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Rechtes Klima.

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Der gar nicht so klammheimliche Wandel in Südtirol

Was werden sich die Digos-Beamten wohl gedacht haben? Sie beschlagnahmten bei der rituellen Zeremonie zum Tag der Befreiung vom »Nazifaschismus« Plakate von Demonstranten. Diese kritisierten die Abwesenheit der italienischen Landesräte, Marco Galateo von den Fratelli d’Italia und Cristian Bianchi von der Lega und Uniti.

Die jungen Grünen nannten die Beschlagnahme eine »faschistoide Aktion« und verurteilten das Vorgehen der Digos als Zensur. Gelten für Demonstrationen neue Regeln? Besonders für Slogans und Plakate? Kritik verboten?

Es ist eine Ironie der Geschichte: Die Landeshauptleute Silvius Magnago und Luis Durnwalder blieben den antifaschistischen Feierlichkeiten demonstrativ fern. Dafür hagelte es von italienischer Seite, Mitte und Links, heftige Kritik.

Ihr Fernbleiben hing auch damit zusammen, dass die Heeresspitze den Antifaschismus über sehr lange Zeit ausgerechnet vor dem faschistischen Siegesdenkmal in Bozen zelebrierte. Kohärenz ist etwas anderes.

Seit seinem Amtsantritt vertrat und vertritt Landeshauptmann Arno Kompatscher, den die jungen Grünen als »selbsternannten Antifaschisten« abkanzelten, das offizielle Südtirol bei den Feierlichkeiten. Seit einigen Jahren schon finden in Bozen die anti-nazifaschistischen Zelebrationen an verschiedenen geschichtsträchtigen Plätzen statt.

Schwänzende Rechte

Mit dem 25. April plagen sich Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und ihre Partei Fratelli d’Italia, die aus dem von ehemaligen faschistischen Hierarchen gegründeten Movimento Sociale Italiano hervorgegangen ist, jährlich herum. Der Antifaschismus ist nicht das Thema der Fratelli, das gilt auch für den Ableger in Bozen.

Landeshauptmannstellvertreter und Fratello Marco Galaeto reiste zum FdI-Parteitag nach Pescara. Dort kündigte Giorgia Meloni ihre Kandidatur für die Europawahlen an. »Dass genau von 26. bis 28. April der Parteitag der Fratelli stattfindet, zeigt wie wichtig dem Koalitionspartner der SVP die Feier am 25. April in Gedenken an die Befreiung von Faschismus und Nationalsozialismus ist«, kommentierte Anna Luther auf Salto.

Auch Christian Bianchi, Landesrat von Lega und Uniti, boykottierte den Festakt. Verwunderlich ist das keineswegs, denn Bianchi ist ein knallharter Nationalist, der den grünweißroten Qualm der italienischen Kampfflieger über Südtirol begrüßte.

Die dritte Rechte im Bunde, Ulli Mair von den Freiheitlichen, ließ den Landeshauptmann wissen, »aus historischen Gründen« zu schwänzen.

Zweifelsohne legten die antifaschistischen Widerständler die Grundlage für die neue demokratische Republik. Fakt ist aber auch, dass diese antifaschistische Republik lange an einer Politik der Diskriminierung und Benachteilung der Südtiroler:innen festhielt.

Über die Haltung seiner rechtsrechten Koalitionspartner wunderte sich Landeshauptmann Kompatscher zurecht. Doch er hat die putinfreundliche Lega 2018 in die Landesregierung geholt, fünf Jahre später auch noch die Fratelli d’Italia. Akteure für ein anderes Italien und wohl auch für ein »anderes Südtirol« — oder präziser: Alto Adige.

Rechter Kulturkampf

Italienweit gelingt es Meloni, die kulturelle Achse weit nach rechts zu verschieben. Ihren Frauen und Männern in Südtirol genauso. So erreichte der Abgeordnete Alessandro Urzì, der im Kammerwahlkreis Vicenza für die Fratelli gewählt wurde, dass Rai Südtirol seine Partei nicht als neofaschistisch darstellen durfte. Von der Führung der regionalen Rai-Programme kam die entsprechende mündliche Order. Diese Art der Einflussnahme ist neu, die Fratelli kopieren damit ihr erfolgreiches Vorbild Viktor Orbán.

