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  • Legen Südtirols Parteien zweierlei Maß an?
    Sie wollen von Madrid, was sie von Rom nicht verlangen

    Ich möchte mal ganz provinziell einige Dinge aus Katalonien auf Südtirol übertragen. Genauer gesagt: Ich möchte Dinge, die Südtiroler Parteien und Politikerinnen von Spanien fordern, auf Südtirol herunterbrechen.

    1. Südtiroler Parteien, einschließlich SVP und Grüne, problematisieren, dass Spanien nicht bereit war, Katalonien eine umfassende Autonomie zu gewähren und stattdessen das Autonomiestatut von 2006 einschränkte. Völliges Einverständnis meinerseits. In Bezug auf Südtirol ist allerdings zu sagen, dass die katalanische Autonomie — in fast jeglicher Hinsicht — noch heute deutlich ausgeprägter ist, als es unsere jemals war.
      Während der letzten Monate fand in Südtirol ein Autonomiekonvent statt. In dessen Zuge wurden manche Themen kontrovers diskutiert, zur Übernahme vieler neuer Zuständigkeiten und zur Umwandlung bestehender Kompetenzen von »sekundären« in »primäre« herrschte jedoch beinah einstimmiger Konsens. Es wird nun Aufgabe des Landtags, auch und gerade der SVP, sein, diesen Konsens in ein Gesamtkonzept zu gießen, das man gegenüber Rom zu verteidigen und umzusetzen hätte.Werden die Südtiroler Parteien — wie es die katalanischen gemacht haben — gegenüber dem Zentralstaat klare Forderungen erheben, oder wird man die Wünsche aus dem Konvent schon vorauseilend zentralstaatkonform zurechtstutzen, sodass eine Abfuhr quasi ausgeschlossen ist? Wer »nichts« fordert, riskiert natürlich auch keine Enttäuschung.

      Das ist nämlich der entscheidende Punkt: Natürlich kann man kritisieren, dass Spanien den Katalaninnen keine umfassende Autonomie gewährt. Wenn man sich aber selbst gegenüber Rom nur duckt und nicht einmal imstande ist, den Grad an Autonomie zu erlangen, der Katalonien zu wenig ist, ist das etwas heuchlerisch.

    2. Südtiroler Parteien, einschließlich SVP und Grüne, kritisieren außerdem, dass Premier Mariano Rajoy (PP) nicht bereit ist, mit Katalonien zu verhandeln und stattdessen auf Justiz und Polizei setzt. Auch hier: Völliges Einverständnis meinerseits. Doch worüber ist der spanische Zentralstaat nicht bereit, Verhandlungen zu beginnen? Zu einer Abstimmung über den künftigen institutionellen Status Kataloniens — also Autonomie, Eigenstaatlichkeit oder meinetwegen freie Assoziierung.
      Breite Teile der katalanischen Bevölkerung — und ihrer politischen Vertretung — wünschen, dass die Regierung in Madrid sich über die Unteilbarkeitsklausel hinwegsetzt und ergebnisoffene Verhandlungen aufnimmt.Genau zu diesem Thema aber argumentieren Südtiroler Parteien, einschließlich SVP und Grüne, unser Land betreffend meist vorauseilend so wie Mariano Rajoy gegenüber Katalonien: Die Verfassung mag in dieser Hinsicht zwar undemokratisch sein, aber sie sieht nunmal die Unteilbarkeit vor, weshalb es sinnlos ist, von der Regierung in Rom etwas anderes zu fordern.

      Auch diesbezüglich kann man nun natürlich kritisieren, dass Madrid nicht bereit sei, mit Barcelona zu verhandeln. Solange man jedoch selbst aus legalistischen Gründen ablehnt, hierzulande ähnliches zu fordern — nur weil man eine ähnliche Abfuhr befürchtet, wie sie sich Katalonien nun mehrmals eingeholt hat — ist auch dies… genau: heuchlerisch.

    Cëla enghe: 01 02 03 04



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  • Rajoy will keinen Dialog.

