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  • Das Leben ist lebensgefährlich.

    Es ist nun schon ein paar Wochen her, dass Alexandra Aschbacher unter dem Titel »Spiel mit dem Feuer« im Wochenmagazin ff einen Leitartikel zur STF-Umfrage verfasst hat. Ebenso lange befinde ich mich in einem Zwiespalt: Bin ich zu blöd, um die verborgene feine Klinge dieses Kommentars zu erkennen oder hat Aschbacher grundlegende Zusammenhänge nicht einmal ansatzweise verstanden?

    Aschbacher schreibt:

    Etwa 85 Prozent der Südtiroler haben weder Ja noch Nein gesagt, sie haben schlicht und einfach nicht mitgemacht.

    Auch auf die Gefahr hin, dass wir uns wiederholen: Diese Aktion war eine, von einer – damals – nicht einmal 5-Prozent-Partei initiierte, selbst verwaltete Umfrage, die keinerlei rechtliche Konsequenz hatte und die von allen anderen Parteien und sämtlichen Medien ignoriert bis diskreditiert wurde. Wobei das Beteiligungsargument generell ein schwaches ist. Auch SVP und PD wurden bei den vergangenen Wahlen von insgesamt nur 37,53 Prozent der wahlberechtigten Südtirolerinnen und Südtiroler gewählt. Es regiert also eine »Minderheit« über eine Mehrheit. Niemand käme jedoch auf die Idee, der regierenden Koalition ihre demokratische Legitimation abzusprechen.

    Es wäre zu kurz gegriffen, die Selbstbestimmungs-Euphorie (sic!) von Klotz & Co. als Hirngespinst einiger weniger Verrückten (sic!) abzutun.

    Es haben sich 56.395 Menschen in Südtirol (bei einer Privatumfrage wohlgemerkt) dafür ausgesprochen, dass die Südtirolerinnen und Südtiroler selbst über die Zukunft dieses Landes befinden sollten. Ob das nun wenige oder viele sind, ist Interpretationssache. Zehntausende Menschen in unserem Land aber pauschal als “verrückt” abzustempeln ist ein starkes Stück. Und warum die Forderung nach einem basisdemokratischen Akt in einer Demokratie überhaupt »verrückt« sein sollte, muss mir Aschbacher bei Gelegenheit mal erklären.

    Man sollte sich allerdings davor hüten, das Selbstbestimmungsreferendum zum politischen Heilsbringer zu stilisieren. Es ist ein Spiel mit dem Feuer, es ist auch ein Spiel mit Illusionen und Hoffnungen. Es birgt die Gefahr, alte Feindbilder und den Konflikt um Nationalismen heraufzubeschwören. Man will den Eindruck vermitteln, dass ein komplexes Problem im Grunde eine einfache Lösung hat. Ganz so einfach ist das aber nicht.

    Erstaunlich, wie viele Allgemeinplätze, vermeintliche Kausalitäten und argumentationsbefreite Feststellungen in so wenigen Zeilen Platz finden. Etwas Neues und Unbekanntes als »Spiel mit dem Feuer« zu bezeichnen, ist banal. Im Grunde ist ein neuer Weg immer ein »Spiel mit dem Feuer«. Niemand kennt nämlich den Ausgang. Niemand kann aber auch wissen, wohin es führt, wenn wir uns nicht auf dieses Spiel einlassen und den jetzigen Weg weitergehen. Gerade in einer Zeit, in der wir die wohl tiefste Systemkrise seit Jahrzehnten durchleben, von einem »Spiel mit dem Feuer« zu sprechen, ist zudem bizarr. Wir sind doch von Brandherden (Finanzkrise & Staatsverschuldung, Aushöhlung der Autonomie, Flüchtlingstragödien, Arm-reich-Schere, Umweltkatastrophen …) umgeben – und weit und breit keine Feuerwehr in Sicht. Warum dann gerade ein neuer Weg, der mit eingefahrenen Mechanismen bricht, ein gefährliches »Spiel mit dem Feuer« sein soll, ist mir schleierhaft. Glaubt Aschbacher tatsächlich, dass ein konsequentes Ignorieren und Als-verrückt-Abtun des Wunsches innerhalb der Bevölkerung, sich gewaltfrei und in demokratischer Art und Weise zu äußern, nicht die Gefahr birgt, Konflikte heraufzubeschwören? Könnte ein von den Bewohnern eines Territoriums getragenes und dezidiert mehrsprachiges Staatsgebilde nicht ein Weg zur Überwindung von Nationalismen sein? Niemand behauptet, dass durch ein etwaiges Referendum alle unsere Probleme mit einmal verschwinden. Es wäre jedoch ein Schritt in Richtung Eigenverantwortung, Demokratisierung und Regionalisierung. Eine solche Ermächtigung des Souveräns könnte ja auch eine Antwort auf Industrielobbyismus, Turbokapitalismus und Neoliberalismus sein, wie sie nicht mehr nur ausschließlich Grüne und Postwachstumsökonomen seit Jahren fordern. Es ist angesichts der Südtiroler Demographie und der europäischen Vernetzung unwahrscheinlich bis unmöglich, dass ein Selbstbestimmungsreferendum – wie oftmals suggeriert wird – automatisch zu Kleinstaaterei, Isolationismus, Egoismus und Nationalismus führt.

