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Wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt.

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Bergbauernvertreter Alberich Hofer darf auf Südtirol Online laut sagen, was sich der Bauernbund denkt

Alberich Hofer vom Steinerhof im Pfelders ist ein Tausendsassa. Er vertritt die Bergbauern im Bauernbund, ist ein erfolgreicher Bauer samt Urlaub auf seinem Hof, Obmann des Rinderzuchtverbandes, aktiv für die Liftanlagen in Pfelders, lange Leiter des Jugendbüros und Mitglied der SVP-Bezirksleitung Burggrafenamt. Kein Außenseiter, er ist ein Schwergewicht.

Hofer ist der Chef der Bergbauern im Bauernbund. Das ideologische Rückgrat des ländlichen Raumes, wie die landwirtschaftlich geprägten Regionen im EU-Jargon charmant heißen. »Er ist bekannt dafür, dass er sagt, was er sich denkt«, beschreibt Stol Hofer in der Anmoderation. In dem Podcast wird Hofer zum Wahlerklärer, zum Hermann Atz der bäuerlichen Wählerstromanalyse.

Die bäuerlichen Wählenden haben demnach bei den Landtagswahlen im Oktober kurzerhand die bäuerlichen SVP-Kandidierenden für die Politik der Landesregierung abgestraft, wegen des Bettenstopps, der Raumordnung, Wolf und Bär, wegen aller möglichen und unmöglichen Auflagen, die angeblich bäuerliches Wirtschaften erschweren.

Gewählt wurden stattdessen die Liste von Jürgen Wirth-Anderlan und die Süd-Tiroler Freiheit. Empfindlich für die SVP verstand sich das bäuerliche Wählervolk erstmals nicht mehr als Wählerreservoir für die Volkspartei. Demokratische Emanzipation von der jahrzehntelangen gepflegten und ritualisierten traditionellen Bindung zwischen bäuerlicher Landbevölkerung und SVP. Im Vorfeld aber drückte der Bauernbund der SVP — langjährige erfolgreiche Praxis — seine Kandidaten auf. Die SBB-Mitglieder samt Anhang ließen die eigenen Kandidaten diesmal aber im Stich.

Hofer ohne Selbstzweifel

Selbstzweifel plagen Alberich Hofer offenbar nicht. Über weite Strecken prägten nämlich die Bauernbund-Vertreter in den vergangenen Jahren die Politik der Landesregierung, drückten oft kaltschnäuzig eine unverhohlene Interessenpolitik durch. Weil Lobbyismus positiv ist, bekannte sich Bauernbund-Obmann Leo Tiefenthaler zum direkten Einmischen seines Verbandes in die Politik. Das ging so weit, dass dieses Wirken der bäuerlichen Lobby den Widerspruch der touristischen Lobby anregte. Sonderinteressen gegen Sonderinteressen, abgemildert erst im Landtag, von der Volksvertretung. Ob das die Abgehobenheit ist, wie Bergbauernsprecher Hofer im Stol-Podcast kritisiert?

Lobbyismus gehört zweifelsohne zum demokratischen — aber doch auch unsympathischen — Spiel der unterschiedlichen Kräfte. Die potenten Wirtschaftsverbände sind den Gewerkschaften haushoch überlegen, die von den Verbänden auf die SVP-Liste gehievten Kandidatinnen und Kandidaten waren immer deren Gewähr für eine lobbynahe Politik. Bei den letzten Landtagswahlen ist diese Politik nun kräftig abgestraft worden. Nicht nur der HGV und der LVH, auch und besonders der Bauernbund.

Was aber macht Alberich Hofer? Die Politik der Landesregierung von Landeshauptmann Arno Kompatscher kanzelt er im Stol-Podcast als abgehoben ab, weit weg vom Bürger. Kompatscher habe die Anliegen der Bürger zu wenig ernst genommen. »Es kann nicht sein, dass über die Bürger hinwegentschieden wird«, sagte der Bauernvertreter im Gespräch mit Stol-Ressortleiter Arnold Sorg. Hofer fordert Konsequenzen, der Landeshauptmann und der SVP-Obmann sollen zurücktreten.

Während Obmann Philipp Achammer sehr viele (mehr als die Hälfte) seiner Vorzugsstimmen verlor, rutschte Arno Kompatscher als Spitzenkandidat empfindlich, aber verkraftbar ab. Kompatscher-Freund und Mitkandidat Hubert Messner, kein Parteimitglied, schaffte sagenhafte 30.000 Vorzugsstimmen. Zweitplatziert. Er rettete die SVP vor dem Totaleinbruch, Messner als Notarzt gegen den sich ausweitenden Wählerschwund.

Ohne Kompatscher und Achammer

Das ficht Hofer nicht an. Im Gegenteil, ein Neubeginn ist lauf Hofer nur ohne Kompatscher und Achammer möglich. Ganz im Sinne der »Freunde im Edelweiß«, die Kompatscher schon vor fünf Jahren verräumen wollten. Damals oktroyierte das Machtkartell aus Bauernbund und Athesia Kompatscher eine Koalition mit der Salvini-Lega auf, die sich im europäischen Verbund der Rechtsradikalen und Putin-Fans eingerichtet hat. Er beugte sich dem Diktat.

Seit dem Wahlsieg der neofaschistischen Fratelli d’Italia vor mehr als einem Jahr rückte der Bauernbund ungeniert hin zur Meloni-Partei. Wie auch das Medien-Unternehmen Athesia. Der SBB ist regelrecht verzückt von Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida. Dieser versprach schnelle Abschüsse von Wölfen und Bären, die Bauernbündler applaudierten frenetisch. Passiert ist nichts.

