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  • Hope, not fear.
    Quotation

    May your choices reflect your hopes, not your fears.

    — Nelson Mandela

    See also: 01 02 03



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  • Morgen gewinnt Schottland.

    Die Schotten befinden morgen in einer Abstimmung, ob sie weiterhin Teil des Vereinigten Königreichs bleiben oder einen eigenen Staat gründen wollen. Diese demokratische Möglichkeit kam auch deshalb zustande, weil die maßgeblichen Kräfte in Westminster nicht — wie Spanien im Falle Kataloniens — Paragraphen in den Vordergrund stellten, sondern die Demokratie. Während die Gegner der Eigenstaatlichkeit monatelang in allen Umfragen eindeutig die Nase vorn hatten, sah sich London nicht bemüßigt, seinen schottischen Untertanen irgendwelche Zugeständnisse zu machen. Eine dritte Wahlmöglichkeit beim Referendum, die die Umsetzung einer weitreichenden Selbstverwaltung (sog. Devomax) beinhalten würde, hatte Premier David Cameron von vornherein kategorisch ausgeschlossen. Im Laufe der letzten Wochen haben die Unterstützer von YesScotland jedoch deutlich zugelegt, wie repräsentative Umfragen bestätigen. Die unabhängigkeitsfreundliche SNP des schottischen First Minister Alex Salmond ist für derartige Endspurts bekannt; auch bei den letzten Wahlen zum schottischen Parlament hätte bis wenige Tage vor dem Wahltag niemand darauf gesetzt, dass die Partei eine absolute Mehrheit erringt, was jedoch im letzten Moment gelang.

    Als letzthin einige Umfragen gar schon einen Sieg der Unabhängigkeitsbefürworter vorhersagten, brach in London rege Panik aus. Die Vertreter der drei wichtigsten Parteien (David Cameron, Ed Miliband und Nick Clegg) reisten gemeinsam in den Norden, um den Schotten für den Fall eines Verbleibs erhebliche Zugeständnisse in Aussicht zu stellen. Wenige Tage später wurde das Versprechen in einem veröffentlichten Dokument, das den pathetischen Titel The Vow (der Schwur) trägt, erneuert und bestätigt. Selbst eine Föderalisierung des Vereinigten Königreichs wird nicht mehr ausgeschlossen.

    Im Grunde wurde so durch die Hintertür die No– in eine Devomax-Option verwandelt — ein richtiges Nein steht also gar nicht mehr zur Verfügung. Damit wurde in Schottland widerlegt, was in Südtirol (bis heute!) behauptet wird, nämlich, dass man nicht gleichzeitig den Autonomieausbau und die Selbstbestimmung fordern könne. Vielmehr bedingt das eine geradezu das andere, und wie die Schotten nun auch abstimmen, es wird ein haushoher Gewinn für die Eigenregierung des Landes.

    Getrübt wird dieser Erfolg durch das schmutzige Spiel der unionistischen BetterTogether-Kampagne, die stimmberechtigte Zuwanderer, vor allem polnischer Herkunft, systematisch mit der Falschinformation beeinflusst haben soll, sie hätten in einem unabhängigen Schottland mit sofortiger Ausweisung zu rechnen.

    Aus -Sicht wäre natürlich in jedem Fall der Sieg der Unabhängigkeitsbefürworter interessant, weil sich daraus weitere Fallstudien bzw. Präzedenzfälle ergäben: Neben »man kann nicht gleichzeitig Autonomieausbau und Selbstbestimmung fordern« ergäben sich dann unter anderem praktische Beispiele für »man kann in der EU keine neuen Staaten gründen« und »ein neuer Staat flöge aus der Union und bräuchte Jahre für eine Wiederaufnahme«. Darüberhinaus wäre ein unabhängiges Schottland ein wichtiger Beitrag zur Regionalisierung des Kontinents.

    Wie dem auch sei: Wichtig ist, dass die Schotten morgen frei und demokratisch über die Zukunft ihres Landes befinden dürfen und das Ergebnis in jedem Fall bindend ist. Ob sie sich für die Eigenstaatlichkeit oder Devomax entscheiden, ist allein ihre Angelegenheit.

    Cëla enghe: 01 02



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  • Europa delle differenze.
    Quotation

    Può sembrare singolare che, proprio in un periodo storico in cui, anche se con tante difficoltà, l’Unione Europea è ancora un decisivo elemento di attrazione per tanti paesi che vi vogliono entrare, si manifestino al suo interno crescenti tendenze verso l’indipendenza e la frammentazione.

