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Entgrenzte Anbiederung.

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Die SVP und ihre beschämenden Kniefälle vor ihren Partnern Fratelli d’Italia

Wieder ist es passiert. Wieder stellt sich die SVP nicht vor ihre Senatorin Julia Unterberger. Im Senat durfte »Fratello« Francesco Zaffini die SVP-Senatorin Julia Unterberger untergriffig abkanzeln. »Lerne zuerst Italienisch, bevor du redest«, kommentierte Zaffini die Kritik Unterbergers an der geplanten Abschaffung der Senator:innen auf Lebenszeit. 

Für Salto ist dieses Anpöbeln weit mehr als ein politischer Schlagabtausch. Die entsprechende Erklärung lieferte Unterberger selber, die Attacke ist schlicht und einfach minderheitenfeindlich, die Partei von Regierungschefin Giorgia Meloni (FdI) zeigt ihre bisher gekonnt versteckte Fratze.

Simon klassifiziert die wenig senatskompatiblen hate speeches als nichts anderes als südtirolfeindlichen Rassismus. Er findet: »Die Intoleranz der neofaschistischen Mobber, mit denen die SVP zu allem Überfluss in Südtirol regiert, darf nicht einfach hingenommen werden.«

Das Schweigen der SVP tut weh. Die einst große und stolze Partei kuscht. Wo bleibt die Kritik der SVP-Parlamentarier? Der Bozner PD-Senator Luigi Spagnolli, einst Partner der SVP in der Bozner Stadtregierung, heute ein politischer Gegner der Volkspartei, solidarisierte sich mit seiner Kollegin.

Weggetaucht ist auch der neue SVP-Obmann Dieter Steger. Der Kammerabgeordnete und Chef des Bozner Bezirks bleibt stumm. Genauso Landeshauptmann Arno Kompatscher, Architekt der Landesregierung aus SVP, Freiheitlichen, Lega und Fratelli d’Italia.

Der Landeshauptmann schweigt, weil er sein Großprojekt »Autonomie-Reparatur« nicht gefährden will. Kuschen, sich beleidigen und beschimpfen lassen, um die Autonomie zu stärken? Werden minderheitenfeindliche Fratelli-Abgeordnete tatsächlich die Südtirol-Autonomie ausbauen helfen? Zweifel sind da wohl angebracht. Autonomie und Minderheitenrechte zählen nicht zu den Prioritäten der Rechtsrechten. Das kümmert die Südtiroler:innen wenig bis kaum, sie finden mehrheitlich Giorgia Meloni und ihren geplanten Umbau Italiens in einen starken Zentralstaat gut.

Das bewusste Weghören von Dieter Steger ist auch nicht verwunderlich. Er verbarg nie seine Sympathien für die italienischen Rechtsparteien. Diese reichen ein stückweit zurück, ins Jahr 2005. Bei den damaligen Gemeindewahlen in Bozen setzten sich Giovanni Benussi und eine rechte Koalition aus seiner Liste, der Fratelli-Vorläuferpartei Alleanza Nazionale und Forza Italia knapp gegen Giovanni Salghetti durch. Also gegen die Mitte-Links-Parteien im Verbund mit der SVP. Steger empfahl damals seiner Partei, das Gespräch mit den rechten Wahlsiegern zu suchen, kurz und gut das Wahlergebnis zu respektieren. 

Benussi war keineswegs moderat rechts, sondern ein Bewunderer des Mussolini-Faschismus, er lobte gar das »Wirken« des Faschismus in Südtirol. 

Wahrscheinlich entschied sich die SVP damals anders, gegen rechts, für Mitte-Links, für Luigi Spagnolli. Es mag stimmen, dass auch Mitte-Links oft national besoffen ist, Italien überhöht, Südtirol als reaktionäre finstere Provinz gegenüberstellt, trotzdem setzte die Volkspartei mit den Parteien der linken Mitte die Autonomie um. Stegers geforderte Öffnung nach rechts traf aber trotzdem ein, in Leifers schlug sich die SVP auf die Seite der italienischen Rechten. Der ehemalige Bürgermeister und heutige Landesrat Christian Bianchi weiß auch die italienisch-nationalistischen Tasten zu drücken. Auf Leifers folgten weitere Gemeinden, 2018 dann die Landesregierung, 2023 wird diese erweitert um die Fratelli d’Italia, die nie als Autonomiefreunde aufgefallen sind.

Heiligt der Zweck die Mittel? Offensichtlich. Bei der SVP müssten doch die Alarmglocken schrillend tönen. Seit Monaten versucht der SVP-Freund und Lega-Minister Roberto Calderoli seine »autonomia differenziata« umzusetzen, also mehr Autonomie für die Regionen mit Normalstatut, immerhin möglich seit der Verfassungsreform 2001. Dagegen bocken nicht nur die süditalienischen Regionen, die strikt gegen Autonomie sind und lieber am staatlichen Alimententopf hängen, sondern auch die Calderoli-Partner in der Regierung, allen voran die Fratelli.

Warum sollten die Fratelli die geschwächte Südtirolautonomie wieder stärken? Ministerpräsidentin Giorgia Meloni plant doch Gegensätzliches, wie den Ausbau des Zentralstaates. Ihre Regierung will die Republik umkrempeln, die Ministerpräsidentin direkt wählen, ihre Partei mit einem Mehrheitsbonus ausstatten. Wahlbetrug über eine Verfassungsreform, per Volksabstimmung. 

