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  • Sprachlose Kaufgewohnheiten.

    Wie wir regelmäßig feststellen, sind Erhebungen zu Sprachkenntnissen und Sprachgebrauch in Südtirol Mangelware: So gibt es kaum belastbare Daten, die die Entwicklung der (Zweit-)Sprachkenntnisse im historischen Vergleich darstellen. Ein umfassendes Sprachbarometer wurde zuletzt im Jahr 2004 veröffentlicht — offenbar befindet sich nun eine zweite Ausgabe in Vorbereitung, im Abstand eines ganzen Jahrzehnts. Selbst dort sind jedoch wesentliche Daten so aufbereitet, dass sie wichtige Fakten verschleiern.

    In einem mehrsprachigen Land wie Südtirol, wo Forderungen nach besserer Sprachvermittlung zum politischen Alltag gehören, erstaunt diese Vernachlässigung systematischer Erhebungen. Auch Politiker mit »interethnischem« Anspruch erheben bislang kaum Forderungen, den Status Quo besser zu erforschen.

    Vor wenigen Tagen veröffentlichte das Statistikinstitut des Landes die Daten über die Kaufgewohnheiten der Südtiroler. Dabei sollten die Befragten auch Gründe angeben, warum sie gegebenenfalls außerlandes einkaufen. Gewählt werden konnte aber nur zwischen vier vorgefertigten Kategorien: Preis, Auswahl, Service und Qualität. Einmal mehr wurde der Faktor Sprache vernachlässigt, obwohl es doch gerade in einem Land wie unserem wichtig wäre, in Erfahrung zu bringen, inwieweit die Menschen mit Vorliebe in Österreich einkaufen, weil

    • sie zuhause häufig nicht in ihrer Sprache beraten werden;
    • zum Lieferumfang vieler Produkte kein Handbuch in deutscher Sprache gehört;
    • hier erworbene IT-Produkte oft nicht mit deutscher Software (z.B. HTC, Brother) oder Tastatur (Laptops…) erhältlich sind.

    Meiner Erfahrung (aus dem persönlichen Umfeld) nach ist dies bei Einkäufen im deutschsprachigen Ausland zumindest ein Teilfaktor, und zwar meist keineswegs aus ideologischen, sondern aus handfesten praktischen Gründen. Diesbezügliche statistische Erkenntnisse sollten in einer mehrsprachigen Realität eigentlich selbstverständlich sein. Kaufleuten würden sie gestatten, Kundenwünsche besser zu verstehen und Nachbesserungen vorzunehmen.

    Es kann natürlich sein, dass viele der Befragten »Sprache« unter »Service« subsumieren, doch das werden wir leider nie wissen. Zudem gilt es, auf eine zweite Schwäche der Erhebung hinzuweisen: Mehrfachnennungen waren nicht möglich, als Grund für den Einkauf jenseits der Landesgrenzen konnte also nur der Preis oder die Auswahl oder die Qualität oder der Service genannt werden. Dabei ist realistisch, dass eine Mischung mehrerer Gründe (etwa Preis und Qualität bzw. Auswahl und Beratungssprache) für einen Einkauf außerlandes ausschlaggebend ist.

    Dem Astat habe ich diese Überlegungen zukommen lassen, doch der Antwort entnehme ich, dass man an der bisherigen Erhebungsart (vorerst) festhalten will. Daten zur Sprache bleiben in Südtirol also auch in Zukunft Mangelware.



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  • Wen interessiert’s?

    Grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien wie Unschuldsvermutung und Verhältnismäßigkeit stehen in Italien nicht sehr hoch im Kurs. Das ist bekannt. Auch die neueste römische Maßnahme, die seit einigen Tagen für Gesprächsstoff sorgt, ist diesbezüglich keine Ausnahme. Dass jeder, der in seinem Arbeitsbereich mit Minderjährigen in Kontakt kommt, einen Strafregisterauszug beizubringen hat und der Arbeitgeber bei Nichtbeachtung bis zu 15.000 Euro Strafe zahlen muss, mag gut gemeint sein. Zielführend – geschweige denn durchdacht – ist diese Vorschrift jedoch bestimmt nicht. Zur Bekämpfung von sexuellem Missbrauch gibt es effektivere, weniger bürokratische Methoden.

    Was in der ganzen Diskussion meist außer Acht gelassen wird, aber gesamtgesellschaftlich noch viel schwerer wiegt als nur dieses eine “dumme Gesetz” (das keines ist, da es sich wieder einmal um ein von der Exekutive verabschiedetes “gesetzesvertretendes Dekret” handelt), ist der erschreckende Dilettantismus, mit dem hier zu Werke gegangen wird und vor allem die Nonchalance, die daraus resultiert.

