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  • Geburtshilfe in Südtirol und Graubünden.

    Die Geburtsabteilungen der Krankenhäuser Sterzing, Schlanders und Innichen müssen demnächst wohl geschlossen werden, da sie neue staatliche Mindestanforderungen kaum erfüllen können und das »vorzeigeautonome« Land Südtirol offenbar nicht über die Zuständigkeiten verfügt, um sich über die römischen Kriterien hinwegzusetzen. Medienberichten zufolge sehen die Bedingungen folgendermaßen aus:

    • Geburtsabteilungen mit weniger als 500 Jahresgeburten müssen grundsätzlich geschlossen werden;
    • Geburtsabteilungen mit 500-1000 Jahresgeburten müssen rund um die Uhr die Anwesenheit von zwei Hebammen und die Öffnung des gynäkologischen Diensts sicherstellen;
    • Innerhalb des Krankenhauses muss 24h ein Anästhesiedienst verfügbar sein;
    • Für Notfälle muss rund um die Uhr ein Operationssaal bereitstehen;
    • Bildgebende Diagnostik und Bluttransfusionen müssen jederzeit durchgeführt werden können.

    Diesen Kriterien zufolge hätten die Geburtsabteilungen der Südtiroler Kleinkrankenhäuser keine Chance. Mitunter heißt es, die Nichterfüllung der strengen Auflagen könnte die Gesundheit von Mutter und Kind gefährden.

    Da ich zwar von all diesen Dingen wenig Ahnung habe, aber an eine möglichst flächendeckend verfügbare Gesundheitsversorgung glaube und mich zudem nur ungern von Politikern und Medien auf den Arm nehmen lasse, habe ich mich in der näheren Umgebung nach der Existenz ähnlicher Vorgaben erkundigt, zum Beispiel im benachbarten Kanton Graubünden. Dabei wollte ich in Erfahrung bringen, welche Kriterien dort für Geburtsabteilungen gelten und wer für deren Festlegung zuständig ist — Bund oder Kanton. Die Antwort des zuständigen Amtsleiters im kantonalen Gesundheitsamt, Herrn Rudolf Leuthold, ließ nur wenige Stunden auf sich warten und fällt erstaunlich aus:

    • Anders als die angebliche Südtiroler Vorzeigeautonomie legt Graubünden die Anforderungen an Geburtshilfen selbst fest;
    • Mindestgeburtenanzahl gibt es gar keine (so wurden in der Geburtsabteilung in Scuol letztes Jahr weniger als 50 Geburten gezählt);
    • Ein Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe muss lediglich innerhalb 10 Minuten anwesend sein können;
    • Bei medizinischer Notwendigkeit muss auch die Anästhesie binnen 10 Minuten verfügbar sein;
    • Hebammendienst rund um die Uhr;
    • Ein Notkaiserschnitt muss in weniger als 15 Minuten ab Entscheid erfolgen können.
    • Der Kantonsarzt kann jedoch für Sondersituationen Abweichungen von den Vorgaben zulassen.

    Ob all diese Vorgaben aus Graubünden von den Südtiroler Kleinkrankenhäusern bereits erfüllt würden, entzieht sich meiner Kenntnis. Doch allein die Tatsache, dass der Kanton die Kriterien selbst festlegen kann, macht einen wesentlichen Unterschied aus. Dabei kann etwa die geographische und -morphologische Situation berücksichtigt werden; dichter besiedelte Kantone wie Bern sehen nämlich einer Internetrecherche zufolge (aus wirtschaftlichen Gründen!) sehr wohl Mindestgeburtenanzahlen vor. Insgesamt klingen die Anforderungen im benachbarten Kanton aber auch inhaltlich wesentlich pragmatischer und erfüllbarer, als die italienischen. Dabei kann man der Schweiz wohl kaum eine schlechte medizinische Qualität vorwerfen; mitunter muss man aber abwägen können, ob etwa unzumutbar lange Fahrtwege zum nächsten Krankenhaus wirklich geringere Gefahren bergen, als die Anwesenheit einer kleinen Einrichtung vor Ort. In einem zentralistisch ausgerichteten Land wie Italien werden jedoch — wie in diesem Fall — Großstädten wie Mailand und Rom, dem Flachland wie in der Poebene sowie dem Tiroler Gebirge mit seinen verästelten Tälern dieselben Maßstäbe angelegt. Nun fallen dieser Unlogik also nach den Bezirksgerichten möglicherweise auch die Geburtsabteilungen (wenn nicht die Kleinkrankenhäuser als solche) zum Opfer.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05



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  • Migration ist kein Wasserhahn.

    Angesichts der meist polemischen Diskussionen über Migration und Integration sei auf ein Projekt der Abteilung JUFF des Amtes der Tiroler Landesregierung aufmerksam gemacht, das 2010/2011 unter dem Titel »VIELFALT daheim IN TIROL. Fakten – Kunst – Positionen zu Migration und Integration in Tirol« ins Leben gerufen wurde.

