Kompromisse sind in der Politik so wichtig, wie der Sauerstoff zum Leben. Doch Kompromisse leben davon, dass beide Seiten nachgeben. Was sich in der Ortsnamenfrage abspielt, ist ein unwürdiges Machtspiel, das der Zentralstaat seit Jahren einseitig betreibt, indem er faschistische Positionen unterstützt.
Als der CAI und der A. Adige vor einigen Jahren mit unerhörter Vehemenz den Toponomastikstreit vom Zaun brachen, weil der Alpenverein (übrigens legal) einnamige — aber zum Teil auch einsprachige! — Wanderschilder montiert hatte, hatten auch wir darauf hingewiesen, dass die Hauptschuld beim Land liege, das sich in Jahrzehnten nicht dazu durchgerungen hatte, ein Ortsnamengesetz zu verabschieden.
Seitdem ist einiges in Bewegung geraten:
- Nachdem der Zentralstaat unter anderem damit gedroht hatte, das Heer (!) damit zu beauftragen, die Wanderschilder zu ersetzen, wurde (aufgrund eines Abkommens) eine paritätische Kommission mit Vertretern des Staates und des Landes ernannt; sie erstellte eine Liste von Ortsnamen, die in Hinkunft nur noch einnamig offiziell sein sollten. Dies, obschon der Staat nicht für die Ortsnamen in Südtirol zuständig ist — und ohne eine klar definierte Richtlinie, nach welchem Kriterium bestimmte Ortsnamen die im Faschismus erfundenen »Übersetzungen« behalten oder verlieren sollten.
- Eine zweite Staat-Land-Kommission, der auch der heutige Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) angehörte, erstellte eine weitere Ortsnamensliste. Auch in diesem Fall ist unklar, welche Kriterien zur Anwendung kamen.
- Im September 2012 beschloss dann der Südtiroler Landtag erstmals ein umfassendes Ortsnamensgesetz. Es war ein Kompromiss zwischen der Position der SVP und jener des PD, der dem Landesgesetz — trotz anderslautender Behauptungen — ebenfalls seine Zustimmung gab.
- Daraufhin pilgerten die Vertreter der postfaschistischen Parteien Südtirols (Alessandro Urzì, Donato Seppi und Maurizio Vezzali) nach Rom und erreichten, dass das Gesetz vom Staat (Regierung Monti) vor dem Verfassungsgericht angefochten wurde.
- Im Vorfeld der Parlamentswahl einigten sich SVP und PD auf ein Wahlabkommen, das unter anderem die Ausarbeitung einer Durchführungsbestimmung vorsah, die die Anfechtung hinfällig gemacht und das Ortsnamengesetz sinngemäß umgesetzt hätte. Bis heute weigert sich der PD aber, die Anfechtung zurückzuziehen.
Alpinipreisträger Florian Kronbichler (Grüne/Linke) brüstete sich damit, das im Landtag demokratisch beschlossene Gesetz konterkariert zu haben. - Inzwischen wurde die — demokratisch spärlich legitimierte — Sechserkommission mit der Ausarbeitung der Durchführungsbestimmung betraut. Öffentlichen Verlautbarungen ihrer Mitglieder zufolge einigte sie sich auf einen »Kompromiss« zwischen dem angefochtenen Ortsnamensgesetz (das bereits einen Kompromiss darstellte) und Positionen, die vor allem von der italienischen Rechten vertreten wurden.
- Aufgrund weiteren Drucks, der vor allem vom einzigen noch im Landtag vertretenen Postfaschisten, Alessandro Urzì, mithilfe staatsweiter Medien aufgebaut wurde, bat Regionenminister Costa (NCD) — nach Unterredungen mit der in Kampanien gewählten, aus Südtirol stammenden Parlamentarierin Michaela Biancofiore, Alessandro Urzì und Florian Kronbichler — die Mitglieder der Sechserkommission zu Beratungen in sein Ministerium. Medienberichten zufolge konnte nun ein erneuter »Kompromiss« gefunden werden: Wie die Postfaschisten von Anfang an gefordert hatten, werden die Vertreter einer jeden Sprachgruppe im paritätisch besetzten wissenschaftlichen Beirat für die »eigenen« Namen entscheiden. Statt zwei soll jede Sprachgruppe drei Vertreterinnen ernennen; um eine faschistische Namenserfindung abzuschaffen, bedarf es dann der Zustimmung von zwei der drei einer Sprachgruppe zuzuordnenden Verteter.
Wenn es nicht zu weiteren »Kompromissen« kommt, deren Eigenschaft bislang ausschließlich war, dass sich die Positionen in Richtung derer der Faschisten bewegt haben, haben wir also einen Kompromiss vom Kompromiss vom Kompromiss vom Kompromiss. Auf international anerkannte Richtlinien, wie jene der Expertengruppe der Vereinten Nationen für Geographische Namen (UNGEGN), wurde von Anfang an nicht Bezug genommen — und auch eine allgemeine Einsicht des Staates, dass hier ein Unrecht begangen wurde und dies nach internationalen Gepflogenheiten großzügig anzugehen sei, ist nicht festzustellen.
Siehe auch ‹1 ‹2 ‹3 ‹4 ‹5 ‹6 ‹7
28 replies on “Ortsnamen: »Kompromiss« hoch vier.”
Eigentlich sollte man bei dieser Vorgangsweise eher von Erpressung sprechen.
Diese Erpressung funktioniert nur, weil die SVP seit Jahren mitspielt.