    Die Parlamente von Québec und Flandern verurteilten gestern die Polizeigewalt in Katalonien scharf. Sie rufen unabhängig voneinander zum Dialog auf und fordern eine internationale Mediation. Auch das EU-Parlament fordert Verhandlungen zwischen Madrid und Barcelona. Ähnliche Appelle waren während der letzten Stunden aus allen Richtungen zu vernehmen.

    Alle, außer eine. Mariano Rajoy (PP) — der das vollste Vertrauen der EU-Kommission genießt — wies gestern den Vorschlag von Podemos-Chef Pablo Iglesias ab, ein Team von Mediatorinnen zu ernennen, das einen Dialogversuch zwischen dem spanischen Zentralstaat und der katalanischen Regierung begleiten sollte. Mit den Gesetzesbrechern aus Barcelona, so Rajoy, verhandle er nicht.

    Derweil veröffentlichte die Generalitat eine Ansprache von Präsident Carles Puigdemont, in der dieser die Friedlichkeit der katalanischen Bevölkerung hervorhob, die Rolle des spanischen Königs kritisierte und gleichzeitig — zum gefühlt tausendsten Mal — ein Dialogangebot an Madrid richtete. Zuletzt hatte der katalanische Regierungschef kurz vor dem Referendum vom 1. Oktober gemeinsam mit der Bürgermeisterin von Barcelona, Ada Colau (BenC), in einem Brief Verhandlungen über ein Referendum gefordert. Vergeblich.

    Inzwischen sollen sich Medienberichten zufolge selbst die Bischöfe von Madrid und Barcelona als Mediatoren angeboten haben. Ob sie Mariano Rajoy und den PP von ihrer sturen Haltung abbringen können, steht inzwischen zu bezweifeln.

    Cëla enghe: 01 02



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  • König kappt die letzten Brücken.

    Anlässlich der Geschehnisse vom vergangenen Sonntag in Katalonien wandte sich der spanische Monarch gestern Abend in einer Fernsehansprache an »sein« Volk (und nicht an »seine« Völker).

    In der ernsten Stellungnahme war viel von Verfassung, Demokratie und Rechtsstaat die Rede. Doch exzessive Polizeigewalt, Verletzte, den Wunsch der Katalaninnen nach einer Abstimmung erwähnte der Bourbone nicht. Auch Dialog, Verhandlungen und Brücken waren seines nicht. Vielmehr verortete er die Verantwortung für die jetzige Lage einzig in Katalonien — was viele gar als Freibrief für die Aufhebung der katalanischen Autonomie interpretierten.

    Obschon er sich auch direkt an die katalanische Bevölkerung wandte, sprach der Monarch kein einziges Wort auf Katalanisch. Hinter ihm hing passend das Porträt eines Ahnen, der einst die katalanische Sprache verboten hatte.

    Wenn es — nach dem Zusammenspiel staatlicher Institutionen gegen das Referendum und der beschämenden Rolle von Staatsfunk oder großen Teilen der Opposition — noch eines Beweises bedurft hätte, dass das Problem nicht nur »Mariano Rajoy« oder »PP«, sondern »spanischer Nationalstaat« heißt: Felipe VI hat ihn gestern erbracht.

    Cëla enghe: 01 02



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  • Warum immer Völkerrecht?

    In der heutigen Sendung pro & contra auf Rai Südtirol warfen sich Eva Klotz (STF) und Christoph Perathoner (SVP) minutenlang juristische Spitzfindigkeiten und Rechtsgutachten zum Völkerrecht an den Kopf. Wobei zur Verteidigung beider zu sagen ist, dass sie stellenweise auch sehr schlüssig argumentiert haben. Aber im Mittelpunkt stand immer wieder das Völkerrecht und die Frage, ob es ein Recht auf Sezession gibt und wann innere und äußere Selbstbestimmung erfüllt sind. Gilt das Sezessionsrecht im Übrigen nur für Kolonien? Muss Gewalt und Unterdrückung im Spiel sein? usw.

    Eine solche Diskussion mutet irgendwie schrecklich anachronistisch an. Wollen wir tatsächlich Konflikte des 21. Jahrhunderts mit Lösungsmodellen, die auf der Gesellschaftsstruktur und dem Gesellschaftsverständnis von vor 100 Jahren basieren, bewältigen? Wir scheitern ja bereits daran, zu definieren, was ein Volk ist.

