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Soldaten gegen Kriminelle.

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Meran als Labor für die neue öffentliche Sicherheit?

Im vergangenen Oktober appellierte die Meraner Vizebürgermeisterin Katharina Zeller (SVP)  an die »Ordnungskräfte«, konsequent gegen Kriminelle vorzugehen. Auf einem Sicherheitsgipfel kündigten daraufhin die Vertreter des Staates an, in Meran und Bozen stärker zu kontrollieren. Immer lauter forderten nämlich Bürgermeister:innen, besonders im Burggrafenamt, eine größere Polizeipräsenz. Bürgerinnen und Bürger beklagten die wachsende Unsicherheit, ein Gefühl der Ohnmacht. Immer wieder sorgten Jugendliche in Meran und in Brixen für entsprechende Schlagzeilen, auch Gewalttaten von Migranten in Bozen schreckten auf.

Die Antwort des Staates: In Meran und zeitlich versetzt wohl auch in Bozen sollen künftig Militärstreifen abends und in den Nachtstunden für »sichere Straßen« sorgen. Sie sollen helfen, gewalttätigen Übergriffe zu verhindern und gegen Vandalenakte vorzugehen. Das Konzept ist klar, Abschreckung durch mehr Kontrolle. Dadurch soll laut Meraner Bürgermeister Dario Dal Medico das Sicherheitsgefühl gestärkt werden. Das Gefühl.

Seit 2008 wird die Operation »sichere Straßen« staatsweit durchgeführt. Eingesetzt wurden zunächst 3.000 Soldat:innen, inzwischen sind es 7.000, die das Verteidigungsministerium den Polizeipräfekten in den Provinzen zur Verfügung stellt. Die Armeeangehörigen sollen mit ihren Streifengängen die Arbeit von Polizei und Carabinieri unterstützen. Warum wird nicht die Polizei aufgestockt? Ist sie doch für die innere Sicherheit zuständig.

Kritiker:innen lehnen die staatliche Repression, also den vermehrten Einsatz von »Ordnungskräften« ab. Kleinkriminalität habe es schon immer gegeben, wie auch Schlägereien und sonstige Gewalttaten. Wir Liberale und Linke schauten leider lange weg, erklärten die Kriminalität als Ausdruck sozialer Ungerechtigkeit, die migrantische Kriminalität als Reaktion auf Ausgrenzung und Diskriminierung. Leitmotiv: Migranten sind Gutmenschen, Einheimische per Definition Rassisten. Also weiter wie bisher? 

Weiter wie bisher?

Weiter wie bisher führt letztendlich zu einem triumphalen Siegeszug der Rechtsrechten, zur Übernahme von Gesellschaft und Staat durch die Rechten. Seit Jahren schon »sprechen« die Zahlen der Statistikinstitute eine klare und unmissverständliche Sprache. Die Kriminalitätsrate steigt kontinuierlich, in der ersten Reihe mit dabei Migranten. Laut dem Landesinstitut für Statistik Astat stieg die Zahl der angezeigten Straftaten von mehr als 13.000 im Jahr 2022 auf mehr als 14.500 im Jahr 2021. Eine satte Zunahme von fast 12 Prozent. Tendenz weiterhin steigend.

Drastisch angestiegen sind die schweren Delikte, gar um ein Drittel. 2021 wurden 859 Anzeigen wegen dieser schweren Delikte verzeichnet. Dazu zählen vorsätzliche und fahrlässige Tötung, versuchter Mord, vorsätzliche Körperverletzungen und Vergewaltigungen. Die Organisation Donne in Rete contra la violenza verwies darauf, dass 2022 28 Prozent der Gewalttäter gegen Frauen ausländischer Abstammung waren. Italienweit stellen Migranten aber nur 9 Prozent der Bevölkerung. Verharmlosen oder verzweifelt nach akademischen Entschuldigungen zu suchen bringt da nichts mehr.

Laut dem erwähnte Astat-Bericht stellen in Südtirol ausländische Staatsbürger die Hälfte der Tatverdächtigen, meist Nicht-EU-Bürger. Bei Gewalt an Frauen stellten schon 2019 ausländische Personen 60 Prozent der Straftäter. Der Einwanderungsanteil an der Wohnbevölkerung liegt derzeit bei zehn Prozent. Eine deutsche Studie bestätigt auch den wachsenden Anteil migrantischer Straftäter an Straftaten.

