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Volkspartei auf Abruf.

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Die SVP schafft sich selber ab

Manche mag das ja freuen. Aber gibt es eine Alternative zur 80jährigen alten Dame? Die Wahlergebnisse geben das — noch — nicht her. Stattdessen sägen SVPler:innen am eigenen Ast. Es sind SVP-Exponenten selber, die eifrig ihre traditionsreiche und bewährte Alternative demontieren. Offensichtlich besuchen SVPler interne Fortbildungsseminare. Leitmotiv: Wie nehme ich die eigene Partei auseinander?

Was die SVP letzthin im Landtag »veranstaltet« hat, war eine kaltschnäuzige Demontage der Volksvertretung. Die Volksparteiler boykottierten erfolgreich den U-Ausschuss zur Causa »Hager/Benko«. Simon warf der SVP auf dieser Seite vor, den Landtag beschädigt zu haben. Mit ihrem Nichterscheinen manifestierten die Geladenen ihre Verachtung für den Landtag, immerhin der Ausdruck des »Volkswillens«. Eine unerhörte Aktion, findet Simon zurecht.

»Aufwertung« des Landtages geht doch anders. Dieses Zeigen der kalten Schulter ist wenig hilfreich, Vertrauen in »die Politik« wieder herzustellen. Es ist wohl eher Benzin ins Feuer der immer wieder bejammerten und beklagten Politikmüdigkeit. Wen wundert es?

Auch der Fall der Kochhütte auf der Alm, die Geschichte um Landesrat Peter Brunner und damit zusammenhängend das Feuern der obersten Landesraumordnerin Virna Bussadori tragen weiterhin dazu bei, das schon beschädigte Image der SVP noch weiter zu schädigen.

Noch ein weiteres Beispiel, die SVP und der Dissens. Die Kalterer Gemeindeverwaltung verweigert der Initiativgruppe gegen ein Speicherbecken im Altenburger Wald einen Beitrag. Wegen des Protests gegen das geplante und teilweise umstrittene Projekt. Beim Beitrag handelt es sich um 600 Euro. Das schmeckt nach gelenkter Demokratie. Wer »aufmuckt«, wird bestraft.

Folge Wahlboykott

Die SVP nimmt nicht zur Kenntnis, dass sie für ihr Verhalten schon seit einigen Jahren von ihren ehemaligen Mitgliedern und Wählenden ordentlich bestraft wird. Seit 30 Jahren nimmt die Wahlbeteiligung kontinuierlich ab. Bei den vergangenen Gemeindewahlen waren es nur mehr 60 Prozent der Bürger:innen, die wählen gingen. In Bozen, Meran und Bruneck gar nur mehr die Hälfte, in einigen Gemeinden auch darunter. Es kann vermutet werden, dass sich unter den Boykotteuren auch SVP-Wählende befinden.

Die Zahlen lügen nicht, immer weniger Bürgerinnen und Bürger interessiert, wer sie regiert und verwaltet. In den »sozialen Medien« toben und wüten zwar die User gegen »die da oben«, regen sich maßlos über Mögliches und Unmögliches auf, schäumen, wenn es um die sogenannten Kosten der Politik geht, sind letztendlich aber demokratiepolitisch zu faul, ihre Vertretung zu bestimmen. Der eine Teil der Wahlbevölkerung.

Der andere Teil, der Geschrumpfte, wählte noch mehrheitlich die SVP in den meisten Gemeinden zur stärksten politischen Kraft. Eine nicht unbeträchtliche Gruppe, analysierte Politikwissenschaftler Hermann Atz, lehnt aber Parteipolitik in den Amtsstuben ab.

Wie versucht die SVP diesen Trend zu stoppen? Der Landtag soll künftig mit neuen Regeln gewählt werden, berichtete die Tageszeitung, mit einer Wahlhürde. Die Folge, die SVP würde damit bei gleichbleibenden, aber zusammengeschmolzenen, Stimmen mehr Abgeordnete erhalten. Eine Form von »Wahlbetrug«, für Paul Köllensperger vom Team K eine demokratiepolitische Unverfrorenheit.

Die Ergebnisse der Landtagswahlen verdeutlichen unmissverständlich, dass der Volkspartei langsam aber sicher das »Volk« abhanden kommt. Zweifelsohne, mit ihren 35 Prozent ist die SVP weiterhin die stärkste Kraft, aber nicht mehr dominant. Abstimmungen im Landtag sind zu Zitterpartien geworden, von der einstigen Größe der Volkspartei ist nur mehr ein überschaubares »Team« übriggeblieben. 13 Abgeordnete auf 35, eine Koalition erstmals mit einer deutschen Oppositionspartei plus der gesamten italienischen Rechten, schrillen da nicht die Alarmglocken?

Enttäuschte Hoffnungen

Welche Hoffnungen wurden 2013 auf den Durnwalder-Nachfolger Arno Kompatscher gesetzt? Aufbruch in die Moderne, Partizipation, Nachhaltigkeit, ein Autonomiekonvent als offene Dialogrunde mit der Bevölkerung usw. Der erhoffte Aufbruch wurde ein Rückschritt, bei den Wahlergebnissen und Mitgliederzahlen. Kompatscher II und Kompatscher III verkamen zum Gegenentwurf, die SVP koalierte zuerst mit der rechten Lega und seit den letzten Landtagswahlen auch noch mit den rechtsrechten Fratelli d’Italia. Um mit ihnen die verloren gegangene Autonomie zurückzuholen. Trotzdem, es ist wünschenswert, dass dies gelingt.

