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Koloniales Kulturverständnis in Bozen.

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Vor wenigen Tagen hat Valentino Liberto auf Salto das angebliche Mitspracherecht von Johanna Ramoser bezüglich deutscher Kultur in der Landeshauptstadt thematisiert. Die SVP-Stadträtin hatte in einer an mehrere Bozner Vereine gerichteten Mitteilung angegeben, ihr sei »auch in dieser Amtsperiode« die entsprechende Kompetenz zugewiesen worden. Dabei hat sie entweder zu dick aufgetragen oder — wie ihr in dem Beitrag vorgeworfen wird — sogar die Unwahrheit gesagt: Die einschlägige Zuständigkeit ist nämlich in Bozen nicht nach Sprachen aufgeteilt, sondern nach Bereichen, und zwar zwischen Bürgermeister Claudio Corrarati, seinem Vize Stephan Konder (SVP) und Stadtrat Claudio Della Ratta.

In dem Salto-Beitrag wird ausgiebig die bisherige Bozner Kulturstadträtin Chiara Rabini (Grüne) zitiert, die noch die ungeteilte Zuständigkeit für alle Kulturbereiche innehatte und die sich geradezu herablassend über Ramoser und deren damals tatsächlich existierendes Mitspracherecht äußert. Sie, Rabini, habe Ramoser lediglich über bereits gefällte Entscheidungen informiert, das wars.

Gerade von einer Grünen finde ich nicht nur diesen Ton, sondern auch das zur Schau gestellte Amtsverständnis höchst fragwürdig. Die »interethnische« Partei macht sich seit Jahren für eine landesweite Zusammenlegung von Schulen, Ressorts und Kulturetats aller Sprachgruppen stark und exerziert dann — medienwirksam — vor, was das für die Sprachminderheiten bedeuten würde, nämlich nichts Gutes. Von Teilhabe, Partizipation und Mitbestimmung ist ihren Worten nichts zu entnehmen, und das obwohl sich die deutsche Sprachgruppe in Bozen sogar in einer doppelten Minderheitenrolle befindet, da hier auch auf kommunaler Ebene die italienische Sprachgruppe klar überwiegt.

Zudem hinterlassen Rabini und Mittelinks (samt SVP) eine Landeshauptstadt mit einer konstant schrumpfenden deutschen Sprachgruppe und ohne eine wie auch immer geartete Sprachpolitik, um diesem Niedergang entgegenzuwirken. Im Gegenteil.

Rabini selbst identifiziert sich nicht als Mitglied der deutschen Sprachgemeinschaft. Dass aber ausgerechnet in einer prekären Umgebung wie der der Landeshauptstadt keine Deutschsprachige für die Kultur — und sei es zumindest nur die »deutsche« — zuständig ist, halte ich für eine absolute Anomalie und für ein Armutszeugnis. Wenn aber diejenige, die diese Kompetenz innehat, die Minderheitensprache noch nicht einmal gut beherrscht und dann zu allem Überfluss mit Selbstgefälligkeit und Arroganz glänzt, ist das ein regelrechter Skandal.

Dass das die SVP über Jahre hingenommen haben soll, spricht natürlich auch gegen sie. Was macht die Vertretung der deutschen Minderheit in einer Stadtregierung, wenn sie die Kulturpolitik der deutschen Minderheit weder leitet noch maßgeblich beeinflussen kann?

Doch leider würde mich das auch nicht wundern, nachdem zum Beispiel Vizebürgermeister Luis Walcher (SVP) bei Pressekonferenzen nur Italienisch gesprochen hat, obwohl er das Amt ausdrücklich als Vertreter der deutschen Sprachgruppe innehatte.

Dass eine Vertreterin der nationalen Mehrheit die Kultur-, Schul- oder Sprachpolitik in einem Minderheitengebiet leitet, und das sogar noch ohne die jeweilige Sprache hervorragend zu beherrschen, ist mir aus keiner vergleichbaren Region geläufig: Weder in Katalonien, Euskadi/Baskenland, Galicien, Cymru/Wales oder Québec wäre das vermutlich vorstellbar, schon gar nicht in einer angeblich »progessiven« Koalition.