Was machen Polizei und Justiz?

Dazu zwei offene Fragen, die Antworten fehlen: Wo blieb, wo bleibt die Polizei? Wo die Justiz? Eine Berliner Richterin, Kirsten Heisig, ging im Problembezirk Neukölln hart gegen jugendliche Kriminelle vor. Sie forderte eine Justiz, die jede Straftat »gnadenlos« verfolgt. Gleichzeitig drängte Heisig aber auch auf begleitende »integratorische« Maßnahmen zugunsten migrantischer Straftäter. In ihrem Buch Das Ende der Geduld: Konsequent gegen jugendliche Gewalttäter warb die Richterin für schnelle Gerichtsverfahren. Ihre These, Gewalttäter sollen sofort die Konsequenzen spüren: Prozess, Urteil, Gefängnis. Schulen, Jugendämter und Polizei sollten zusammenschauen, Polizei, Staatsanwaltschaft, Jugendamt, Schulen, Behörden, Institutionen und Eltern vernetzt werden. Also nicht nur Repression. Zu ihren »Kunden« zählten meist Jugendliche aus arabischstämmigen Familien, die sich weigerten, mit der Richterin zusammenzuarbeiten. Heisig fühlte sich vom Staat, von der Justiz im Stich gelassen und nahm sich das Leben.

Und in Südtirol? Der Bozner Jugendrichter Benno Baumgartner verneinte in der Neuen Südtiroler Tageszeitung, dass es mehr Gewalt gebe. Es gebe eine größere Wahrnehmung. Baumgartner lehnt deshalb auch eine stärkere Sanktionierung der Kriminalität ab. Das Gefängnis sollte die letzte Option sein. 

Trotzdem, nicht nur in Meran wächst das Unbehagen, auch anderswo in Südtirol herrscht das Gefühl vor, in Unsicherheit zu leben. Für Freiheitliche, für die Süd-Tiroler Freiheit, für JWA, für die Lega und die Fratelli war die Ursache schnell ausgemacht, die Migranten sind schuld. Reflexartig reagierte die linke Mitte, warnte vor Rassismus und Pauschalurteilen und erklärte das Unbehagen für unbegründet. Die linke Mitte steckt damit ihren Kopf in den Sand, will das Problem nicht erkennen. Die deutsche Bundeszentrale für politische Bildung kommt in ihrer Studie »Innere Sicherheit« trotz Abwägens zum Schluss, dass männliche Jugendliche aus Einwandererfamilien eine erhöhte Gewaltbereitschaft zeigen. Dies gilt auch für die Jugendkriminalität. 

Ein weites Betätigungsfeld für Landesrätin Ulli Mair (F). Auf ihren Antrag befasste sich die Landesregierung mit dem möglichen Einsatz des Militärs auch in Bozen und im restlichen Südtirol. Meran als Vorbild, aber auch die Präsenz von Soldaten vor dem Gericht. Während der Corona-Pandemie ließ Ministerpräsident Giuseppe Conte (5SB) staatsweit Militär patrouillieren. Es sollte prüfen, ob die Corona-Maßnahmen von den Büger:innen eingehalten werden. Eine doch demokratisch bedenkliche Verfügung.

»Strade sicure« für das ganze Land

Auf Drängen der Landesregierung wird nun auch Südtirol ins Programm Strade sicure aufgenommen. Damit soll die unterbesetzte Polizei mit Soldaten unterstützt werden. Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) begrüßte die militärische Aufrüstung der öffentlichen Sicherheit. Zurecht beschrieb Simon auf diesen Seiten diese Aufrüstung als eine martialisch-mittelalterliche Sicherheitspolitik. Treibende Kraft dabei ist Landesrätin Mair, die Forderungen nach einer Landespolizei – das Baskenland, Katalonien und Nordirland verfügen beispielsweise über eigene regionale Polizeieinheiten – als theoretisch abtut. Sie bezeichnet das gesamtstaatliche Programm der »sicheren Straßen« als einen Bestandteil ihrer Sicherheitspolitik. Der Einsatz der Militärkräfte sei als zeitweise, außerordentliche Maßnahme zu sehen, um die öffentliche Sicherheit wieder herzustellen. Ausgerechnet das Militär, das die Staatsgrenzen verteidigen, den äußeren Feind abwehren soll. 