    Es sind die zwei großen Separatismusdebatten [Anm. Schottland und Katalonien] in der Europäischen Union (EU) […]. Ihre Kräfte zerren am Konstrukt der Europäischen Union.

    In ihrem letzten Satz erklärt Aschbacher, dass die Grundlage der Europäischen Union die Überwindung des Nationalismus sei. Diese Feststellung ist wichtig und richtig. Wie kann es aber dann sein, dass der drohende Zerfall von Nationalstaaten am Konstrukt der Europäischen Union zerrt? Wie kann es sein, dass Territorien, die sich explizit zu diesem Europa bekennen und eine stärkere europäische Integration wünschen, als jene Staaten, von denen sie sich abspalten wollen, eine Gefahr für die Union sind? Wie kann es sein, dass inklusivistische territoriale Bewegungen (Zitat des legendären ehemaligen katalanischen Regierungschefs Jordi Pujol: «Whoever lives and works in Catalonia is a Catalan.»), die die Zugehörigkeit zu ihren Gesellschaften nicht an nationalistischen Kriterien ausrichten, das anti-nationale Projekt EU untergraben? Wenn Kommissionspräsident Barroso laut Aschbacher damit droht, besagte Regionen würden aus der EU fliegen und müssten sich um eine Neuaufnahme bewerben, dann kann das doch nur heißen, dass der Kommissionspräsident die Grundlage der Europäischen Union nicht verstanden hat und sich mehr um den (überflüssigen) Club der Nationalstaaten sorgt. Beängstigende Diagnose.



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  • »EU-Ausschluss Kataloniens undenkbar.«

    Dass Katalonien nicht von der EU ausgeschlossen werden könne, wenn es sich von Spanien loslöst, haben wir während der letzten Monate schon öfter vernommen. Interessant ist diesmal jedoch, dass diese Feststellung von einem ausgewiesenen Fachmann kommt, der ausdrücklich darauf hinweist, gegen die Unabhängigkeit zu sein. Wie das katalanische Nachrichtenportal Vilaweb berichtet, warnte der Franzose Vincent Laborderie, Professor an der belgischen Universität Löwen (Louvain), in einem einschlägigen Vortrag davor, das Sezessionsszenario in Katalonien zu unterschätzen — die Katalanen wüssten nämlich genau, dass man sie nicht aus der EU ausschließen könne. Er ging so weit, die EU und die OSZE zu einer Mediation zwischen dem spanischen Staat und Katalonien aufzurufen, um die Entwicklung noch aufzuhalten.

    Laborderie gilt als absoluter Experte: Seine universitären Forschungsbereiche betreffen die Anerkennung neuer Staaten, Vergleichsstudien von Unabhängigkeitsprozessen (Tschechoslowakei, Montenegro und Québec) sowie die politischen Entwicklungen zwischen den belgischen Landesteilen.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 06



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  • Tag+Nacht: Bürgerbeteiligung.

    Gegenüberstellung zweier Aufmacher der Südtiroler Tageszeitung. So objektiv ist Berichterstattung — und so unterschiedlich wird die Stimme der Bürgerinnen gewichtet, je nachdem, ob das Ergebnis genehm war oder nicht.

    TAZ (kreuzweise)

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05



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  • Klar und deutlich.
    Quotation

    Gestern, 10. Februar 2014 — Salto kommentiert:

    Da ist es also. Das Ergebnis des Referendums zur Direkten Demokratie. Das Volk ist zu den Urnen gegangen und hat entschieden. Klar und deutlich, das Nein unüberhörbar, doch es gibt die, die auf Durchzug schalten. Nicht hinhören wollen, oder nicht können.

