Den digitalen Einheitsschalter für das Bauwesen (ESB) und die massive Einschränkung des Rechts auf Gebrauch der deutschen Sprache, die er mit sich gebracht hat, hatte ich schon thematisiert.
Anders als das Trentino, wo keine Zwei- bzw. Dreisprachigkeitspflicht gilt, hat Südtirol die Gestaltung des ESB ohne Not den italienischen Handelskammern und somit einem staatsweiten Player in die Hand gegeben, der die schwerwiegenden Probleme mit der deutschen Sprache seit Jahren nicht in den Griff bekommt. Wir kennen das aus vielen anderen Bereichen.
Ein eklatantes Beispiel möchte ich diesmal beschreiben, unter anderem weil es zeigt, dass die italienische Einsprachigkeit nicht auf das Portal an sich beschränkt bleibt.
Seitdem sich Südtirol mit dem neuen Landesgesetz für Raum und Landschaft Nr. 9/2018 (LGRL) trotz Vorzeigeautonomie™ weitgehend den staatlichen Regeln unterwerfen musste, obwohl es das nie wollte, gibt es für Bauwerke so etwas wie eine von der Gemeinde ausgestellte Benützungsgenehmigung nicht mehr. In neuer Verantwortungsumkehr ist es (zum Beispiel) die Architektin, die in einem hoch bürokratischen Verfahren gegenüber der Gemeinde die Bezugsfertigkeit »beeiden« — und somit den Ämtern die gesamte Verantwortung abnehmen — muss.
Als Beleg für die selbst erklärte Bezugsfertigkeit spuckt das ESB-Portal der Gemeinde eine Abgabebestätigung aus, die in ihrer deutschen Fassung folgendermaßen aussieht:
Bezugsfertigkeit – Schwärzungen und gelbe Hervorhebungen von mir
Ich wiederhole es: Dies soll nicht eine zweisprachige oder die italienische Fassung der »Bezugsfertigkeit« sein, sondern die einsprachig deutsche, wie sie von den Südtiroler Gemeinden deutschsprachigen Bürgerinnen ausgegeben wird. Die bis vor wenigen Jahren üblichen Benützungsgenehmigungen waren hingegen in der Regel perfekt zweisprachig.
Neben der Schwärzung der persönlichen Daten habe ich auf dem Wisch oben alles hervorgehoben, was in deutscher Sprache angegeben ist. Der Bequemlichkeit halber, denn wenn ich markiert hätte, was illegalerweise nicht auf Deutsch aufscheint, wäre so gut wie die ganze Seite gelb geworden.
Zudem ist der Satz
Positiver Abschluss der Akte und Übermittlung der entsprechenden Mitteilung
auch noch unklar formuliert ist, weil er suggeriert, dass es noch eine gesonderte Mitteilung gebe — was nicht der Fall ist.
Eine wichtige Unterlage, die jedes Jahr wohl tausendfach ausgegeben wird und dann in Ämtern, Architekturbüros, Notariatskanzleien, Banken und in den Haushalten der Eigentümerinnen landet, existiert nur noch in einer 100% italienischen oder wahlweise in einer 95% italienischen Fassung, die ich etwas undiplomatisch als amtliche Verarschung bezeichnen würde.
So gewöhnen uns neben dem Staat inzwischen auch das Land und die Gemeinden immer mehr daran, dass insbesondere digitale Unterlagen und Portale oft nur noch auf Italienisch und höchstens teilweise in — oft gebrochenem — Deutsch verfügbar sind. Mit dieser nahezu systematischen Marginalisierung verhindert man einen Sprachwechsel (aka sprachliche Assimilierung) nicht, sondern bereitet ihn aktiv vor und treibt ihn voran.
Parallel dazu sprechen oft Beamte (etwa im Bauamt der Gemeinde Bozen, aber längst nicht mehr nur dort) aufgrund des Personalmangels™ ebenfalls kein Deutsch.
Ohnehin beschränkt sich die Autonomie immer öfter auf das weitgehende Abschreiben staatlicher Gesetze, um Anfechtungen vorzubeugen. Die Zwei- und Dreisprachigkeitspflicht scheint dabei oft nur noch eine lästige Bürde zu sein, die man lieber langsam auslaufen lassen möchte.
Cëla enghe: 01
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