Jetzt wurde dieses zweifelhafte Modell erstmals auch in Sterzing eingeführt, wobei es auch in diesem Fall eine Vertreterin der nationalen Mehrheit ist, die ein ungeteiltes Schulressort übernommen hat. Aber vielleicht kann sie ja, im Unterschied zu Rabini, wenigstens gescheit Deutsch?

Cëla enghe: 01 02 03 04 05 | 06 | 07



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Comentârs

2 responses to “Koloniales Kulturverständnis in Bozen.”

  1. Martin Brugger avatar
    Martin Brugger

    Gut gebrüllt, Löwe! Ich habe mich auch oft darüber gewundert, warum in Bozen jahrelang so eine Art “Mäuschen duck dich” – Politik” betrieben wurde, fern und abseits von öffentlichen Diskussionen zwischen den Sprachgruppen, die auch hart hätten ausgetragen werden können, die aber das “Salz in der Suppe” gewesen wären und wahrscheinlich nicht zu diesen “Eruptionen” mentaler Exkremente geführt hätten, wie wir sie jetzt erleben.

    Mir schien und scheint es oft so, als gehe es nur darum, sich politisch und sprach- und volksgruppen- übergreifend zu “arrangieren”. So etwa funktioniert der Proporz bei gut dotierten Posten eigentlich recht gut: du bekommst das, du jenes und du da, dies, aber: “lei a Ruah geben, weil die eine Hand wäscht die andere!”

    Und wenn ich denke, in wie viel “Beton” die Südtirolpolitik in den letzten Jahren investiert hat und damit auch Steuergeld “vernichtet” hat, dann kommt einem schon die Vermutung, als ginge es nur darum, Strukturen und Pöstchen für ausrangierte Politiker, für Vettern oder für “zuverlässige Jasager” zu schaffen.

    Was nun die Aussendung von Frau Ramoser angeht, so wäre es hilfreich zu wissen, ob sie sich mit Vize-Bürgermeister Konder darüber abgestimmt hat, oder ob es ein Alleingang war. Letzteres haben wir ja schon erlebt, als unlängst – und noch vor den Wahlen – der “Schulstreit” vom Zaun gebrochen wurde, der aus meiner Sicht widerlich und abscheulich geführt wurde und in Rücktrittsaufforderungen gegipfelt ist.

    Cui bono? Es hatte den Anschein, als wollte man sich nur für die Gemeinderatswahlen ein Thema zurecht legen, um sich zu profilieren und politisches Kleingeld zu verdienen, indem die Südtiroler “aufgegeilt” werden sollten.

    Das ist gelungen, denn wie so oft lassen sich gar einige Südtiroler mit “Reizthemen” blenden und einige potente Medien haben da “bravourös” mitgespielt. Es hat geradezu eine “Hexenverfolgung” stattgefunden und ich wunderte mich schon darüber, warum jene Frauen, die sonst immer “Habt Acht!” stehen, wenn es um Frauenrechte geht oder darum, andere Frauen in Schutz zu nehmen in der “Mäuschen duck dich Stellung” verharrt sind! Mehr möchte ich dazu nicht sagen, auch wenn es noch viel zu sagen gäbe.

    Aber man brauchte ja ein Wahlthema, denn bis dato war es den nicht einmal gelungen, in Bozen ein paar öffentliche und betreute WC’s aufzustellen. Die Kacke stinkt zum Himmel!

  2. Martin Piger avatar
    Martin Piger

    Es scheint, dass die SVP immer mehr zu einer Statthalter-Partei für die Regierung in Rom verkommt.
    Interessensvertretung der deutsch-und ladinischsprachigen Südtiroler sähe anders aus. Immer wieder ein Paar fürs tumbe Wahlvolk gut vermarktbare Aktionen, wie jetzt vom Landeshauptmann bei den einsprachigen Briefmarken (schaut fast so aus, als ob das ein abgekartetes Spiel gewesen wäre, damit sich unser LH wieder ein bisschen profilieren kann, um bei den Südtirolern nach seinem zuletzt schwachen Agieren wieder Punkte zu sammeln), aber im Kern, beim Wesentlichen, schaut’s mau aus.

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