    Il tutto è invece molto comprensibile perché proprio l’ombrello europeo permette livelli di autonomia che, nella grande globalizzazione mondiale, non sarebbero compatibili con una vita prospera di un piccolo Paese. Senza che vi sia un disegno preciso si va quindi camminando verso la concreta costruzione di un’Europa delle differenze, con una sempre più accentuata attenzione agli aspetti dell’autodeterminazione e del pluralismo. Se ben gestito questo processo può anche venire incontro alle legittime aspirazioni dei cittadini. Mi auguro solo che le differenze non diventino eccessive perché, in questo caso, autodeterminazione e pluralismo si trasformano fatalmente in anarchia e ingovernabilità.

    Romano Prodi, già Presidente del Consiglio dei ministri italiano e presidente della Commissione europea, il Messaggero, 13.09.2014 (estratto)

    Poco tempo fa il Landeshauptmann aveva affermato che il caso sudtirolese è paragonabile piuttosto alla Catalogna che alla Scozia, in quanto il governo italiano, come quello spagnolo, sicuramente non ci consentirebbe di votare sull’indipendenza. In quanto però il Sudtirolo non ha mai ufficializzato il desiderio di organizzare un referendum sull’autodeterminazione, le affermazioni di Kompatscher appartengono alla sfera dell’astrologia. Leggendo il fondo di Romano Prodi da cui è tratta la citazione qui riportata, sorgono dubbi molto seri sulla qualità della predizione.

    Cëla enghe: 01 02 03 04 05 || 01



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  • Realisten vs. sezessionistische Träumer.

    Wenn in einem Artikel im Vorspann von “sezessionistischen Träumen” die Rede ist, kann man davon ausgehen, dass der Beitrag tendenziös ist. Politische Positionen als “Träumerei” abzutun, ist eine gängige Praxis um eine Meinung zu delegitimieren und die Überlegenheit der eigenen “realistischen” Ansicht zu untermauern.

    Der Politologe Günther Pallaver kommt in besagtem Stol-Artikel alsdann zum Befund:

    Eine Mehrheit im Südtiroler Landtag für eine Selbstbestimmung Südtirols ist unrealistisch.

    Diese Aussage ist in vielerlei Hinsicht erstaunlich — insbesondere da sie von einem Politikwissenschaftler stammt, der normalerweise objektiv, neutral und differenziert argumentieren und sich nicht vor den parteipolitischen Karren spannen lassen sollte:

    1. Realismus ist keine politische Kategorie. Die Welt, in der wir leben, ist a priori unrealistisch und unwahrscheinlich, gleichzeitig jedoch real. Indiens Unabhängigkeit, der Fall der Berliner Mauer, die Wahl Obamas oder auch die nunmehrige Abstimmung in Schottland waren in diesem Sinne extrem unrealistisch. Aber das ist irrelevant. Folge ich Pallavers “Expertenaussage” bedingungslos, wird sie zur selbsterfüllenden Prophezeiung. Tu ich das nicht, könnte passieren, was in Katalonien passiert ist.
    2. Die Mehrheit im Südtiroler Landtag ist nämlich keine stabile, gottgegebene Größe. Seit 1998 ist die Zahl jener Landtagsabgeordneten, die (offiziell) eine Abstimmung über den zukünftigen institutionellen Rahmen Südtirols fordern von drei auf mindestens elf gestiegen — rechnet man Brigitte Foppa dazu, die sich unter gewissen Bedingungen eine Abstimmung vorstellen kann (“Die Grünen als basisdemokratische Partei können sich nicht gegen ein eventuelles Referendum aussprechen.”), sind es sogar zwölf. Gut ein Drittel der 35 Abgeordneten ist also dezidiert für die Selbstbestimmung. Die SVP (17 Abgeordnete) hingegen hat den Selbstbestimmungsgrundsatz nach wie vor in der Satzung stehen (obwohl sie diesen per Landtagsbeschluss bereits einmal sogar grundsätzlich abgelehnt hat). 28 von 35 Abgeordneten gehören demnach derzeit Parteien an, die die freie Entscheidung der Südtiroler Bevölkerung über ihre staatliche Zugehörigkeit prinzipiell befürworten. In Katalonien hat die autonomistische CiU bis 2012 wie die SVP von Selbstbestimmung nichts wissen wollen. Aufgrund des gesellschaftlichen Drucks folgte ein Schwenk in Richtung pro Abstimmung.
    3. Pallaver bestätigt durch seine Aussage somit, dass die SVP der Garant für die Zugehörigkeit Südtirols zu Italien ist.
    4. Im 21. Jahrhundert könnte, ja müsste man das Recht auf Selbstbestimmung nicht als antiquiertes und ethnisch motiviertes “Völkerrecht” sondern als demokratisches Bürgerrecht verstehen, das sich nicht völkisch sondern territorial definiert. Die Schotten tun nämlich genau das. Gebürtige Schotten und britische Staatsbürger, die nicht in Schottland leben, sind nicht abstimmungsberechtigt. Alle EU- und Commonwealth-Staatsbürger, die in Schottland leben, hingegen schon. Mit dem Wilson’schen System des Selbstbestimmungsrechts der Völker hat dieses territoriale Verständnis wenig zu tun. Ein solcher Wahlmodus ist überdies das Gegenteil von Nationalismus und ist jenem der meisten anderen Staaten Europas um Lichtjahre voraus.

