Bei den jüngsten Kommunal- und Regionalwahlen in Spanien kam es zu großen Umwälzungen. Über Madrid und València, wo die neuen Bürgermeisterinnen bereits angekündigt haben, Straßenbezeichnungen eliminieren zu wollen, die sich auf den Franquismus beziehen, hatte ich bereits berichtet.
Doch auch auf regionaler Ebene kam es vielfach zu Regierungswechseln, so etwa in der Region València (País Valencià) und auf den Balearen. Beide katalanischsprachigen Gebiete waren vom konservativ-zentralistischen PP regiert worden und haben nun wieder linke Regierungen. Da sich die Linken in ihrer Sprach- und Kulturpolitik tendenziell am Vorbild Kataloniens (Principat de Catalunya) orientieren, macht sich nun Hoffnung breit, dass die vom PP benachteiligte katalanische Sprache wieder aufblüht. Besonders im País Valencià gibt es diesbezüglich viel zu tun, da der PP dort 20 Jahre ununterbrochen regiert hatte.
Für das katalanische Nachrichtenportal Vilaweb schrieb Professor Ferran Suay nun den beachtlichen Artikel »Política lingüística per a un país en construcció« (Sprachpolitik für ein Land im Aufbau), aus dem ich hier einige Passagen zitieren möchte, von denen manche auch für Südtirol gelten. Insgesamt zählt Suay zehn Prioritäten für eine gelingende neue Sprachpolitik im País Valencià auf.
Die Gewählten dieser Legislatur tragen die Verantwortung, einen korrekten, würdigen und konsistenten Gebrauch der valencianischen Sprache [also der valencianischen Variante des Katalanischen, Anm.] zu machen, ohne sich automatisch der Sprache der Gegenseite unterzuordnen. Es ist wichtig, dass sie nicht den absurden Fehler begehen, all ihre öffentlichen Äußerungen selbst zu übersetzen. Dies zu tun, wäre eine Erniedrigung für sie und für die [katalanische] Sprache, da damit die klare Botschaft vermittelt wird, dass die Kenntnis des Katalanischen unnötig und somit irrelevant ist.
Unter der Führung des PP war die valencianische Verwaltung, was den internen Sprachgebrauch betrifft, nicht von jener in spanischsprachigen Regionen zu unterscheiden. »Alles auf Spanisch und für das Spanische« scheint die Maxime der letzten zwanzig Jahre gelautet zu haben. Als BürgerInnen mussten wir ausdrücklich darum bitten (oft auch mehrmals), dass sich die Verwaltung auf Valencianisch an uns wendet, um Mitteilungen in unserer Sprache — meist voller Rechtschreibfehler — zu bekommen. Die landeseigene Sprache muss nun normalisiert und als vorrangig in der internen und externen Kommunikation definiert werden.
Ein Erfolg der Sprachvernichter war es, uns die Auffassung einzureden, dass »die Sprache« ausschließlich den Bildungsbereich betrifft (um sie dann auch dort zu majorisieren). Um die Falschheit dieser Idee zu verstehen möge die Feststellung ausreichen, dass es für die andere Amtssprache (die einzige wirkliche Amtssprache: das Spanische) keine derartige Restriktion gibt. Die Sprache ist eines der transversalsten Elemente jeder Gesellschaft. Weder das Gesundheitssystem, noch die Wirtschaft, noch die Stadtplanung, noch irgendein anderer Aspekt des gesellschaftlichen Lebens finden ohne Sprache statt.
Ich erinnere daran, dass es einen Teil der valencianischen Bevölkerung gibt (den, der sich auf Spanisch verständigt), dessen sprachlichen Rechte bereits voll und effektiv anerkannt sind. Es sind die Rechte der Valencianischsprachigen, die verteidigt und gefördert werden müssen, um sie an jene ihrer Nachbarn anzugleichen. Keine demokratische Gesellschaft darf die Existenz von BürgerInnen erster und zweiter Klasse dulden; doch genau dies passiert derzeit im País Valencià.
Die Ortschaften in Kastilien haben einen Namen: ihren eigenen. Die Ortschaften der Region València haben deren zwei: ihren eigenen und eine kastilisierte Version. Die Straßen[schilder] sind voller Absurditäten wie Elx/Elche, Sagunt/Sagunto oder Benicàssim/Benicasim, die keine relevante Information beinhalten und gleichzeitig das Bild einer Unterordnung (Subordination) vermitteln. Jedes Dorf und jede Stadt sollte [wie in Katalonien oder in Galicien, Anm.] nur einen Namen haben, den jeder gemäß seiner phonetischen Fähigkeiten aussprechen wird.
Die »suprematistische« Zweisprachigkeit abschaffen: Das Grundprinzip dieser Perversion ist es, dass alles, was auf Katalanisch geschrieben wird, auch auf Spanisch übersetzt werden muss, aber nicht [immer] umgekehrt. Das betrifft nicht nur die Ortsnamen — und vermittelt den Eindruck, dass die Landessprache völlig vernachlässigbar ist. Noch mehr: dass sich niemand daran »anstecken« soll, indem er sie lesen muss. Deshalb gibt es sogar Übersetzungen für so schwierige Botschaften wie »Nord/Norte« oder »Direcció/Dirección«. Das ist eine Beleidigung für das Katalanische und für die Intelligenz der LeserInnen. Jeder, der versteht, was »Norte« heißt, weiß auch, was »Nord« bedeutet, ohne einer Übersetzung zu bedürfen.
Den Privatsektor erreichen: Ein weiterer großer Erfolg der Sprachvernichtungspolitik, die wir ertragen mussten, ist eine Gesetzgebung, die das Valencianische im Privatbereich nicht schützt. Läden, Geschäfte oder große Supermärkte unterliegen [anders als z.B. in Katalonien, Anm.] keiner gesetzlichen Verpflichtung, die Rechte der Valencianischsprachigen einzuhalten. Alles wird dem guten Willen der Betriebe überlassen.
[…]
Übersetzung:
Leider gleicht die Südtiroler »Vorzeigeautonomie« vielfach eher der von 20 Jahren PP-Politik »geschädigten« Situation im País Valencià als dem katalanischen Modell.
Ferran Suay ist Doktor der Psychologie und führendes Mitglied von Acció Cultural del País Valencià und der Plataforma per la llengua
Siehe auch: 01
02
03
04
05
06
|| 01
02
03
Scrì na resposta