Vor wenigen Tagen veröffentlichte die italienische Tageszeitung la Repubblica einen Beitrag von Matteo Pucciarelli, in dem die Einführung der vom Faschismus oktroyierten Landesbezeichnung »Alto Adige« in den deutschen Namen der Region Trentino-Südtirol thematisiert wird. Unter dem Titel Fratelli d’Italia will mit dem Einverständnis der SVP den Namen Alto Adige neben Südtirol durchsetzen1Übersetzung von mir – Original: Fratelli d’Italia vuole imporre il nome Alto Adige accanto a Südtirol. Con l’ok di Svp wird auch die Genese der »italienischen« Ortsnamensgebung in Südtirol nachgezeichnet und einer breiteren Öffentlichkeit im Staat bekannt gemacht. Unter anderem heißt es da:
Seit den Zeiten der faschistischen Maßnahmen zur Zwangsitalianisierung waren die Deutschen nicht gezwungen, eine fremde Bezeichnung benutzen zu müssen. Während des Faschismus wurde »Südtirol« verboten und im Deutschen mit »Oberetsch« ersetzt, der Übersetzung von »Alto Adige«: ein von Napoleon erfundenes Toponym, das dann — mit veränderter geografischer Abgrenzung — vom Faschismus übernommen wurde, der der Theorie der natürlichen Grenzen folgte.
– Matteo Pucciarelli, la Repubblica
Eine kulturelle Kolonisierung, die von einer verfälschten historischen Annahme ausging: [Ettore] Tolomei behauptete, es seien die Deutschen gewesen, die Südtirol besetzt hätten. Deshalb müsse man sich jetzt das alte römische Siedlungsgebiet zurückholen, indem Italiener dazu aufgefordert werden, das Gebiet im Tausch gegen einen Arbeitsplatz und andere Vergünstigungen zu besiedeln. So kamen Tausende voller Hoffnung, auch aus Süditalien. Und da Worte manchmal zählen, aber manchmal alles sind und uns definieren, musste man bei ihnen ansetzen. Während des Faschismus wurden alle sprachlichen Minderheiten verfolgt. Zum Beispiel litten die Slowenen in Julien unter Gewalt, Plünderungen und Deportationen. Auch im Aostatal und in einigen okzitanischen Gemeinden des Piemont wurde die Ortsnamensgebung italianisiert, doch nach dem Krieg wurden die authentischen Namen wiederhergestellt: Im Aostatal etwa kehrten die Namen Châtillon, das im Faschismus in Castiglione umbenannt worden war, La Thuile (Porta Littoria), Courmayeur (Cormaiore), Saint-Vincent (San Vincenzo della Fonte) und so weiter zurück. In Südtirol jedoch nicht.
– Matteo Pucciarelli, la Repubblica
Verlinkungen und Übersetzungen von mir (Original anzeigen)
È dal tempo dei provvedimenti fascisti per l’italianizzazione forzata che i tedeschi non si ritrovano a dover usare la dizione altrui. Al tempo del fascismo “Südtirol” fu messo al bando e sostituito, in tedesco, da “Öberetsch” (sic), che è la traduzione di “Alto Adige”: un toponimo inventato da Napoleone e poi adottato – cambiandone i contorni geografici – dal fascismo, il quale seguiva la teoria dei confini naturali.
[…]
Una colonizzazione culturale che partì da un presupposto storico falsato: erano stati i tedeschi ad occupare il Sud Tirolo, sosteneva Tolomei. Perciò adesso bisognava riprendersi l’antico insediamento romano, invitando gli italiani a popolare il territorio in cambio di lavoro ed altre agevolazioni. Così di speranzosi ne arrivarono a migliaia, anche dal sud. E visto che le parole a volte contano, ma altre volte sono tutto e ci identificano, bisognava partire da quelle. Durante il fascismo tutte le minoranze linguistiche furono perseguitate. Per esempio, gli sloveni della Venezia Giulia subirono violenze, saccheggi, deportazioni. Anche in Valle d’Aosta e in alcuni comuni piemontesi di lingua occitana la toponomastica fu italianizzata, ma nel dopoguerra i nomi autentici furono ripristinati: in Valle d’Aosta, per esempio, tornarono i nomi di Châtillon, in epoca fascista italianizzato in Castiglione, La Thuille (Porta Littoria), Courmayeur (Cormaiore), Saint-Vincent (San Vincenzo della Fonte) e così via. Non fu così nel territorio ‘sudtirolese’.
– Matteo Pucciarelli, la Repubblica
Es kommt selten genug vor, dass in staatsweiten italienischen Medien einigermaßen korrekt und sogar selbstkritisch über solche Themen berichtet wird. Hier aber weist ein Autor sogar darauf hin, dass die SVP die Italianisierungspolitik der politischen Erben von Tolomei mitträgt. Das dürfte nahezu einmalig sein — und sollte uns vielleicht zu denken geben.
- 1Übersetzung von mir – Original: Fratelli d’Italia vuole imporre il nome Alto Adige accanto a Südtirol. Con l’ok di Svp
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