Meloni plant ein anderes Italien. Und die SVP hält sich vornehm zurück. Nicht aber Julia Unterberger, eine der wenigen Aufrechten der SVP im Parlament. Sie warnte vor rechtsradikalen Umtrieben in Südtirol, die interessanterweise der Innenminister der rechtsrechten Regierung herunterspielte. Unterberger fand klare politische Worte zum Ableben von Silvio Berlusconi, der erste europäische Populist und der europäische Vorläufer von Donald Trump. Für ihre Analyse bezog Unterberger von ihrer Partei — und selbstverständlich auch von Forza Italia —  verbale Prügel. Forza Italia ermöglicht jetzt mit ihrem Bündnis mit der SVP bei den Europawahlen die Wiederwahl von Herbert Dorfmann.

Senatorin Unterberger erlaubte sich Kritik an der erwähnten zentralistischen Verfassungsreform und musste sich von Fratelli-Kameraden Beleidigungen gefallen lassen. Die Verteidigung Unterbergers durch die SVP fand nicht statt. Seine Solidarität mit Unterberger nennt Spagnolli »doverosa«. Und weiter: »Die Rechten sind für die Nation und gegen Minderheiten. Meloni und Calderoli können sagen was sie wollen: so ist es!«

Hallo Brennerstraße, aufwachen!


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Comentârs

8 responses to “Entgrenzte Anbiederung.”

  1. Simon avatar

    Das kümmert die Südtiroler:innen wenig bis kaum, sie finden mehrheitlich Giorgia Meloni und ihren geplanten Umbau Italiens in einen starken Zentralstaat gut.

    Gibt es dazu Daten?

    1. Harald Knoflach avatar
      Harald Knoflach

      Das würde mich jetzt auch interessieren, worauf diese Behauptung basiert.

    2. Veronica Miron avatar
      Veronica Miron

      30.04.2023

      Laut einer von Apollis im Auftrag der Südtiroler Wirtschaftszeitung durchgeführten Umfrage genießt Giorgia Meloni gut ein halbes Jahr nach ihrem Regierungsantritt große Zufriedenheit unter den Südtirolern. 57 Prozent heißen ihre bisherige Arbeit für gut – so viel wie in keiner anderen Region Italiens. Dabei stechen die deutsche und die ladinische Sprachgruppe mit 62 bzw. 66 Prozent gegenüber 50 Prozent in der italienischen Sprachgruppe noch einmal hervor. Im Vinschgau ist die Regierungschefin besonders beliebt. Hier goutieren 80 Prozent ihre Arbeit. Außerdem fällt der Zuspruch vor allem unter Männern (59 Prozent), den 50- bis 64-Jährigen (68 Prozent), den Selbständigen (66 Prozent) und den Rentnern (66 Prozent) hoch aus.

      https://www.tageszeitung.it/2023/04/30/warum-suedtirol-meloni-liebt/

      1. Simon avatar

        Das war mir bekannt. Es beantwortet aber nicht die obige Frage.

      2. Veronica Miron avatar
        Veronica Miron

        -> Simon,

        Mir sind keine Umfragen bekannt, wo sich die Südtiroler über den “geplanten Umbau Italiens in einen starken Zentralstaat” äußern.

        Ich halte alle diese mit Lob für Meloni in der Tageszeitung erschienene Artikeln (und noch mehr die Apolis Umfrage selbst) für reine Propaganda für die Ehe der Svp mit Fdi.
        Eine Art Vorbereitung der öffentlichen Meinung auf die Akzeptanz der bereits geplanten Ehe.

    3. Wolfgang Mayr avatar
      Wolfgang Mayr

      Giorgia Meloni durfte sich vor den Parlamentswahlen 2023 in der Tageszeitung “Dolomiten” eine ganze Seite lang ausbreiten. Da warb sie für eine starke Autonomie und für einen starken Staat. Als eines der großen Vorhaben der Fratelli gilt der Umbau dieser Republik, Direktwahl des Ministerpräsidenten, Mehrheitsbonus für die stärkste Partei. Bekannte Dinge seit Monaten, trotzdem bewertete die Südtiroler:innen die Arbeit Meloni als sehr positiv. Damit wohl auch ihre staatliche Umkrempelei, meine Interpretation, ohne Zahlen zu haben.

      1. Simon avatar

        Danke für diese Klarstellung. Die Schlussfolgerung finde ich aber ehrlich gesagt ein wenig »sportlich«. In der Apollis-Umfrage ging es ausdrücklich um die bis dahin geleistete Arbeit (und nicht um die Pläne) der Regierung Meloni und außerdem waren »nur« 11% sehr zufrieden, 46% waren eher zufrieden.

        Die eher Zufriedenen haben vermutlich nicht alles geteilt, was Meloni bis dahin gemacht hatte, geschweige denn, dass die Antworten Rückschlüsse auf die Meinung der Befragten zu noch gar nicht in Angriff genommenen Projekten zulassen würden.

  2. Hartmuth Staffler avatar
    Hartmuth Staffler

    Das Schweigen der SVP tut eigentlich nicht mehr weh, da man sich von dieser Partei, die sich mit den Faschisten verbrüdert hat, nichts Vernünftiges mehr erwarten kann. Weh tut aber, dass von den anderen Parteien, vor allem von jenen, die sich angeblich so sehr für die Rechte der Südtiroler einsetzen, keine Äußerung zu hören war. Das ist bedenklich.

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