    Was ist geschehen? 67.122 Südtirolerinnen (16,70% der Stimmberechtigten) haben per Referendum das neue Gesetz zur Bürgerbeteiligung abgelehnt.

    56.395 Südtirolerinnen (14,03% der Stimmberechtigten) hatten sich neulich ausdrücklich für die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts ausgesprochen — bislang weitgehend ignoriert, auch von Salto.



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  • Das Volk hat gesprochen.

    Bei der gestrigen Landesvolksabstimmung konnte die SVP nicht genügend Stimmbürgerinnen dazu bewegen, sich in die Wahllokale zu begeben und ihr Bürgerbeteiligungsgesetz zu bestätigen. Gültig bleibt demnach die »alte« Regelung, die zwar ein anachronistisches Beteiligungsquorum von 40%, allerdings auch niedrigere Hürden für die Initiierung direktdemokratischer Verfahren vorsieht, weshalb sie von einschlägigen Expertinnen als das geringere Übel betrachtet wird. Knapp zwei Drittel  (65,1%) der Abstimmenden Bürgerinnen sahen das so und zeigten der SVP-Vorlage die rote Karte.

    Machen wir uns nichts vor: Die Abstimmungsbeteiligung von nur 26,4% der Stimmberechtigten ist eine Enttäuschung, auch wenn eine massive Teilnahme von vornherein auszuschließen war. Zu abstrakt war die Angelegenheit, wiewohl eine Zustimmung sehr konkrete Folgen auf die Bürgerbeteiligung gehabt hätte. Trotzdem — in einem Land wie Südtirol, wo die Menschen seit Jahren mehr Mitbestimmung zu wünschen schienen und wo an Stammtischen gern gegen eine angeblich selbstgerechte Kaste gewettert wird, bleibt die breite Enthaltung unverständlich.

    Umso beeindruckender scheint nun angesichts dieser Zahlen die Mobilisierungsfähigkeit der Süd-Tiroler Freiheit mit ihrer Selbstbestimmungsumfrage. Obschon sie nur von einer einzigen Partei (der STF selbst) mitgetragen und von mehreren anderen sogar offen angefeindet worden war, hatten sich 61.189 Südtirolerinnen daran beteiligt — während jetzt, an einem amtlichen, von allen Parteien mitgetragenen und in jedem Fall verbindlichen Referendum, »nur« 106.305 Bürgerinnen teilnahmen.

    Trotz der niedrigen Beteiligung besteht jedoch kein Zweifel, dass der gestrige Entscheid aus demokratischer Sicht vollkommen legitim war und ist. In einer Demokratie hat niemand Anspruch darauf, dass seine nicht abgegebene Stimme im Sinne der Befürwortung oder Ablehnung interpretiert wird — wenigstens, solange alle eine faire Chance hatten, am Urnengang teilzunehmen. Dennoch werden in der SVP schon Stimmen laut, die die »Wiedereinführung« eines Quorums (LR. Arnold Schuler) fordern, damit nicht »die Minderheit über die Mehrheit entscheiden« könne. Hierzu ist folgendes anzumerken:

    • Im gestrigen Fall hätte auch ein Quorum am Ergebnis nichts geändert, da es sich um ein bestätigendes Referendum handelte: Nicht die Gegnerinnen hätten das Quorum erreichen müssen, um das SVP-Gesetz abzuschaffen, sondern die Befürworterinnen, um es zu bestätigen — das ist nicht gelungen.
    • Man kann nicht wiedereinführen, was nie abgeschafft wurde: Wie bereits erwähnt haben die Stimmbürgerinnen gestern die Beibehaltung eines Gesetzes beschlossen, das ein (hohes) Quorum enthält. Dies freilich nicht unbedingt, weil die Südtirolerinnen ein Quorum möchten, sondern möglicherweise, weil sie das SVP-Gesetz als eine noch schlechtere Alternative befunden haben.
    • Auch bei Wahlen gibt es kein Quorum: Vielerorts ist — gerade bei Europawahlen — die Wahlbeteiligung sehr gering, doch es würde niemandem einfallen, sie für ungültig zu erklären, nur weil sonst eine Minderheit über die Mehrheit entscheiden könnte.
    • Wenn wir die letzte Landtagswahl betrachten, haben SVP und PD zusammen unter Einbeziehung der Nichtwählenden wohl ebenfalls keine Mehrheit erreicht. Auch die Landesregierung, die während der kommenden Jahre völlig zu recht schaltet und waltet, vertritt somit nur eine Minderheit der Wahlberechtigten (aber eine Mehrheit der Wählenden).
    • Gestern konnte sich in der Schweiz eine umstrittene Initiative gegen »Masseneinwanderung« durchsetzen, befürwortet von 28,07% der Stimmberechtigten (50,3% Zustimmung bei 55,8% Teilnehmenden). Trotz der hauchdünnen Mehrheit und der weitreichenden Folgen dieses Entscheids sagt in der Schweiz niemand — auch nicht die Gegner — dass eine Minderheit über die Mehrheit entschieden habe.