    Dem Landeshauptmann persönlich bleibt es dann vorbehalten, den “Klassiker” unter den Totschlagargumenten loszuwerden: Liej inant / Weiterlesen / Continua →



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  • Eingabe gegen Valsàssina.

    Kürzlich wurde vom »patriotischen Lager« des Mordes an Südtirol-Attentäter Luis Amplatz vor 50 Jahren gedacht. Im Auftrag italienischer Geheimdienste war das BAS-Mitglied 1964 vom Nordtiroler Christian Kerbler mit einer Waffe der Carabinieri erschossen worden.

    Noch im Vorfeld der umstrittenen Gedenkfeierlichkeiten hatte der Rechtsextremist Eriprando della Torre di Valsàssina an öffentlichen Flächen der Stadt Bozen faschistisch-nationalsozialistische Gegenpropaganda anbringen lassen. Außer einem Aufruf gegen Amplatz, der als österreichfreundlicher »Terrorist« bezeichnet wurde, enthielten die Plakate das an die SA-Runen erinnernde Symbol der »Unione Socialismo Nazionale« (USN) sowie das Kürzel »RSI« (Raggruppamento Sociale Italiano, Anspielung auf Repubblica Sociale Italiana).

    Vor wenigen Tagen setzte nun die Bozner Gemeinderatsmehrheit ein deutliches Zeichen gegen das ungenierte Auftreten von USN und beauftragte den Bürgermeister, Luigi Spagnolli, dagegen mit einer Eingabe bei der Staatsanwaltschaft vorzugehen.



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  • Mehr Kleinstaaten — mehr Integration!

    Der scheidende EU-Kommissar für Energie und zukünftige Kommissar für digitale Wirtschaft, Günther Oettinger, wird in der Süddeutschen Zeitung vom 11.09.2014 mit folgender Aussage zitiert:

    Die Kleinstaaterei im Energiesektor müsse aufhören. Allein könne keiner in der EU gegen die anderen in der Welt bestehen: “Die kleinen Staaten wissen es schon, die großen noch nicht”.

    Von dieser Aussage lässt sich folgendes ableiten:

    1. Kleine EU-Mitgliedsstaaten sind kooperationswilliger als große. Aufgrund ihrer geringen Größe wissen die Kleinen, dass es ohne Kooperation und Integration nicht geht.
    2. Kleinstaaterei wird zwar häufig mit »Kleinstaat« in Verbindung gebracht, betrieben wird diese aber von den großen EU-Staaten. Diese sind für die weitere europäische Integration zu groß, im globalisierten Kontext aber zu klein um noch eine nennenswerte Rolle zu spielen. Dies haben die großen EU-Staaten augenscheinlich noch nicht zur Gänze verstanden, die kleinen Staaten schon.
    3. Der Vorwurf, durch neue Staatengründungen innerhalb der EU würde die europäische Integration aufs Spiel gesetzt, ist falsch. Laut Burkhart Müller, Süddeutsche Zeitung vom 8.11.2011, bedrohen die Unabhängigkeitsbestrebungen Europa nicht, sondern sind eine Konsequenz der Integration. Konkret:

      Nicht nur die Vernetzung, auch die Entmachtung und Entmündigung der Staaten ist durch die krisenhaften Vorgänge der vergangenen Jahre so stark vorangetrieben worden, dass die neuen Regionalstaaten nicht so sehr aus ihrem bisherigen Mutterstaat heraus – als vielmehr in den Schoß Europas mit seinen innig verschlungenen Wirtschaftsbeziehungen hineinfallen würden. […] Solch ein Staatenverfall wäre nicht Ausdruck von Desintegration, sondern im Gegenteil als Folge gesteigerter Integration zu werten.

