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  • Neu: Südtiroler CO₂-Rechner.

    Es war hoch an der Zeit, dass auch das selbsternannte »Klimaland« Südtirol (unter seinem rechtsradikalen Lega-Umweltlandesrat) einen eigenen CO2-Fußabdruckrechner bekommt. Sinnvoll und richtig, denn es gibt im Internet erst 23.487, nun sind es — endlich — 23.488, und dieser ist auch noch speziell an Südtirol angepasst.

    Den ersten Kalkulator dieser Art hatte übrigens der Erdöl-Multi BP im Jahr 2004 entwickeln lassen, um den Einzelnen mehr oder minder subtil das falsche Bewusstsein einzuimpfen, dass sie selbst für Umweltzerstörung und Erderwärmung verantwortlich sind — nicht Konzerne oder Politik. Eine Botschaft, die durch jeden neuen CO2-Rechner unterstrichen und weitergetragen wird. Hier in etwa so: Macht ihr mal was gegen den Klimawandel, während die Landesregierung mal eben mehrere Milliarden in die Autobahn spuckt.

    In einem gestern in Le Monde erschienenen Beitrag machte die Soziologin und Philosophin Dominique Méda darauf aufmerksam, dass die weniger wohlhabenden 50% der französischen Bevölkerung ihren CO2-Ausstoß um 4% senken müssten, um die Klimaziele zu erreichen, die reichsten 10% aber um über 80%.

    Um dies zu erreichen, ist es mit etwas gutem Willen im individuellen Verhalten bei weitem nicht getan, schon gar nicht bei der Durchschnittsbevölkerung. Da ist zu wenig rauszuholen. Wenn wir die Menschheit retten wollen, muss hauptsächlich bei den großen Klimasünderinnen — Ultrareiche und Großkonzerne — angesetzt werden, und zwar verbindlich. Das ist Aufgabe der Regierenden. CO2-Kalkulatoren sind Blendgranaten.

    Ja, natürlich müssen wir alle unseren Beitrag leisten, doch wenn der Hauptfokus auf dem Individuum liegt, haben wir schon verloren. Das Wichtigste, was wir als Normalbürgerinnen tun können, ist wohl auch gar nicht die Reduktion unseres individuellen CO2-Abdruckes, sondern Druck auf die Politik auszuüben, damit sie die Rahmenbedingungen drastisch verändert.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06 07 08 09 || 01 02



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  • PD nicht gegen Auslieferung von Assange.
    Mailand

    Dem politisch und juristisch verfolgten WikiLeaks-Gründer Julian Assange wollte Europa Verde vom Mailänder Gemeinderat die Ehrenbürgerschaft der Stadt verleihen lassen — ein Ansinnen, dem ausgerechnet der PD einen Strich durch die Rechnung machte.

    Es sei vorausgeschickt, dass man Assange selbstverständlich keine Ehrung zukommen lassen muss. Doch was sich die angeblichen Demokratinnen geleistet haben, spottet jeder Beschreibung: Durch zwei Abänderungsanträge schafften sie es, den Sinn des grünen Vorstoßes nahezu ins Gegenteil zu verkehren und sowohl die Ehrenbürgerschaft als auch den Aufruf an die britische Regierung, die Auslieferung von Assange an die USA zu stoppen, aus dem Antrag zu streichen. Denn, so der Tenor, der Aktivist habe illegal geheime Unterlagen veröffentlicht.

    Dabei mag es sich bei dem Australier zwar um eine umstrittene Persönlichkeit handeln, doch die massive Verletzung seiner Grundrechte und die Auswirkungen seines Falls auf die Meinungs- und Pressefreiheit sind ziemlich eindeutig.

    Nach einem Besuch im Gefängnis von Belmarsh (London), wo Assange derzeit festgehalten wird, sprach 2019 kein geringerer als der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte, Nils Melzer, von grausamer, erniedrigender und menschenverachtender Behandlung, psychologischer Folter und kollektiver Verfolgung, die zu beenden seien. Dass eine Gruppe demokratischer Staaten ein Individuum für so lange Zeit und mit so wenig Rücksicht auf Menschenwürde und Rechtsstaatlichkeit isoliert, dämonisiert und misshandelt, habe er noch nie erlebt.