Der Landeshauptmann zeigt sich davon begeistert und gesteht damit letztendlich aber ein, in den vergangenen Jahren sicherheitspolitisch versagt zu haben. Denn jetzt ist Sicherheit plus Migration offensichtlich Thema. Daran beißt sich auch Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (FdI) ihre Zähne aus. Die Zahl der illegalen Einwanderer ist so hoch wie nie. Meloni will in Albanien deshalb Migranten kasernieren und hofft auf die Abschottungshilfe nordafrikanischer Staaten. Es rächt sich das Fehlen einer EU-Migrationspolitik, die von den Mitgliedsstaaten boykottiert wurde. Eine Politik, um Migrantenströme zu lenken, zu kanalisieren. 

Deshalb bleibt der Einsatz von Militär gegen mutmaßliche migrantische Straftäter Symbolpolitik. Beruhigungspillen für zurecht Verängstigte. Ob Soldaten, da und dort eingesetzt, tatsächlich eine größere Sicherheit wiederherstellen können? Oder nur das Gefühl?


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Comentârs

5 responses to “Soldaten gegen Kriminelle.”

  1. Simon avatar

    Leitmotiv: Migranten sind Gutmenschen, Einheimische per Definition Rassisten.

    Das ist mir ehrlich gesagt zu plakativ.

    Weiter wie bisher führt letztendlich zu einem triumphalen Siegeszug der Rechtsrechten, zur Übernahme von Gesellschaft und Staat durch die Rechten.

    Ist es nicht eher so, dass der Siegeszug der Rechtsradikalen und Rechtsextremen erheblichenteils auf die Übernahme ihres Diskurses durch Linke und vor allem Liberale — ebenso wie ihre Verharmlosung und mangelnde Ausgrenzung — zurückzuführen ist?

    Verharmlosen oder verzweifelt nach akademischen Entschuldigungen zu suchen bringt da nichts mehr.

    Warum sollen akademische Erklärungen (statt pauschaler Beschuldigungen) nichts bringen? Ich finde sie nötiger denn je, wenn wir nicht alles den Rechten übergeben wollen.

  2. G.P. avatar
    G.P.

    Dadurch soll laut Meraner Bürgermeister Dario Dal Medico das Sicherheitsgefühl gestärkt werden. Das Gefühl.

    Eben, genau da liegt der Hund begraben. Es wird nicht mehr Sicherheit geben, sondern nur das Sicherheitsgefühl wird gestärkt.

    1. Hartmuth Staffler avatar
      Hartmuth Staffler

      Gefühle sind verschieden. Ich fühle mich durch das italienische Militär nicht beschützt, sondern bedroht. Im Corona-Lockdown haben sich die Soldaten in Brixen äußerst arrogant und aggressiv gegen alle Menschen aufgeführt, die nicht ihre Sprache gesprochen haben. Müssen wir das jetzt wieder über uns ergehen lassen?

      1. G.P. avatar
        G.P.

        Ja, sieht so aus. Und (fast) alle klatschen und applaudieren …

  3. Harald Knoflach avatar
    Harald Knoflach

    Laut dem Landesinstitut für Statistik Astat stieg die Zahl der angezeigten Straftaten von mehr als 13.000 im Jahr 2022 auf mehr als 14.500 im Jahr 2021. Eine satte Zunahme von fast 12 Prozent. Tendenz weiterhin steigend.

    Das ist keine Zunahme, sondern ein Rückgang

    Ist es nicht eher so, dass der Siegeszug der Rechtsradikalen und Rechtsextremen erheblichenteils auf die Übernahme ihres Diskurses durch Linke und vor allem Liberale — ebenso wie ihre Verharmlosung und mangelnde Ausgrenzung — zurückzuführen ist?

    Denke dass das nicht ein “entweder-oder”, sondern ein “sowohl-als-auch” ist. Rechtsradikale und – extreme haben Wählerinnen (aus dem sozialdemokratischen Millieu) abgeholt, weil die Sozialdemokraten vielfach keine sozialdemokratische Politik für ihre Klientel mehr gemacht haben, sondern die Bobos hofierten und ein Agenda-Setting betrieben, das völlig an der Realität vieler Menschen vorbeiging. Die Rechten holten sie ab – zwar ohne Lösungen zu bieten, sondern auf Sündenböcke zu setzten – aber sie vermittelten den Menschen zumindest den Eindruck, gehört zu werden.

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