Bei den Landtagswahlen überrascht die Volkspartei immer wieder mit Kandidatinnen und Kandidaten. Aber.
Totgesagte leben länger. In den verschiedenen, angeblich ach so sozialen Medien schrieben Userinnen und User die SVP bereits ins Abseits, ins politische Aus.
Der Skandal um die »Freunde im Edelweiß«, die Bauernmandatare als Partei in der Partei, das ständige Stänkern gegen Landeshauptmann Arno Kompatscher, die grenzenlose Wirtschaftslastigkeit der Partei geben tatsächlich kein besonders gutes Bild der SVP ab.
Eine Umfrage der Tageszeitung Dolomiten soll den Niedergang belegen, der SVP drohe ein Debakel, orakelten die digitalen Dolomiten — Südtirol Online — über den Ausgang der anstehenden Landtagswahlen. Nach dem Ausscheren von Thomas Widmann aus der SVP pushen die Athesia-Medien ihn und seine SVP-Gegenliste.
Trotzdem gelang es dem Parteiobmann und dem Landeshauptmann, frische Kandidatinnen und Kandidaten für die Landtagswahlen zu finden. Beispielsweise Jutta Telser, die Präsidentin des Meraner Stadttheater- und Kulturvereins oder Marta von Wohlgemuth, die engagierte Geschäftsführerin des Landesverbandes der Sozialberufe. Jutta Telser steht für nicht konforme Kultur in der Touristenhochburg Meran. Von Wohlgemuth ist keine Leisetreterin — im Gegenteil, die Wochenzeitung ff würdigte sie als rebellisch, gegen die Landesverwaltung.
Mit dabei auch der SGB/CISL-Gewerkschafter Dieter Mayr, links positioniert, ein vehementer Verfechter von Arbeitnehmerinnen-Rechten in einem Land, das von den potenten Wirtschaftsverbänden in politischer Geiselhaft gehalten wird. Sein Gegenstück ist der rührige Manager Thomas Aichner, der sein Können bei der IDM beweisen konnte.
Für Bürgernähe stehen die ehemaligen Bürgermeisterinnen Rosmarie Pamer, Peter Brunner und Paul Lintner, die in ihren Gemeinden auf großen Zuspruch zählen können. Ob das ausstrahlen kann?
Kandidatin Gabriele Morandell legte sich als Volksanwältin mit der Politik an. Die Politik, kritisierte sie, »hört uns nicht«.
Der Landeshauptmann konnte den langjährigen Kinderarzt Hubert Messner für eine Kandidatur gewinnen. Ein Kandidat ohne Parteikartl, der Wert darauf legt, unabhängig zu sein. Für die Sache, für das Gesundheitswesen, Hubert Messner ist kein Parteimensch.
Auf den Plakaten scheinen diese unorthodoxen Kandidatinnen und Kandidaten nicht auf. Sie werden im Stich gelassen, in der anlaufenden Kampagne nicht mitgenommen. Schämt sich die SVP, drücken sich die Parteigremien an diese Kandidatinnen vorbei, weil sie nicht den Stallgeruch haben?
So wie schon vor fünf Jahren: Christa Ladurner, in der AG Vereinbarkeit Familie und Beruf aktiv, Martin Telser vom Dachverband für Soziales, der unbequeme und unberechenbare ehemalige Kastelruther Oppositionelle und Bürgermeister Andreas Colli oder die Vinschgauer Kandidatin Elfi Kirmaier wurden im Wahlkampf — der von Thomas Widmann geleitet wurde — links liegen gelassen. Das gilt auch für Bernd Gänsbacher, den Immunologen, der die Corona-Politik des Landes mit seiner Kritik ordentlich nervte. Diese »anderen Südtirolerinnen« durften zwar die Wahlliste füllen, konnten auf die Partei aber nicht zählen.
Der Malser Bürgermeister Ulrich Veith kam gar nicht auf die Landtagsliste, weil er mit seinem Pestizid-Referendum den mächtigen Bauernbund nervte. Die Neue Südtiroler Tageszeitung zitierte dazu damals einen SVP-Landtagsabgeordneten: »Wenn Achammer den Veith tatsächlich aufstellt, dann steigt die Partei auf die Barrikaden« — und ein Bezirksobmann ergänzte: »Leute wie Andreas Colli und Ulrich Veith spucken in den Teller, von dem sie essen.«
Drastische Aussagen, die man in der Partei über die »Freunde im Edelweiß« so nie gehört hat.
Vor fünf Jahren und jetzt auch wieder gibt es im SVP-Chor Sängerinnen und Sänger, die nicht stromlinienförmig sind, nicht mainstream. Und wo bleiben diese Stimmen zwischen den Wahlen? Überraschenderweise gelingt es der SVP immer wieder, neue Kandidatinnen zu gewinnen. Ihre Chancen werden aber von den Parteistrukturen kleingehalten.
Jüngstes Beispiel dafür ist Lea Casal, bis vor wenigen Tagen noch SVP-Ratsmitglied in Margreid. Sie wechselte zu den Grünen. Casal erhielt vor drei Jahren bei den Gemeindewahlen viele Vorzugsstimmen, trotzdem wurde sie nicht in den Gemeindeausschuss berufen. »Zu jung«, lautete eines der Argumente.
In einem Salto-Interview erzählte Casal 2021 von der Stimmung im Dorf:
Vor den Wahlen habe ich vielfach gehört: Endlich kommen neue Leute in den Gemeinderat! Auch direkt nach den Wahlen waren viele mit dem Ergebnis zufrieden, aber jetzt, ein Jahr danach, heißt es schon: Wann sind die nächsten Wahlen?! Die Enttäuschung im Dorf ist allgemein sehr groß.
– Lea Casal
Offensichtlich haben weder der Bezirks- noch der Parteiobmann dieses Interview damals gelesen. Warum auch? Das Machtkartell in der Partei empfindet diese Persönlichkeiten wahrscheinlich als lästig, als Störenfriede. Damit vergibt die Partei die Chance, sich zu erneuern. Ob das gar nicht erwünscht oder gewollt wird?
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