    Schon 2016 hatte die Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierungen der UNO dazu aufgefordert, Assanges Bewegungsfreiheit unverzüglich wiederherzustellen und ihn für die als menschenrechtswidrig bezeichnete Festsetzung in der ecuadorianischen Botschaft zu entschädigen.

    Im Jänner 2020 forderte die Parlamentarische Versammlung des Europarats einstimmig (!) die sofortige Freilassung von Assange. Die Auslieferung an die USA müsse verhindert werden.

    Und am 10. Mai 2022 wandte sich die Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatović, mit einem Brief direkt an die britische Innenministerin Priti Patel, um sie zur Abweisung des Auslieferungsantrags aus Übersee aufzurufen. Sie begründete dies insbesondere mit den Gefahren für den investigativen Journalismus.

    Auch Reporter ohne Grenzen und zahlreiche Journalistenorganisationen fordern seit Jahren die Freilassung von Assange.

    Doch all das kümmert den PD offenbar wenig. Die Rechten konnten sich amüsiert zurücklehnen und zusehen, wie die politische Mehrheit im Gemeinderat an einer Grundrechtsfrage zerbrach. Was sind schon Folter, drohende Todesstrafe und die Schäden für die Pressefreiheit im Vergleich zum Recht von Staaten, Menschenrechtsverletzungen zu verheimlichen?



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  • Freiheitsgefühl.
    Quotation

    Niemand ist mehr Sklave, als der sich für frei hält, ohne es zu sein.

    – Johann Wolfgang von Goethe


    Feuilleton/ · Quotation/ · · · · · Deutsch/

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  • Die irreführenden 300 Unterschriften.
    Bestätigendes Referendum

    Demut ist Sache der politischen Mehrheit im Land offenbar nicht. Nachdem ihr Vorschlag zur Einschränkung der Mitbestimmungsrechte bei der Volksabstimmung vom Sonntag klar abgelehnt wurde, wäre es wohl angebracht, die Angelegenheit erst einmal etwas ruhen zu lassen. Stattdessen wird bereits wieder laut nicht nur über notwendige technische Anpassungen nachgedacht, sondern tatsächlich auch weiter darüber, wie das bestätigende Referendum gestutzt werden könnte. Und das, obschon es seit der Einführung 2018 noch keinen Fall von Missbrauch und Obstruktion gegeben hat, wie sie angeblich befürchtet werden. Genauer gesagt hat es überhaupt noch kein einziges bestätigendes Referendum im Sinne des neuen Bürgerbeteiligungsgesetzes gegeben.

    Festzustellen ist vielmehr:

    • Das was salopp als »300 Unterschriften« bezeichnet wird, die nötig sein sollen, um ein Gesetz für einige Monate zu »blockieren«, sind in Wirklichkeit 300 Promotorinnen, die öffentlich für ihr Anliegen einstehen müssen — und höhere Hürden zu nehmen haben, als nur irgendwo zu unterschreiben. Wer zum Beispiel weiß, wie schwer es selbst für größere Parteien ist, im Vorfeld einer Wahl eine Handvoll Unterstützungskandidaturen zusammenzubekommen, dürfte auch eine Ahnung haben, was für ein Aufwand es ist, in nur 20 Tagen 300 Promotorinnen für ein Unterfangen zu finden, das womöglich nach Obstruktion aussieht.
    • Gesetze sind grundsätzlich ohnehin nicht dafür gedacht, auf eine unmittelbare Notlage zu reagieren, sondern haben einen längeren Zeithorizont. Für kurzfristige Regelungen gibt es andere Möglichkeiten (z.B. Verordnungen). Ein Aufschub des Geltungsbeginns um sechs Monate ist bei einem Gesetz meist unproblematisch.
    • Im Umkehrschluss wäre es auch für Promotorinnen relativ unattraktiv, das Inkrafttreten eines Gesetzes um sechs Monate zu verzögern — wenn keine Aussicht auf einen Sieg bei der Abstimmung besteht.
    • Entsprechend unverständlich wäre es, und dies speziell nach dem Ausgang der Abstimmung vom Sonntag, die Anzahl der nötigen Promotorinnen erhöhen zu wollen, um einen Missbrauch zu bekämpfen, der bislang nur in den Köpfen einiger Politikerinnen existiert — und gleichzeitig in Kauf zu nehmen, dass die Hürden für das bestätigende Referendum so hoch gesetzt werden, dass es faktisch unbrauchbar wird.