Die Bauernbund-Granden kümmert wenig, für welche Werte Lollobrigida steht. Wahrscheinlich gibt es viele Schnittmengen, kollektiv gegen Migranten und Flüchtlinge, gegen Schwule und Lesben, gegen Diverse, gegen die offene Gesellschaft. Doch Kamerad Lollobrigida betätigte sich auch als ein strikter Südtirol-Feind, er war das parlamentarische Sprachrohr seines Parteikameraden Alessandro Urzì. Lollobrigida ist kein Hinterbänkler der Fratelli, sondern der Schwager der Ministerpräsidentin.

Für die Fratelli

Egal, Alberich Hofer spricht sich im Stol-Podcast für eine Koalition mit »Mitte-Rechts« aus. Weil die Linken — Hofer verweist auf Deutschland — das Land angeblich an die Wand fahren. Die Rechten seien pragmatisch, sie entscheiden, die Linke zerrede die Politik. Deshalb ist er für eine Landesregierung mit den ausgewiesenen Nationalisten Christian Bianchi von der Lega sowie Anna Scarafoni und Marco Galateo von den Fratelli.

Das Drehbuch für die angepeilte Koalition der SVP mit den italienischen Rechtsextremen war schon geschrieben. Dementsprechend wurden die Sitzungen der SVP-Gremien »orchestriert«, in den Einladungen zu den Sitzungen von Leitung und Ausschuss fehlte der Tagesordnungspunkt »Abstimmungen über die Wahl der Koalitionspartner«.

Eine gezielte Unterlassung? Tatsächlich fehlte knapp die Hälfte der Ausschussmitglieder. Eine herbeigeführte Chance für den rechten Block im Ausschuss? Dazu gehören inzwischen nicht mehr nur die üblichen Verdächtigen, sondern auch die Arbeitnehmer und vermeintliche Kompatscher-Freunde wie Peter Brunner und Bauernbund-Mandatar Luis Walcher. Der angezählte Obmann, Philipp Achammer, stimmte — wenig überraschend — auch für die Fratelli d’Italia, die ersehnten neuen italienischen Partner. Weil »die« sich so grundlegend verändert haben.

Die Grüne Brigitte Foppa hat recht: Die Wahlverlierer in der SVP drücken nun dem Land eine Koalition mit den politischen Enkeln von Diktator Benito Mussolini auf. Der abermals gedemütigte Arno Kompatscher darf selbstkasteiend in der Öffentlichkeit dafür argumentieren und anschließend nach gelungener Operation großzügigerweise dieser Koalition vorstehen, der es um die Wiederherstellung der Autonomie geht. Tatsächlich?

Diese Autonomie wurde möglich, weil die liberalen Christdemokraten und mit ihnen die Kommunisten 1971 das Zweite Autonomiestatut im Parlament mit einer Zweidrittel-Verfassungsmehrheit genehmigten. SVP-Rechte verdrängen reflexartig diese Geschichte. Im Dialog mit Mitte-Links wurde die Autonomie ausgebaut. In seiner fast 30 Jahre umfassenden Parlamentsbilanz dokumentiert Karl Zeller die Autonomiefreundlichkeit der mitte-linken Regierungen. Sie verabschiedeten von insgesamt 88 Durchführungsbestimmungen (zwischen 1992 und 2018) mehr als 50. Rechts knapp mehr als 30, die meisten waren nur technische Anpassungen, ordnet Zeller diese als wenig gewichtig ein.

Diese Fakten scheinen Bergbauern-Sprecher Hofer keineswegs zu interessieren. Genauso wenig, wen Arno Kompatscher von der SVP in die Landesregierung berufen möchte. Denn es gibt schon eine klare Vorgabe für den künftigen Landeshauptmann am Gängelband. Im Stol-Podcast sagt Alberich Hofer, wer Schuler beerbt »ist schon ausgemacht«. Luis Walcher. Kompatscher als Erfüllungsgehilfe.


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Comentârs

One response to “Wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt.”

  1. Hanspeter Holzer avatar
    Hanspeter Holzer

    Ich kann aus der Sicht des (dem Untergang geweihten) Mittelstandes einen Punkt bejahen:
    Der sogenannte “Bettenstopp” ist eine der unfairsten Bestimmungen der letzten Jahrzehnte. Ausschließlich darauf ausgerichtet, der Groß- und Ressorthotellerie das Feld zu bereiten wurden unzählige Klein- und Mittelbetriebe beinahe in den Ruin getrieben oder mussten verkaufen bzw. schließen.
    Bestraft wurden lediglich jene, welche in den letzten Jahren NICHT quantitativ erweitert hatten. Die Mega-Projekte gehen unvermindert weiter – nun halt noch mehr als Verdrängungswettbewerb auf Kosten der Kleinen.
    Augenauswischerei pur.

    Gepaart mit den neuen Bestimmungen zum ASTAT (die Stasi wäre neidisch) und der Ortstaxe ist klar, wohin die Reise geht: optimierte Ausbeutung der Heimat durch zentralistische Verteilung.

    Unter dem Deckmantel der Nachhaltigkeit wird das Schwein dann noch geschminkt. Moderne Großbetriebe, deren Energiebedarf jenseits von Gut und Böse ist, bekommen eine Marketingplakette, weil sie irgendwelche Feigenblattaktionen durchführen. Nach dem Motto: “Dampfender Sky-Infinity-Pool auf dem Dach bei -15° C, aber Klimahaus und pseudogrüner Strom.”

    Südtirol schafft sich ab.

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