Die schauderhaften Bilder von Acca Larentia gingen um die Welt: Am Sonntag erhoben bei einer Gedenkveranstaltung in der italienischen Hauptstadt Hunderte den rechten Arm zum römischen Gruß und skandierten das faschistische »Presente!« (Anwesend!). Was da auf Einladung der offen faschistischen CasaPound (CPI) zu Ehren ermordeter MSI-Mitglieder vorgefallen ist, ist allerdings weder unüblich noch neu. Jahr für Jahr wiederholen sich italienweit dieselben Veranstaltungen, in Mailand im Gedenken an Sergio Ramelli, in Predappio zu Ehren von Diktator Mussolini selbst. Vielleicht waren es diesmal in Acca Larentia etwas mehr Teilnehmende1Medienberichten zufolge sollen es aber sogar weniger Teilnehmende gewesen sein, möglicherweise haben sie etwas mehr Selbstbewusstsein an den Tag gelegt, das wars dann aber auch schon.
Querbalken von mir
Größer als sonst war heuer vor allem die Empörung. Doch leider ist nicht von der Hand zu weisen, was die rechtsrechte Regierungsmehrheit in Rom in den Mittelpunkt zu rücken versucht: Die diesjährige Aufregung klingt hohl, nach Heuchelei und parteipolitischem Kalkül. Zu fordern, dass gerade die Postfaschistinnen dem Spuk ein Ende bereiten, indem sie solche Veranstaltungen verbieten, ist blauäugig. PD, 5SB und Co. müssen sich nun vorwerfen lassen, selbst nicht entschieden genug gehandelt zu haben, als Ähnliches während ihrer Regierungszeit vorgefallen ist.
Warum — wenn nicht ihrerseits aus politischem Kalkül — sollte sich gerade Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (FdI) von den jüngsten Vorfällen distanzieren? Das ist doch genau das politische Milieu, aus dem sie kommt und in dem sie groß geworden ist. Noch vor wenigen Jahren war sie, sogar als Ministerin, in Begleitung des ranghohen Neonazis Giuseppe Castellino nach Acca Larentia gepilgert. Kurz vor ihrer Wahl zur Ministerpräsidentin hatte sie ihren einschlägigen Fans darüber hinaus ausdrücklich versprochen, dass sie sie aus der politischen Verbannung holen würde. Und nach Amtsantritt verabschiedete sie strenge Maßnahmen gegen illegale Raves, während Mussolini-Fans in Predappio unbehelligt blieben.
Viele derer, die sich jetzt zu Recht so über das ungenierte Auftreten der Neofaschistinnen empören, sind trotzdem jahrelang zum Parteifest der Fratelli, Atreju, gepilgert; haben technische und sogar politische Koalitionen mit Rechtsradikalen gebildet; unkritisch an einseitigen Gedenkfeiern für die Opfer der Karsthöhlen teilgenommen; wie der Bürgermeister von Mailand, Beppe Sala (Grüne), gemeinsam mit Ignazio La Russa (FdI) die Gedenkveranstaltung für Ramelli besucht; Aufarbeitung hinausgezögert, verhindert oder sogar aktiv konterkariert. Ultranationalistische Politik betrieben. Kurzum: Sie haben den Rechtsradikalismus verharmlost, reingewaschen und gefördert. Da kann man sich eigentlich nur wundern, wer sich so alles über Acca Larentia wundert.
Auch in Südtirol hat die SVP die Lega, deren Mitgliedern die Teilnahme an solchen Veranstaltungen partout nicht fremd ist, durch die Regierungsbeteiligung normalisiert. Der nächste, logische Schritt ist die Bildung eines noch viel weiter nach rechts verlagerten Landeskabinetts. Geradezu hilflos, ja lächerlich klingt es, wenn jetzt Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) angesichts der Bilder aus Rom auf die Präambel der Regierungsvereinbarung verweist. Denn nicht die Präambel hat die Kraft, die Taten der Faschisten und das laute Schweigen der Ministerpräsidentin zu entschärfen — es ist umgekehrt: Acca Larentia zeigt unmissverständlich, dass den schönen Worten der Präambel das Fundament fehlt. Wenn Bruno Borin, Landtagskandidat der Fratelli, einen Beitrag von CPI-Mann Puglisi Ghizzi likt, in dem es um die Faschistengrüße in Rom geht, ist auch die Fiktion nicht aufrecht zu erhalten, dass es einen Unterschied zwischen FdI in Rom und Bozen gebe.
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