    Einfache Annahme: 

    • Die spanische Verfassung beinhaltet nach wie vor den Unteilbarkeitspassus.
    • Die katalanischen Abgeordneten im Parlament beantragen eine Verfassungsänderung.
    • Lediglich die baskischen Abgeordneten ziehen mit den Katalanen mit und das Parlament entscheidet sich mit mehr als zwei Drittel für die Beibehaltung der Unteilbarkeit.
    • Die Katalanen organisieren eine zwar illegale aber formal allen demokratischen Richtlinien entsprechende Volksabstimmung, an der sich — um die Sache etwas einfacher und offensichtlicher zu machen — 100 Prozent der Wahlberechtigten beteiligen und zu 100 Prozent für die Unabhängigkeit in einem eigenen Staat aussprechen.

    Wollen wir jetzt wirklich diskutieren, ob das Völkerrecht die Sezession erlaubt?

    Mit welchem, auf demokratischen Prinzipien basierenden, Argument könnte man eine derartige Willensbekundung mit Verweis auf die Verfassung ignorieren?

    Und welchen Sinn würde es – wiederum von einem demokratischen Standpunkt aus – machen, die gesamte Bevölkerung eines Territoriums gegen ihren Willen zu zwingen, Teil eines Staates zu sein?



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  • #3O, Tag der landesweiten Lahmlegung.

    Aus Protest gegen das brutale Vorgehen des spanischen Staates und seiner Polizeien gegen friedliche Menschen in Katalonien — darunter Alte, Kinder und Frauen — wird heute das ganze Land von einem Generalstreik lahmgelegt. Wichtige Verkehrsachsen, einschließlich Autobahnen, sind bereits blockiert.

    Gestern schon hatte Präsident Carles Puigdemont den sofortigen Abzug von Staatspolizei (CPN) und Guardia Civil (GC) aus Katalonien gefordert. Mehrere Hotels, in denen Polizeikräfte untergebracht waren, haben ihnen die Unterkunft mit sofortiger Wirkung gekündigt, sodass sie verlegt werden mussten. Allerdings sei der Verbleib großer Schiffe, die CPN und GC als Quartier dienen,  in mehreren katalanischen Häfen verlängert worden, berichteten Medien übereinstimmend.

    Unter anderem kündigten Hafenarbeiterinnen, Feuerwehren, ÖPNV und öffentlicher katalanischer Rundfunk die Teilnahme an dem Streik »für die Würde« Kataloniens und seiner Bewohnerinnen an, der von den Großgewerkschaften CCOO und UGT mit unterstützt wird. Auch Privatunternehmen beteiligen sich, viele Geschäfte bleiben heute zudem geschlossen.

    Cëla enghe: 01



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  • Nuff said.
    Quotation

    Wahnsinn. Das Vorgehen der Polizei gegen einfache Menschen mit erhobenen Händen erzeugt Gänsehaut. Das sind Szenen, die das gemeinsame Europa mit seinem Traum von Frieden, Wohlstand und Freiheit dachte, für immer ausgemerzt zu haben.

    Die Südtiroler Parlamentarierin Michaela Biancofiore (Forza Italia), die für gewöhnlich nicht gerade für ihre Feinfühligkeit bekannt ist, verurteilt die Polizeigewalt in Katalonien entschieden. Die EU-Kommission und die Südtiroler Grünen tun das nicht. Mehr muss man nicht sagen.



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  • Scaring the population.
    Quotation

    There were thousands of riot cops on hand, on ships in the harbour. If Madrid had wanted to, it could have confiscated every ballot box within minutes and, for good measure, jammed the smartphone app the Catalan authorities were using to tally the results against the electoral roll. But prime minister Mariano Rajoy wanted to send a subtler message: let the most fervent separatists have their vote and get their heads broken, while scaring the rest of the population into non-participation, including any waverers.

    Paul Mason on The Guardian

    See also: 01 02 || 01



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