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  • Sonntag: Vollzug!

    Eine gleichermaßen häufige wie absurde Maxime lautet, ein Selbstbestimmungsreferendum solle es in Südtirol erst geben, sobald die Selbstbestimmungsbefürwortenden die Landtagsmehrheit stellen. Als ob die Bürgerinnen nur nach diesem einen Kriterium wählten.

    Die Landtagsmehrheit — zuletzt eine sehr knappe — hatte bis vor wenigen Monaten die Volkspartei inne, und mit ebendieser hatte sie ihr Gesetz zur Bürgerbeteiligung im Alleingang (gegen Mehrheit und Opposition) durchgeboxt. Dass es ein schlechtes Gesetz ist, das die Bürgerinnenbeteiligung stark einschränkt, ist folglich nicht der einzige Grund, es am kommenden Sonntag abzulehnen. Wir Bürgerinnen sollten auch die Vorgehensweise abstrafen, demokratische Grundregeln ohne Dialog festzulegen.

    Seit der letzten Landtagswahl im Herbst verfügt die Volkspartei über keine Mehrheit mehr im Landesparlament. Der eingangs erwähnten Maxime zufolge wäre also gar kein Referendum nötig, um das von der SVP beschlossene Gesetz außer Kraft zu setzen, da es ja nur noch von einer (knappen) Minderheit im Landtag befürwortet wird. Da wir aber Demokratinnen sind, werden wir uns am Sonntag in die Stimmlokale begeben und (hoffentlich) für den nötigen Vollzug sorgen. Damit tragen wir dazu bei, dass sich in Südtirol eine andere Art der Demokratie etabliert — eine, die auch andere Mehrheiten aushält, als die gerade im Landtag vertretene. Und die uns Bürgerinnen eine echte Stimme verleiht.



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  • Schweizer Denkanstoß.

    Die neue weltweite Ricola-Kampagne »Chrüterchraft« könnte auch die heimische Wirtschaft zum Nachdenken bewegen — schließlich glaubt man hierzulande immer häufiger, man könne nur durch Anpassung und Anbiederung punkten, also durch Verzicht auf unsere Eigenheiten.

    Gerade bei für Südtirol typischen Produkten, einschließlich der Berge im Tourismus, wären wohl auch am italienischen Markt ladinische und (gar dialektale) deutsche Bezeichnungen viel öfter denkbar. Mit etwas Selbstbewusstsein und -ironie.



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  • Rhetorik ändern.

    RAI Südtirol hatte in der Sendung »Am runden Tisch« vom 3. Februar die Frage zum Thema Warum in den italienischen Medien Südtirol vielfach so schlecht dargestellt wird und warum, wie etwa in der Sendung porta a porta, gegenüber Südtirol häufig eine populistische Neiddebatte geführt wird.

    Studiogäste waren der Journalist Lucio Giudiceandrea, Senator Karl Zeller, der ORF-Journalist Georg Laich und Rom-Korrespondent des Wiener Standard Gerhard Mumelter.

    Die von Zeno Breitenberg sehr sachlich moderierte Sendung brachte einige erstaunliche Aussagen.

    Gerhard Mumelter zeigte sich darüber erstaunt, dass Landeshauptmann Kompatscher beim Antrittsbesuch in Wien immer noch mit »altem Vokabular« wie Schutzmacht, Vaterland Österreich oder der doppelten Staatsbürgerschaft hantierte. Mumelter hätte sich da ein neues Vokabular erwartet.