Und am Ende wird kein einziger italienischer Ortsnamen – ob in Gebrauch oder nicht – wegkommen. Denn was auf dem Papier gut klingt und noch halbwegs nachvollziehbar erscheint (“nur die ital. Ortsnamen in Gebrauch bleiben erhalten”), wird sich letztendlich als kompletter Reinfall entpuppen. Die drei ital. Vertreter in der Kommission werden jeden ital. Ortnamen aufs Schärfste verteidigen und als “in Gebrauch” definieren.
Fakt ist doch dass kein Italiener versteht weshalb wir keine italienischen Ortsnamen haben sollten, und langsam wird es kindisch permanent deren Abschaffung zu fordern.
Warum muss denn ein Dorf, eine Stadt unbedingt einen italienischen Namen haben, nur weil es/ sie in Italien liegt?
Es muss doch auch nicht jeder italienische Staatsbürger einen italienischen Namen tragen.
Oder hat man in Italien Bedenken, dass außeritalienische Staaten Besitzansprüche auf zB die Stadt Bruneck anmelden könnten?
Dann müsste ich aber auch fürchten, dass sich SPQR die Städte Augsburg, Mainz und Köln wieder aneignen wollen, urrömische Siedlungen, terre irredente.
Auf diese Idee kommt doch in Rom unter Garantie keiner, auch dort weiß man
“Aber wehe, wehe, wehe!
Wenn ich auf das Ende sehe!!”
Vielleicht hat es etwas mit der Kultur und Siedlungsgeschichte zu tun? Aber das ist euch Globalisten ziemlich unbekannt.
Fakt ist doch, dass kein deutschsprachiger Südtiroler versteht, weshalb wir italienische Ortsnamen haben sollten, und langsam wird es kindisch, deren Erhalt zu fordern.
Fakt? Kein deutschsprachiger Südtiroler?
Bin gespannt auf dieses sensationelle Datenmaterial…lass mal sehen.
Die Fakten sind hier. Und sie entsprechen weder Libertès noch G.P.s »Fakten«.
Da täuschen Sie sich bestimmt! Wie haben denn die “deutschsprachiger Südtiroler ” bei Eröffnung der Ausstellung zum Siegesdenkmal reagiert? Vielleicht sollte daher an jeder Ortstafel bei Ihnen auch ein kleines Informationszentrum errichtet werden.
70% der Italiener in Südtirol, wahrscheinlich >95% außerhalb.
Ist schon klar. Mein Posting war “nur” eine Antwort auf Libertè’s komplett widersinniges Posting.
Dieser kindische Kram versteht einfach keiner mehr, irgendwann ist genug!
Es kann ja jeder selbst versuchen einmal einen Italiener davon zu überzeugen dass die italienischen Namen nationalistisch sind, viel Spaß!
Keiner nimmt es ernst! Wir sollten unserer eigenen Glaubwürdigkeit zuliebe darüber hinwegkommen.
Das Ganze ist jetzt 100 Jahre her, deal with it! Über Rom/Roma/Rome regt sich ja auch keiner auf!
@Libertè
Dann stellen Sie bitte am Rande Ihrer Hauptstadt ein Ortsschild auf, oben Rom unten Roma.
Mal sehen, ob sich die Römer aufregen…
Nebenbei: warum eigentlich ein Accent grave über dem e?
@sabina
g.p. hat doch nur libertes waghalsige behauptung umgedreht.
@liberte
ich find es lustig, dass du offenbar nach all der zeit immer noch nicht kapiert hast, dass es um die amtlichkeit geht, die den exonymen-gebrauch ja in keinster weise einschränkt (dein beispiel mit roma, rome, rom), jedoch gewährleistet, dass ein ort im ultental unter der endonymen und nicht der exonymen bezeichnung zu finden ist.
@liberte
natürlich nur eine vermutung, aber ich denke, dass der wert bei italienischen touristen bzw. der bevölkerung außerhalb südtirols unter 70 % und meiner einschätzung nach bestimmt nicht bei 95 % liegt.
@liberte
selbst der mächtigste politiker der welt hat nichts besseres zu tun, als sich mit solch kinderkram zu beschäftigen. die sollten nach mehreren hundert jahren endlich darüber hinwegkommen. ich würde ihn mal anschreiben, den kindskopf.
http://www.usatoday.com/story/news/politics/2015/08/30/obama-rename-nations-tallest-mountain/71426656/
Stimmt natürlich. Libertès ursprünglicher Kommentar war mir entgangen.
Um zu verstehen, dass »Vetta d’Italia« nationalistisch ist, braucht man nicht wirklich viel Grips.
Siehe auch das hier.
Möchte an dieser Stelle nochmals anregen den Inhalt dieses Artikels sowie den Ansatz der Prozentlösung bei der Ortsnamenfrage etwa in Form von Leserbriefen in der Tageszeitung “Dolomiten” oder auch in der “FF” darzulegen um eine breitere Diskussion anzuregen. Wolfgang Niederhofer als Mitglied des Konvent der 33 könnte dies übernehmen, wenn BBD in gewissen Medien nicht in Erscheinung treten will.
… genau, es geht schlicht und ergreifend darum, die historischen Namen endlich in den A M T L I C H E N Rang aufzunehmen – und zwar in der Reihenfolge wie es das Bevölkerungsverhältnis (in der jeweiligen Gemeinde/Fraktion) vorgibt …! – Nicht mehr und nicht weniger …!!
Unfassbar, welche Politiker “wir” in Rom haben. Karl Zeller – wie er leibt und lebt – in der “Neuen Südtiroler Tageszeitung”: “Jetzt streben wir eine Lösung des guten Willens an. Diese Lösung löst bei uns kein Feuerwerk der Gefühle aus. Es wird auf keiner Seite Freudensprünge geben.Sterben tut da niemand!”
Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass auch bei einer kompletten Abschaffung aller tolomeiischen Ortsnamen niemand sterben würde …