Wenn die Gemeindewahlen in Bozen und Meran aber als Gradmesser für die Zustimmung zu dieser Koalition herangezogen werden können, scheinen die SVP-Wählenden die italienischen Mitte-Links-Parteien als Partner zu bevorzugen. Also keine Zustimmung, also eine andere Stimmung, die man so in der Partei nicht zur Kenntnis nimmt.

Flucht der Mitglieder

Von wegen zur Kenntnis nehmen. Nimmt die Partei die eigenen Mitglieder zur Kenntnis? Was sie auf alle Fälle tut, die Mitgliederzahlen beschönigen. Auf der Seite der FUEN schreibt Obmann Dieter Steger stolz, die SVP zählt ca. 60.000 Mitglieder. Vor drei Jahren kam Christoph Franceschini auf Salto hingegen zu einer völlig anderen »Größe«. Franceschini rechnete nach, über die Stimmrechte der Ortsgruppen und errechnete, dass die SVP nur mehr 23.000 Mitglieder zählt.

Ein historischer Tiefststand, kommentierte Franceschini. Zwischen 2014 und 2022, also schon in der Ära Kompatscher, verlor die SVP mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder. Eine vernichtende Bilanz, die nicht an die Öffentlichkeit kommen sollte, textete Franceschini. Und es kommt noch schlimmer, 2024 waren von den 23.000 Mitgliedern nur mehr 18.000 übriggeblieben. Der Großteil davon aus dem »bäuerlichen Milieu«, so Franceschini in seinem Salto-Artikel Die Bauernpartei.

Die stolze SVP, 1991 mit mehr als 80.000 Mitgliedern und 1988 bei den Landtagswahlen mit 60,4 Prozent (1948 67,6 Prozent) eine uneinholbar scheinende Kraft, ist überschaubar eingegangen. Südtirols Gletscher schrumpfen, aber langsamer als die SVP. 2023 kassierte die SVP in manchen Gemeinden zweistellige Verluste. Es darf vermutet werden, dass es auch keine 18.000 Mitglieder mehr geben wird.

Und? Die SVP macht weiter wie bisher. Die Volksparteien verlieren überall, die Bindung zu den Parteien lässt nach, werden erklärend, entschuldigend österreichische und deutsche Wahlforscher zitiert. Das Schrumpfen fast schon ein Naturgesetz, dem man ausgeliefert ist. Warum nehmen aber gleichzeitig die Mitgliederzahlen der Rechtsradikalen zu und wählen immer mehr Menschen rechtsrechts bis rechtsradikal? Die angeblichen Anti-Systemparteien blühen auf. Auch in Südtirol.

Vom Fernbleiben der Akademiker:innen

Damit wieder zurück zum Anfang, zum Tun der SVP im Landtag, in der Landesregierung. Das Herumgeeiere bei den Gehältern der öffentlichen Bediensteten und das Gedruckse bei den Lehrer:innengehältern — galt doch die Schule als eine der tragenden Säulen des Minderheitenschutzes der Autonomie — verjagen regelrecht jährlich mehr als 1.000 junge Südtiroler:innen. Präziser, sie bleiben an ihren Studienorten in Österreich, Deutschland oder in der Schweiz, wegen der Attraktivität der Jobs, wegen der Verdienstmöglichkeiten.

Eine Abstimmung mit den Füßen, eine Abstimmung auch gegen das offizielle Südtirol, in dem es für diese jungen Akademiker:innen keine Perspektiven zu geben scheint. Es geht um die Abwanderungsgründe, schrieb Simon schon 2019. Diese Gründe — die verblassende Attraktivität des Landes — scheinen dafür zu sorgen, dass der Trend weiterhin anhält.

Möglicherweise ist die 80jährige Dame SVP altersbedingt so geschwächt, dass sie einen Kurswechsel nicht mehr schafft. Was sie noch zu schaffen scheint, ist — siehe oben — die Selbstdemontage. 2013 kreuzten noch 45,7 Prozent der Bürger:innen die SVP an, 2018 immerhin noch 41 Prozent, 2023 dann nur mehr 34,5 Prozent. Setzt sich dieser Trend fort, schrumpft die SVP 2028 auf 30 Prozent zusammen?

Trotz aller Kritik an der SVP, es wäre ein großer Schaden, für Südtirol und seine Menschen.


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Comentârs

3 responses to “Volkspartei auf Abruf.”

  1. Hartmuth Staffler avatar
    Hartmuth Staffler

    In der DDR hatte jeder SED-Funktionär seine luxuriöse Datscha. In Südtirol glaubt jeder SVP-Funktionär, Anrecht auf eine Luxusvilla auf der Alm zu haben.

  2. G.P. avatar
    G.P.

    Chapeau! Der Artikel trifft den Nagel auf den Kopf.

  3. Martin Piger avatar
    Martin Piger

    Nachdem seit vielen Jahren Menschen, die neben Partikularinteressen vorrangig das große Ganze im Blick hatten, aus der Partei hinausgedrängt wurden, ist zu vermuten, dass der SVP nun einfach das Personal fehlt, das zu einer Trendwende imstande wäre. Es reicht halt nicht, eine Trendwende anzustreben nur um Wähler zurückzuholen ohne echte Überzeugung, dass und wo man in der Sache bisher falsch lag. Wer sich nur der Partikularinteressen wegen wählen ließ, wird kaum imstande sein, auf einmal auf das Ganze zu sehen, und was es braucht, damit allen gedient ist. Man muss aber sagen, dass sich diese Art der Politik bereits unter Luis Durnwalder entwickelt hat. Kompatscher ist da hineingewachsen und hat dies weiterentwickelt.
    Ich glaube, mit dem derzeitigen SVP Personal wird eine Richtungsumkehr schwer möglich sein.

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