    4. Sollten in den nächsten Jahren innerhalb der EU neue unabhängige Staaten entstehen, ist dies eine Chance zu mehr Integration. Der Ball liegt bei der EU, diese Gelegenheit zu nützen und im Sinne von Robert Menasse ein Europa von unabhängigen, europäischen Regionen unterstützend zu begleiten.


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  • Indirekte Diktatur.

    Eine aufwändige Tour durch Südtirol, Bürgergespräche in sämtlichen Bezirken, Einbindung von Interessensgruppen und Vereinen. So will die Erste Gesetzgebungskommission des Landtages in Erfahrung bringen, welche Erwartungen die Südtirolerinnen und Südtiroler an ein neues Gesetz zur Regelung der Bürgerbeteiligung haben. Dies kündigt Magdalena Amhof (SVP) im heutigen TAZ-Gespräch an, gibt aber gleichzeitig klar zu verstehen, dass der Gesetzesentwurf der Initiative für mehr Demokratie im Landtag keine Chance hat.

    Doch: Wozu will man die Meinung der BürgerInnen erfassen, wenn von vornherein feststeht, was am Ende herauskommen darf und was nicht? Es muss daran erinnert werden, dass der Vorschlag der Initiative von einem Drittel der SüdtirolerInnen — deren Vorschläge nun öffentlich(keitswirksam) eingeholt werden sollen — in einer Abstimmung für gut befunden wurde.



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  • Schottlands Referendum in Südtirols Mainstream-Medien.

    Zehn Tage fehlen bis zur Abstimmung in Schottland, die darüber entscheidet, ob das Land Teil des Vereinigten Königreichs bleibt oder ein unabhängiger, souveräner Staat wird. Die jüngsten Umfragen sehen erstmals »Yes« in Führung, was dem Thema auf den britischen Inseln in der verbleibenden Zeit bis zum Referendum wohl einen Platz auf den Titelseiten der Zeitungen garantiert. Doch nicht nur London wird sich in den nächsten zehn Tagen noch intensiv mit Schottland auseinandersetzen, auch der europäische Kontinent verfolgt mit zunehmendem Interesse das schottische Unabhängigkeitsreferendum.

    Einmal ist dieses Referendum ein Präzedenzfall für die EU. Die Union hat sich darauf selbstverschuldet nicht vorbereitet. Anstatt zumindest ansatzweise eine Vorlage für klare Scheidungsregeln auszuarbeiten, hat man mit Drohungen und Einschüchterungen reagiert.

    Zusätzlich dürfte das Referendum in anderen nach Unabhängigkeit strebenden Regionen, wie Katalonien, Baskenland, Flandern, Venetien und weiteren mit Spannung erwartet werden.

    Verwunderlich, wie Südtirols Mainstream-Medien bisher darüber berichtet haben. Das Thema Schottland ist für eine Minderheitenregion ja nicht irgendein Thema. Da werden erstmals in Westeuropa für viele als heilig und unverrückbar angesehene nationalstaatliche Grenzen ernsthaft durch ein demokratisches Votum, ohne innere oder äußere Bedrohung, in Frage gestellt und Südtirols Mainstream-Medien reagieren darauf milde gesagt äußerst zurückhaltend.

    Das Thema wurde bisher kleingeredet, die üblichen »Experten« dürfen gebetsmühlenhaft, wie schon gefühlt seit 15 Jahren, ihre ablehnenden Meinungen (oft als Gewissheiten verpackt) zum Thema Selbstbestimmung kundtun oder irgendwelche Juristen und Ökonomen malen ein eher pessimistisches bis düsteres Bild an die Wand.

    Vielfach begnügt man sich mit der Wiedergabe von reinen Agenturmeldungen. Nicht, dass warnende Stimmen nicht Teil einer differenzierten Berichterstattung sein dürfen, aber von einer differenzierten oder gar engagierten Berichterstattung, die das Thema in all seinen Facetten beleuchtet, kann nicht einmal ansatzweise die Rede sein.

    Positive Ansätze sind vielleicht die Abhandlung mit Carmen Gebhard in der ff Nr. 35/2014 oder ein Artikel in den Dolomiten vom 27.08.2014, als man im Untertitel zumindest attestierte, dass »Londons Angstkampagne ins Leere läuft«.

