenten Trump. Auch Schröder scherte sich wenig um die Verbündeten und Nachbarn. Auf seine Initiative hin wurden die Maastrichtkriterien — beispielsweise die niedrig zu haltende Staatsverschuldung — aufgeweicht, zugunsten eines deutschen Sonderweges.

Manche in der EU empfinden die wirtschaftliche Stärke Deutschlands als zu übermächtig. Deshalb betitelte der deutsch-katalanische Schriftsteller Heleno Sana das kraftstrotzende Deutschland als das vierte Reich. Er warnte vor einem neuen Versuch der Deutschen, Leitmotiv Europa, den Kontinent durch finanziellen Druck germanisieren zu wollen, Sana ortete einen ökonomischen Imperialismus.

Die rechten italienischen Journalisten Vittorio Feltri und Gennaro Sangiuliano erklären die Domestizierung Deutschlands in der EU für gescheitert. Deutschland strebe nach Vorherrschaft über eine aggressive Wirtschafts- und Finanzpolitik. Die neuen Panzerdivisionen überrollten Europa, heißt es bei Feltri und Sangiuliano in ihrem Buch Das Vierte Reich. Wie Deutschland Europa unterworfen hat.

Make Germany great again!

Die AfD will diesen Zustand beenden, raus aus dem Euro und wohl auch aus dem »Völkergefängnis« EU. Auf der Homepage der AfD heißt es, »die weitere Mitgliedschaft in der Eurozone ist für Deutschland unbezahlbar. Die Geschäftsgrundlage des Euro war: Keine Haftung für die Schulden anderer Länder und keine Staatsschulden über 60 Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts. Diese Regeln sind zerstört worden.« Deshalb müsse Deutschland die Transferunion aufkündigen und den Euroraum verlassen.

Die AfD betrachtet das Schengen-Abkommen, das innerhalb der EU die Grenzen der Nationalstaaten durchlässiger werden ließ, als gescheitert. Deshalb soll ein Grenzschutz aufgebaut werden, der die deutschen Grenzen schützt, gleichzeitig den freien Personen- und Güterverkehr möglichst wenig behindern soll. Ein Spagat oder ein gordischer Knoten allemal. Oder will der neue deutsche AfD-Protzstaat die Nachbarn dazu zwingen, deutschen Touristen und deutschen Lkw-Transit absolute Bewegungsfreiheit einzuräumen?

Die AfD steuert klar den Sonderweg an: Die Außenpolitik muss an deutschen Interessen ausgerichtet sein, deshalb plädiert die AfD dafür, die EU-Sanktionen gegen Russland aufzuheben. Nur ein entspanntes Verhältnis zu Russland könne einen dauerhaften Frieden in Europa garantieren. Auch das steht in der deutschen Tradition. Das Kaiserreich kooperierte einst mit dem Bolschewiken Lenin gegen die verwandtschaftliche Zarenfamilie, die Weimarer Republik knüpfte militärische Kontante mit der Sowjetunion, Nazi-Deutschland war kurzfristig Verbündeter der stalinistischen Sowjetunion, Stichwort Hitler-Stalin-Pakt. Gemeinsam verwüsteten Nazis und Stalinisten das östliche Mitteleuropa von Polen über Tschechien, Ungarn und die Ukraine.

Ist Deutschland auf dem Weg ins Vierte Reich? Ja, wenn die AfD nicht nur bei Umfragen punktet, sondern auch die vielen anstehenden Wahlen gewinnt. Und das scheint sehr real zu sein.


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