    Sonderbar, dass Mumelter die Bringschuld hier vor allem in der Figur des Südtiroler Landeshauptmannes sieht und nicht in den Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich das Land Südtirol bewegen muss. Es wird grad so getan, als ob der Rahmen, der Südtirols Autononomie nötig macht, nicht mehr vorhanden wäre. Existiert der Nationalstaat nicht mehr, dessen Teil Südtirol ist? Hat der Nationalstaat, dem wir angehören, seine Rhetorik und sein nationalstaatliches Selbstverständnis geändert? Reichen gebetsmühlenhaft wiederholte Floskeln von nicht mehr existenten Grenzen in Europa aus, um die Position Südtirols innerhalb eines »fremden« Nationalstaates grundlegend anders zu beurteilen?

    Der ORF-Journalist Georg Laich argumentierte ähnlich: In Europa sind die Grenzen gefallen, auch das Bundesland Salzburg müsse innerhalb Österreichs kämpfen.

    Auch hier derselbe Ansatz. Glaubt Laich tatsächlich, dass die vorgetragene Formel von den nicht mehr existenten Grenzen Wirklichkeit wird, nur wenn sie ohne Unterlass wiederholt wird? Und sieht Laich keinerlei Handlungsbedarf, was die Rolle der Nationalstaaten in der zukünftigen Architektur Europas betrifft?

    Wesentlich realitätsnäher ist da die Einschätzung des Schriftstellers Robert Menasse, der in der erst kürzlich in RAI Südtirol ausgestrahlten Sendung »Grenzfälle« sagt, »die Grenzen in Europa sind durchlässiger geworden, aber nicht überwunden«.

    Das schwierige Umfeld in dem sich Südtirol bewegt — auf der einen Seite die Wahrnehmung, den Südtirolern gehe es ja bestens und auf der anderen Seite der nationalstaatliche Rahmen, der sich in den letzten Jahren ja nicht wesentlich zugunsten Südtirols geändert hat — wurde maßgeblich von der SVP verschuldet.

    Mittlerweile zeigen sich die Folgen der Vorzeigeautonomie-Rhetorik, die bei jeder Gelegenheit nach außen transportiert wird. Es ist eben gefährlich, werktags immer die Festtagsglocken zu läuten. Das Weichspülprogramm der Vorzeigeautonomie wird vom medialen Mainstream in Südtirol und Forschungseinrichtungen wie etwa der Eurac artig mitgetragen. Dadurch wird suggeriert, Südtirol könne sich tatsächlich weitgehend selbst verwalten, was natürlich in keiner Weise den Fakten entspricht.

    Auf der anderen Seite beschwört die SVP bei jeder Gelegenheit, wie wichtig der Zusammenhalt und das geschlossene Auftreten gegenüber Rom sei. Hätten wir tatsächlich eine weitgehende Selbstverwaltung wäre dies ja nicht notwendig.

    Dieser vermeintliche Widerspruch wird selbst von Südtirols Freunden nicht mehr immer nachvollzogen.

    Was lehrt uns die Diskussion? Innerhalb der aktuellen nationalstaatlichen Ordnung sind Regionen, in besonderem Maße Regionen, die sich sprachlich/kulturell von der Titularnation unterscheiden, in irgendeiner Art und Weise immer zum Verteidigen ihrer Ansprüche verdammt.

    Diese Verteidigungshaltung kostet nicht nur wertvolle Ressourcen, sondern es gibt langfristig auch keinerlei Garantie, dass innerhalb der gegebenen nationalstaatlichen Rahmenbedingungen nicht doch das nationalstaatliche Selbstverständnis stärker ist als alle regionalistischen Selbstverwaltungsbemühungen.

    Wenn Südtirol die Rhetorik und die Richtung der Politik ändern muss, dann aus diesen Gründen: Die Autonomie war die richtige Antwort auf das falsche System des Nationalstaates. Wir können diese Antwort verteidigen, sie weiter verfeinern, werden aber dadurch nie das falsche System überwinden. Der nächste Schritt muss deshalb die Überwindung des falschen Systems sein. Wollen wir tatsächlich eine Weiterentwicklung der Südtiroler Gesellschaft, dann muss der Paradigmenwechsel und die Anpassung der Rhetorik in diese Richtung stattfinden. Die alleinige Symptombehandlung reicht hierfür nicht mehr aus. Erstaunlich, dass niemand von den Anwesenden dies erkennen wollte.



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