    Die künstlerische, wissenschaftliche und mitunter auch höchst menschliche Auseinandersetzung mit dem Thema und die Miteinbeziehung von Betroffenen, wirft ein sehr interessantes Licht auf das Phänomen. Hier wurde nicht — wie sonst in Sachen Integration oft üblich — über sondern mit Migranten gesprochen.

    deine fresseAusschnitt aus der Installation »Passport« von Franz Wassermann (2010)

    Informationen zum Projekt beim Amt der Tiroler Landesregierung.



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  • Das halbvolle Glas.
    Quotation

    The pessimist sees difficulty in every opportunity.
    The optimist sees the opportunity in every difficulty.

    — Sir Winston Churchill

    Die Spannungsfelder zwischen Bewahrung und Veränderung, Kulturpessimismus und Avantgarde, Realismus und Vision, Mauern und Brücken, Aussichtslosigkeit und Perspektiven bedürfen stetigen Ausgleichs. Sehen wir zu, dass die Bewahrer, Kulturpessimisten, Realisten, Maurer und Aussichtslosen nicht die Oberhand gewinnen.

    Hier ein kleiner Motivationsschub.

    Cëla enghe: 01 02 03



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  • dpa: Belanglosigkeit und eine Prise Sexismus.

    Kürzlich sind auf stol.it zwei Meldungen der dpa (Deutsche Presse-Agentur) erschienen, die ein interessantes Licht auf die größte Nachrichtenagentur der Bundesrepublik werfen. Meldungen renommierter Agenturen werden von Zeitungs- und Onlineredaktionen meist unverändert und somit unhinterfragt übernommen. So wohl auch im Fall zweier Berichte über das anstehende Referendum in Schottland und die Wahl Federica Mogherinis zur neuen Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik.

    Die Qualität der beiden Meldungen ist erschreckend – was umso schwerer wiegt, wenn man sich vor Augen führt, dass derartige Berichte bisweilen hundertfach 1:1 widergegeben werden. Beim Schottland-Artikel wird eine Reihe belangloser bis lächerlicher Argumente angeführt wird, die vermeintlich gegen die Unabhängigkeit des Landes sprächen.

    Ein knapper Ausgang nach einer hitzigen Kampagne könne darum Fragen nach der Legitimität des Votums aufwerfen, heißt es in Kreisen der Unabhängigkeits-Gegner.

    Bedeutet das etwa, dass die »Better together«-Protagonisten die Legitimität auch dann anzweifeln, wenn die Schotten mit hauchdünner Mehrheit für einen Verbleib bei Großbritannien stimmen würden?

    Mehrere Staaten, darunter Spanien, haben Widerstand gegen ein unabhängiges Schottland angekündigt.

    Der spanische Außenminister sieht das nicht ganz so eng, wie die Financial Times berichtet.

    Militärs warnen in dem Fall vor Schwierigkeiten beim Erhalt des britischen Nuklearpotenzials, da es an passenden Standorten fehlt.

    Und was geht das ein eventuell unabhängiges Schottland an, was die Briten mit ihren Massenvernichtungswaffen tun und welche Probleme sie damit haben? Wenn sie unbedingt Atomwaffen haben wollen, dann sollten sie sie auch bei sich zu Hause deponieren.

    Dem nur fünf Millionen Menschen starken Schottland käme demnach laut Zahl des britischen “Economist” zwischen 121 und 143 Milliarden Pfund (152,86 Mrd. und 180,66 Mrd. Euro) an Schulden zu, dies würde den neuen Staat mit einer Schuldenquote von 73 und 86 Prozent (sic!) des Bruttoinlandsprodukts (BIP) belasten.

    Und als Teil Großbritanniens hätten sie diese Schulden etwa nicht, oder wie? Die Schuldenquote Großbritanniens liegt übrigens bei über 93 Prozent.

    Schottland könnte in Budgetschwierigkeiten geraten.

    Man nenne mir ein Land in Europa (mit Ausnahme Norwegens vielleicht), welches keine »Budgetschwierigkeiten« hat. Außerdem würde Schottland dennoch nicht zu Europas »Sorgenkindern« zählen. Im Gegenteil.

    Sorgen gibt es auch wegen der Überalterung der Gesellschaft – kommen heute noch 3,2 Arbeitskräfte auf einen Pensionisten, sind es 2037 nur noch 2,6 Beschäftigte.

    Brillant. Auch dieses Problem haben einzig und allein die Schotten, denn das restliche Königreich ist bekanntlich ein Hort der Jugend – wie überhaupt ganz Europa. Und wenn man bei Großbritannien bleibt, wird die schottische Gesellschaft natürlich mit einem Mal jünger. Problem gelöst.