    Dadurch, dass es pausenlos als Obstruktionswerkzeug diffamiert wird, ist das bestätigende Referendum ohnehin schon beschädigt, und alle, die es in Anspruch nehmen wollen, werden zunächst — zu Recht oder nicht — im Verdacht stehen, es missbrauchen zu wollen. Allein schon dadurch steht eher nicht zu befürchten, dass es inflationär zur Anwendung kommen wird. Im Gegenteil.



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  • Mehrheits- und Minderheitensprache im Kontakt.
    Katalonien (und Südtirol)

    Das öffentliche katalanische Meinungsumfrageinstitut CEO (Centre d’Estudis d’Opinió) hat wieder eine seiner zahlreichen Studien zum Thema Sprache durchgeführt und veröffentlicht.

    Dabei wurden diesmal auch Fragen zu Sprachwechsel und Sprachbeharrung gestellt.

    Sechs von zehn Katalanischsprachigen geben an, ins Kastilische (Spanisch) zu wechseln, wenn sie auf eine unbekannte Person treffen, die Kastilisch spricht. Immerhin vier von zehn beharren jedoch auf Katalanisch. Unter den Zweisprachigen und den Anderssprachigen (deren Erstsprache weder Katalanisch noch Kastilisch ist) passen sich in diesem Fall rund neun von zehn Personen der Sprache des Gegenübers an:

    Deutlich anders fällt das Verhalten offenbar aus, wenn Menschen auf eine unbekannte Person treffen, die Katalanisch spricht. Sechs von zehn Kastilischsprachigen beharren auf ihre Sprache, nur vier von zehn passen sich der Sprache des Gegenübers an. Interessant ist auch, dass auch Zweisprachige und Anderssprachige seltener Katalanisch mit Katalanischsprachigen als mit Kastilischsprachigen Kastilisch sprechen:

    Sechs von zehn Katalanischsprachigen passen sich sprachlich ihrem Gegenüber an, während dies nur vier von zehn Kastilischsprachige tun.

    Wenn die Sprache des unbekannten Gegenübers unklar ist, versuchen es Katalanischsprachige zwar mehrheitlich mit Katalanisch, alle anderen tendieren jedoch klar zur Staatssprache Kastilisch:

    Dieses Verhalten hat wohl auch einen psychologischen Hintergrund. Kastilischsprachige finden es durchschnittlich sehr unhöflich, wenn ihnen auf Katalanisch geantwortet wird, während sie im Durchschnitt kaum Probleme sehen, Katalanischsprachigen auf Kastilisch zu antworten. Fragt man Katalanischsprachige, ist das Ergebnis viel weniger eindeutig:

    Ich kann darin große Ähnlichkeiten zur Situation in Südtirol sehen, wo die Kommunikationssprache zwischen Deutsch- und Italienischsprachigen häufiger Italienisch als Deutsch ist.

    Laut Astat-Sprachbarometer von 2014 (S. 153) sprechen über die Hälfte (54,9%) der Italienischsprachigen mit Personen anderer Muttersprache immer Italienisch, nur 9,9% wechseln immer in die Sprache der anderen. Dagegen sprechen nur 21,1% der Deutschsprachigen immer Deutsch, 24,4% passen sich immer der Sprache des Gegenübers an.

    Auf 100 fehlende Prozentpunkte: andere Antworten.

    Anders als in Katalonien wurde hier aber nicht spezifisch das Verhalten im Umgang mit Unbekannten abgefragt.

    Auch die Frage zur Zukunft der katalanischen Sprache wird sehr unterschiedlich beantwortet. Während Katalanischsprachige ihre Sprache großmehrheitlich als gefährdet betrachten, wird diese Ansicht nur von 22% der Kastilischsprachigen geteilt:

    Dies wirkt sich zum Beispiel auch auf die Bereitschaft aus, Minderheitenschutzmaßnahmen mitzutragen.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06 || 01 02 03 04 05



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  • Ein Referendum ist keine Ersatzwahl.

    Im Anschluss an die gestrige Landesvolksabstimmung sprechen mehrere Oppositionsparteien von einer Watsche für die SVP oder für die gesamte Mehrheitskoalition aus SVP, Lega und FI als solche. Mal davon abgesehen, dass die magere Stimmbeteiligung (22,7%) eine derartige Interpretation auch zahlenmäßig gar nicht zulässt, ist es töricht, von der direktdemokratischen Entscheidung über eine Sachfrage auf den Rückhalt für die Regierungsmehrheit schließen zu wollen.