    Schon jetzt lassen sich, unabhängig vom Ausgang des schottischen Referendums vom 18. September 2014, einige Schlüsse ziehen:

    1. Im Gegensatz zu Schottland gibt es in Südtirol keine ergebnisoffene und gesamtgesellschaftliche Diskussion zum Thema Unabhängigkeit. Dies spiegelt auch der Südtiroler Mainstream wider bzw. dieser ist sogar hauptverantwortlich, dass es diese Diskussion nicht gibt. Der Ball wird prinzipiell flach gehalten. Der Grund hierfür liegt nicht darin, dass es keine gesellschaftliche Notwendigkeit einer breit angelegten, ergebnisoffenen Diskussion zu diesem Thema gibt. Diese Notwendigkeit wird ebenso ignoriert, wie die 60.000 Stimmen bei der selbstorganisierten Umfrage der STF.
    2. Schottland erreicht durch dieses Referendum ein anderes Niveau an Demokratie und Mitbestimmung. Schon allein die Tatsache, dass über dieses Thema abgestimmt werden darf ist ein demokratiepolitischer Quantensprung. Dabei ist es ja nicht so, dass London den Schotten freiwillig ein Referendum gewährt. Es waren die Forderungen der SNP, die den Weg zum Referendum freimachten. In Südtirol werden diese Forderungen weder von den Regierungsparteien, noch von den Mainstream-Medien artikuliert bzw. als sinnvolle Option zur Diskussion gestellt. Entsprechend muss sich der Zentralstaat dazu nicht einmal äußern.
    3. Als Panikreaktion auf die jüngsten Umfragen bietet London den Schotten nun weitreichende Kompetenzen an, selbst von einer Umwandlung Großbritanniens in eine lose Föderation ist die Rede. In Südtirol heißt es immer, man könne nicht zweigleisig fahren. Wenn man die Unabhängigkeit fordere nimmt einem der Zentralstaat die Autonomie. Und man müsse gegenüber dem Zentralstaat Verlässlichkeit zeigen. Ein Totschlagargument, das an Naivität kaum zu überbieten ist und derzeit durch die Entwicklungen in Schottland geradezu pulverisiert wird. Auch dies wird von Südtirols Mainstream-Medien natürlich nicht thematisiert.
    4. In den nach Unabhängigkeit strebenden Regionen gibt es höchst unterschiedliche Facetten von Parteien und gesellschaftlichen Gruppen, die diese Forderungen tragen. Selbst Reiner Luyken, ein Gegner der schottischen Unabhängigkeit, gibt zu, dass es sich in Schottland um keine dumpfen Rechten handelt, sondern um Menschen, die in Deutschland vorwiegend die Grünen oder die SPD wählen würden. Eine Differenzierung der unterschiedlichen Unabhängigkeitsbewegungen in Europa findet in Südtirols Medien höchstens am Rande statt. Auch dies täte der Diskussion gut.
    5. Durch die ergebnisoffene und vielfach engagiert geführte Debatte in Schottland wurden wichtige Zukunftsthemen eines jeden Unabhängigkeitsprojektes von verschiedesten Blickwinkeln beleuchtet.
      Wie sieht es wirtschaftlich aus? Was passiert mit der Währung? Was ist mit der EU-Mitgliedschaft? Wie werden die Schulden aufgeteilt? Wem gehören Ressourcen wie das Öl in der Nordsee?
      Dass auf viele dieser Fragen noch keine abschließenden Antworten gefunden werden konnten liegt weniger an den Unabhängigkeitsbefürwortern als an deren Gegnern, die größtenteils mit Angstmache und nicht mit konstruktiven Beiträgen aufhorchen ließen. Nichtsdestotrotz haben sich durch das schottische Referendum weltweit Medien und Experten differenziert zu zentralen Fragen eines unabhängigen Schottlands geäußert. Ohne Referendum hätte es diese zum Teil differenzierten und konstruktiven Äußerungen nicht gegeben.

    Schade, dass Südtirol in einschränkender und selbstgefälliger »Vorzeigeautonomie-Rhetorik« immer noch glaubt den einzigen und besten Weg regionalistischer Entwicklung in Europa zu kennen. Unsere Mainstream-Medien tragen einen hohen Grad an Verantwortung, dass die für die Entwicklung der EU zukunftsweisenden Diskussionen in Schottland und Katalonien bisher weitgehend ohne konstruktiven Beitrag aus Südtirol leben.



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