    Der Kurzbericht über Mogherini ist hingegen unterschwellig sexistisch.

    Vor einem halben Jahr übernahm die Frau mit den schulterlangen blonden Haaren das Amt der Außenministerin.

    Der Mann mit den Geheimratsecken wurde 2007 zum polnischen Ministerpräsidenten gewählt und 2014 zum EU-Ratspräsidenten ernannt.

    2012 gewann der Mann mit den kurzgeschorenen Locken neuerlich das Rennen um das Amt des amerikanischen Präsidenten.



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  • Disobedience.
    Quotation

    Historically, the most terrible things — war, genocide, and slavery — have resulted not from disobedience, but from obedience.

    Howard Zinn

    See also: 01 02 || 01



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  • Gehorchen ja, aber wem?

    Die erste Rede, die David Fernàndez von der links-partizipativen CUP im katalanischen Parlament hielt, hatte ich als politische Sternstunde bezeichnet. Im Sommergespräch mit dem öffentlich-rechtlichen Sender TV3 erklärte er nun, was er sich von der geplanten Volksabstimmung am 9. November erwartet, bei der die Katalaninnen ihre Position zur Loslösung von Spanien kundtun sollen. Einige Auszüge.

    Falls das spanische Verfassungsgericht die Einberufung zur Volksabstimmung vom 9. November annullieren sollte…

    …werden wir als CUP mehrfachen Gehorsam und einen Ungehorsam vorschlagen — einen klaren Ungehorsam gegenüber dem, was das Verfassungsgericht befindet, denn zwölf Richter stehen nicht über der katalanischen Legitimität. Das Land, die Regierung und die politisch-gesellschaftlichen Akteure stünden dann vor dem Dilemma, ob der Prozess fortschreitet oder zurückgespult wird. Wem gehorchen sie? Gehorchen sie dem spanischen Verfassungsgericht, einem höchst politisierten Gericht, das unter der Fuchtel der Zentralregierung steht oder gehorchen sie einem klaren gesellschaftlichen, politischen und demokratischen Mandat? Dieses Mandat ergibt sich aus den Wahlen, aus der Tatsache, dass 80% der katalanischen Gesellschaft hinter der Volksabstimmung stehen und aus dem Abkommen vom 12. Dezember [als katalanische Parteien Datum und Fragestellung der Abstimmung vereinbarten, Anm.]. Wir müssen also entscheiden, ob wir der Demokratie gehorchen oder nicht, und wir als CUP werden der Demokratie sicher nicht entsagen. Also werden wir fordern, dass die Abstimmung am 9. November stattfindet, denn wir haben keinen anderen Plan, als in jedem Fall abzustimmen.

    Den Einwand, ob man es sich mit dem zivilen Ungehorsam nicht zu einfach mache, entkräftet er.

    Der zivile, friedliche, soziale Ungehorsam bedeutet, alle Konsequenzen auf sich zu nehmen, die sich daraus ergeben. So ging es auch den Ungehorsamen, die im Februar 1989 aufgrund ihrer antimilitaristischen Kultur sagten, dass sie nicht für das spanische Heer kämpfen, töten und sterben wollten. Diese 20 Leute sind damals im Gefängnis gelandet.

    In der Folge wurde auch in Spanien der Zivildienst eingeführt.

    Das Problem, das wir als Land und als Gesellschaft haben werden ist, dass vor dem 9. November einige versuchen werden, Demokratie zu verhindern — und zu verbieten, dass die Meinung der Gesellschaft erhoben wird; denn die Befragung vom 9. November ist nicht bindend; sie hat keine unmittelbaren rechtlichen Folgen, sondern ermöglicht es, den Willen der BürgerInnen in Erfahrung zu bringen. […] Die große Frage ist hier nicht, ob das Verfassungsgericht die Abstimmung verbieten wird, sondern wie wir als Land auf dieses Verbot reagieren werden.

    Übersetzung:

    Cëla enghe: 01 || 01



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  • Sicherheitsproblem?

    Gibt es in Südtirol ein Sicherheitsproblem, zumindest bei Wohnungseinbrüchen? Laut Astat-Daten von März 2014 ja, denn trotz einer der höchsten Polizeidichten Europas hat sich die Zahl der Einbrüche1von den Polizeikräften angezeigte Straftaten in nur zwei Jahren von 434 auf 893 mehr als verdoppelt:

    Wohnungseinbrüche 2010-2012.

    Jüngst hatte Oberstaatsanwalt Guido Rispoli Alarm geschlagen, Kleinkriminelle hätten in Italien vielfach zu geringe Konsequenzen zu befürchten, die abschreckende Wirkung sei nicht in ausreichendem Maße gegeben.

    • 1
      von den Polizeikräften angezeigte Straftaten


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