    Das ist schädlich für die direkte Demokratie, weil es sie zu einer Ersatzwahl degradiert und dazu führt, dass Teilnehmende auch bei künftigen Abstimmungen weniger das jeweilige Sachthema als ihre allgemeine Meinung zur Regierungspolitik im Blick haben. Genau dies gilt es so gut es geht zu vermeiden.

    Ich schreibe das, obwohl ich gestern mit Nein gestimmt habe und obwohl ich mit der Koalition aus SVP und Lega (mit FI) so gar keine Freude habe.

    Ja, das Ergebnis ist eine Watsche für die Mehrheit, aber eben nur in Bezug auf ihr einseitiges Vorgehen bei der Abänderung des Bürgerbeteiligungsgesetzes und in Bezug auf den Inhalt der abgelehnten Einschränkung der Mitbestimmungsrechte.

    Genau so schädlich wie die Rückschlüsse vom Abstimmungsergebnis auf die Beliebtheit der Regierungsmehrheit halte ich auch den Versuch, das Ergebnis aufgrund der geringen Beteiligung kleinreden zu wollen. Es war von Anfang an klar, dass entscheiden würde, wer das Thema für so wichtig hält, dass sie oder er sich zur Urne begibt. Den anderen war es entweder egal oder sie haben das Ergebnis bewusst anderen überlassen und darauf vertraut, dass die die hingehen »richtig« entscheiden.

    Beim nächsten Mal gilt es, gemeinsam für eine höhere Beteiligung zu werben.

    Cëla enghe: 01 02 03 04



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  • Mitbestimmungsrechte bleiben.

    Heute hatten die Südtirolerinnen zwischen 7.00 und 21.00 Uhr die Möglichkeit, in einer Volksabstimmung darüber zu befinden, ob sie die einseitig von SVP, Lega und FI beschlossene Einschränkung der Mitbestimmungsrechte annehmen oder rückgängig machen wollen.

    Nur gut ein Fünftel der Stimmberechtigten begab sich an die Urne, den vorgeschlagenen Gesetzesänderungen erteilten die Teilnehmenden jedoch eine sehr klare Absage.

    Laut vorläufigem amtlichen Endergebnis lehnten über drei Viertel (76%) der Abstimmenden die Vorlage ab. In keinem Bezirk lag der Neinstimmenanteil unter 70%, in keiner einzigen von 116 Gemeinden konnte sich das Ja mehrheitlich durchsetzen.

    Die Landtagsmehrheit sollte nun hoffentlich endlich einsehen, dass Alleingänge bei derart sensiblen Themen nicht zum erwünschten Ergebnis führen. Für die SVP ist es nicht die erste Niederlage dieser Art.

    Kleine Anpassungen am Bürgerbeteiligungsgesetz, wie die Behebung (nicht substanzieller) inhaltlicher Unstimmigkeiten, können jetzt in Zusammenarbeit mit der Opposition rasch umgesetzt werden.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 || 01



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  • Rechnungshof: Neue Bestimmung genehmigt.

    Am 26. Mai hat der italienische Ministerrat im Beisein von LH Arno Kompatscher (SVP) eine neue Durchführungsbestimmung (DFB) zum Autonomiestatut von Trentino und Südtirol verabschiedet. Damit wird den beiden Landtagen fortan die Möglichkeit eingeräumt, je zwei Räte für die Kontrollsektion des Rechnungshofs vorzuschlagen. Das bisher schon bestehende Recht, eine Rätin namhaft zu machen, hatte der Südtiroler Landtag nie genutzt.

    Die Kontrollsektion überprüft die Haushalte der öffentlichen Verwaltungen und ist nicht mit der Rechtsprechungssektion oder mit der Staatsanwaltschaft zu verwechseln.

    Die DFB beinhaltet ferner die Anhebung der Richterstellen (von neun auf zwölf) bei den Sektionen Südtirol und Trentino sowie Änderungen, die das von den beiden Ländern »abgeordnete« Personal betreffen und eine Stabilisierung der Personalausstattung bewirken sollen.

    Cëla enghe: 01 02 03



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