Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
lieber Arnold,
Du ziehst die Reißleine, schreibt die Neue Südtiroler Tageszeitung, und sprichst ein Machtwort. Endlich — und das tat not. Spät, aber doch. Aber der Schaden ist leider schon angerichtet.
Du hast Anfang November als Landtagspräsident eine Delegation der bayerischen AfD-Landtagsfraktion empfangen, mit »herzlich willkommen«. Ausgerechnet die AfD-Kameradschaft, die von der Willkommenskultur nichts hält.
Musste dieser herzliche Willkommensgruß sein? Hätte es nicht gereicht, den institutionellen Empfang geschäftsmäßig kühl zu organisieren? Auch angesichts der Beobachtung dieser Partei durch den bayerischen Verfassungsschutz?
Die Mitglieder dieser Delegation sind allesamt rechtsradikal. Simon Constantini analysierte auf Brennerbasisdemokratie das von dir empfangene Trio: Elena Roon chattete 2017 mit Hitlerbildern, als Putin-Verehrerin relativiert sie — wie die gesamte Partei — den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und beteiligte sich als »Wahlbeobachterin« bei der russischen Präsidentschaftswahl. Eine Wahl-Farce mit dem AfD-Segen.
Roons Kamerad Franz Schmid hält Kontakte zur rechtsradikalen Identitären Bewegung und definiert seine AfD als Partei der autochthonen Deutschen.
Andreas Winhart ist unverhohlen antisemitisch und rassistisch, nicht von ungefähr wurde er vom Verfassungsschutz »beobachtet«. Im Visier dieses Volksvertreters sind Flüchtlinge und Migrant:innen, die er kollektiv für Straftaten und Krankheiten verantwortlich macht. Volksverhetzung, die nicht geahndet wird. Laut der Staatsanwaltschaft Traunstein übt Winhart nur sein Recht auf freie Meinungsäußerung aus.
Aber nicht nur diese drei AfD-Kameraden sind rechtsradikal positioniert. Aussagen, Redebeiträge, Interviews und Stellungnahmen, Artikel und sonstige Ergüsse von AfDlern dokumentierte der bundesdeutsche Verfassungsschutz in seinem mehr als tausend Seiten starken Gutachten. Der Bayerische Rundfunk checkte die bayerischen AfD-Mandatsträger:innnen ab, Fazit: Die Bayern-AfD ist im ganz rechten Spektrum angesiedelt.
So fällt die Fraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner mit rassistischen Äußerungen auf, schwafelt vom »bio-deutschen Blut«, wie einst die Rassentheoretiker der NSDAP. Ähnliches geben auch die beiden Stellvertreter von Ebner-Steiner von sich.
Arnold, du hast Mandatare einer Partei empfangen, die doch meilenweit von der SVP entfernt ist. Naja, seit Eurer Koalition mit der italienischen Version der AfD, mit den Fratelli d’Italia, scheint die Distanz geschrumpft zu sein.
Der bayerische AfD-Europaparlamentarier Petr Bystron, Empfänger von Putin-Rubeln, sieht in der EU den Versuch, Deutschland unsouverän zu halten. Bystron sagte 2023 auf einem AfD-Bundesparteitag: »Aus Brüssel kommt das Gift. Dort werden von den Globalisten still und heimlich Vorgaben gemacht, die später in den nationalen Parlamenten nur noch durchgewunken werden.« Globalisten steht für »internationales Judentum«.
Der bayerische AfD-Vorsitzende Stephan Protschka setzt die liberalen Demokratien mit der NS- und SED-Diktatur gleich. Auf dem Parteitag 2021 verunglimpfte Protschka die parlamentarische Demokratie als ein »faschistisches System der Altparteien«. Die SVP, einst gegründet von Anti-Nazis, eine faschistische Altpartei?
Der deutsche Verfassungsschutz kommt in seinem Gutachten zum Schluss, dass diese neue Volkspartei — Volkspartei wie einst die NSDAP — in weiten Teilen rechtsradikal ist. Fast die Hälfte der bayerischen Mandatsträger aus Landtag, Bundestag und Europaparlament — 24 von 56 gewählten Mandatsträgern — werden im Gutachten namentlich erwähnt und zitiert.
Die AfD ist verfassungsfeindlich, rassistisch und extremistischen. Das belegt das Gutachten der Verfassungsschützer, die von der AfD als Stasi verunglimpft werden. Laut diesem Gutachten sind die vielen Äußerungen der Kameradschaft keine einzelnen Entgleisungen, sondern eine Haltung, die von der Breite der AfD geteilt wird.
Die üblichen AfD- und FPÖ-Verharmloser hantieren immer wieder mit dem Demokratie-Instrument. Beide Parteien werden demokratisch gewählt, wie die Fratelli auch, das RN in Frankreich, die Vox in Spanien, Reform-UK in Großbritannien. Und? Auch die NSDAP und Mussolinis Partito Nazionale Fascista wurden demokratisch in die Parlamente gewählt. Demokraten waren sie aber keine.
Und diese Enkel der NSDAP, die AfD, werden im Südtiroler Landtag hochoffiziell vom Präsidenten willkommen geheißen. Die Nachfahren einer Partei, die Südtirol 1939 an Benito Mussolini verscherbelt hat. Zum Schaden Südtirols pflegen die angeblichen Patrioten im Landtag beste Kontakte zur AfD (AfD mit STF im Südtiroler Landtag) und deren österreichischer Schwesterpartei FPÖ. Kontakte mit Tradition.
Mit nachdenklichen Grüßen
Wolfgang Mayr
Zum Nachlesen:
- Ein JWA-Antrag als Feigenblatt
- Eine rote Linie als Farce
- In- und ausländische Extremistinnen
- Die Anastacia der Meraner Kabarettage
- Quod non licet AfD … licet FdI
- Rechtsextremist bei STF-Landesversammlung
- Stauder findet Weidel »hochqualifiziert«
- Die Sorben und die AfD
- Der hässliche Deutsche

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