Galateo, Bianchi und mit im Trio Ulli Mair drängten ganz im Sinne des Umbaus auf eine völlig neue Besetzung des Landesbeirates für Chancengleichheit. So forderte Galateo Sitz und Stimme für militante Abtreibungsgegner:innen. Der Vize warf Arno Kompatscher vor, die Vorschläge der »italienischen Mehrheitsparteien« zu ignorieren.

»Ein Beweis für die fehlende Bereitschaft zum Dialog und zur Offenheit gegenüber den Vorschlägen der italienischen Mehrheitsparteien«, sagte Galateo. Er sprach auch von einer »Ausgrenzung der katholischen Welt«. Die Vertreterinnen des KVW, des Bauernbundes und der SVP-Frauenbewegung nimmt er wohl nicht als katholisch genug wahr. Das nennt man Kulturkampf und darin sind die Rechten ungemein stark, wie Trump erfolgreich vormachte. Der Landeshauptmann und der SVP-Obmann Philipp Achammer kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus: Ja, das sind ihre Koalitionspartner.

Das rechtsrechte Bündnis will bekanntlich das Recht auf Abtreibung drastisch einschränken. Es gehe um das Recht auf Leben und nicht um das Recht der Frauen, die Schwangerschaft abbrechen zu dürfen.

Museion unter Beschuss

Wie schon gesagt können die Rechten Kulturkampf. Sie bieten angeblich traditionelle Werte an, eine Welt in den Farben schwarz und weiß. In diesem Sinn griffen die beiden rechten Landesräte Bianchi und Galateo auch das Museum für moderne Kunst an, das Museion. Sie stellten dessen Wirtschaftlichkeit in Frage und forderten eine Überprüfung sämtlicher Zahlen, Landesgelder, Besucherstatistiken usw.

Es sei fraglich, ob das Museion von genügend Bürgern ausreichend geschätzt werde, sagte Landesrat Galateo auf Anfrage von Rai Südtirol. Bianchi lobte zwar die Initiativen des Museion, meinte jedoch, dass es mehr Veranstaltungen brauche, die ein breites Publikum ansprechen. Ob die beiden Koalitionspartner der SVP zu ständigen Museion-Besuchern zählen?

Martin Hanni entgegnete auf Salto süffisant auf das Inspektionsgehabe von Galateo und Bianchi: »Apropos Zahlen: Gerade Marco Galateo, der mit seinen nicht einmal 3000 Wählerstimmen (von einer maroden Volkspartei nach oben gespült) zum Vizelandeshauptmann wurde, wolle bessere Museion-Zahlen sehen? Es wäre von seiner (und auch von Bianchis) Seite wohl angebrachter und wünschenswerter, sich bei Unwissen in Zurückhaltung zu üben.« Das zählt aber nicht zu den Stärken der Rechten.

Auch wenn sich der Landeshauptmann als eine antifaschistische Brandmauer empfindet, scheint er die Rechtsrechten nicht kontrollieren zu können. Vize Marco Galateo zeigt, wohin die Reise geht. Er werde bei den nächsten Feierlichkeiten am 25. April dabei sein und die Partisanenhymne Bella Ciao mitsingen, aber nur dann, wenn die übrigen Mitglieder der Landesregierung die italienische Nationalhymne »Fratelli d’Italia« zum Besten geben.

Vor einigen Jahren war es Michaela Biancofiore von Forza Italia, die sich auf jedem Bauernhof die Trikolore wünschte. Als Bekenntnis zum italienischen Staat und zur italienischen Nation. Die Trikolorisierung wird seit dem Amtsantritt von Giorgia Meloni forciert, der laizistische Staat zurückgebaut in einen reinen Nationalstaat. Und Südtirol scheint ein Labor dafür zu sein.


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