    Die Akzeptanz von Gesetzen hängt von verschiedenen Faktoren ab. Einer davon ist die Verhältnismäßigkeit. Ein anderer die konsequente Exekution. Ein dritter betrifft die Umsetzbarkeit. Wenn die betroffenen Institutionen, Betriebe und Vereine am Donnerstag erfahren, dass sie bis Sonntag die Strafregisterauszüge für ihre Mitarbeiter brauchen, es aber noch nicht einmal klar ist, wer aller einen solchen Auszug benötigt, dann ist das eine bürokratische Hürde, die nicht genommen werden kann. Und selbst wenn man von der Verpflichtung bereits unmittelbar nach Verabschiedung des Dekrets am 4. März 2014 erfahren hätte, so wären die Gerichte – sprich der Staat – wohl nicht in der Lage gewesen, innerhalb so kurzer Zeit die hunderttausenden – wenn nicht Millionen – Auszüge auszustellen. (Könnte man ein Gericht eigentlich verklagen, wenn man trotz nachweislich rechtzeitigen Antrags seinen Auszug nicht fristgerecht bekommt und somit gezwungen wäre, ein Gesetz zu missachten sowie Gefahr laufen würde, 15.000 Euro Strafe zu bezahlen?)

    Es wäre spannend gewesen, wenn alle Betroffenen in Italien am Freitag pflichtbewusst die Gerichte gestürmt hätten. Aber das ist freilich nicht passiert. Denn längst hat – verständlicherweise – diese Gleichgültigkeit um sich gegriffen, die einen Sätze wie “Das ist doch Schwachsinn. Und überhaupt. Das geht sich nie aus. Ich warte erstmal ab. Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird.” sagen lässt. Und so ist einmal mehr von “Aufschub” und “Nachbesserung” die Rede, weil die Vorschrift nicht fristgerecht umsetzbar ist und somit auch nicht mit Inkrafttreten exekutiert werden kann.

    Die Konsequenz daraus ist, dass sowohl Gesetzgeber als auch Gesetze nicht mehr ernst genommen werden (können). Einen schlimmeren Befund für einen demokratischen Rechtsstaat kann man sich kaum vorstellen.



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  • Eins zu null.
    Quotation

    Die Katalanen und die restlichen Spanier haben sich vermischt, in ihren Adern fließt dasselbe Blut.

    — Mariano Rajoy (PP), spanischer Ministerpräsident

    Katalane zu sein hat mit Blut nichts zu tun. Dieses Land hat stets auf das ‘ius soli’ gesetzt, nicht auf das ‘ius sanguinis’, und es ist Katalane, wer in Katalonien lebt […]. Das Blut hat mit Ethnien zu tun, in Katalonien haben wir aber viele sehr unterschiedliche Menschen integriert.

    — Artur Mas (CiU), Präsident von Katalonien

    Vertreter des Nationalstaats, das unterstreicht die Aussage von Rajoy, können es nicht lassen, angeborene Merkmale als Grund für staatliche Zugehörigkeit zu sehen. Bewusst oder unbewusst.

    Cëla enghe: 01 02



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  • È normale…

    Poter consultare la popolazione è normale. Ecco perché (con sottotitoli in italiano).

    Cëla enghe: 01



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  • VG stützt katalanischen Prozess.

    Vor wenigen Tagen wurde international die Nachricht verbreitet, das spanische Verfassungsgericht (VG) habe die Souveränitätserklärung des katalanischen Parlaments für verfassungswidrig erklärt, ja sogar den Selbstbestimmungsprozess gestoppt. In Wahrheit ist jedoch die PP-Zentralregierung unter Mariano Rajoy mit ihrer Anfechtung weitgehend abgeblitzt — und dies, obwohl das VG stark politisiert und sein Vorsitzender selbst ehemaliges PP-Mitglied ist.

    Aufgehoben hat das Gericht lediglich einen (!) von neun Punkten der umstrittenen Erklärung, nämlich den ersten, der da lautet:

    Das Volk von Katalonien hat aufgrund demokratischer Legitimität die politische und juristische Souveränität [inne].

    Die Richter glaubten, dass dies der spanischen Verfassung widerspreche, da diese ausdrücklich bestimme, dass die Souveränität vom gesamten spanischen Volk ausgeht. Sie urteilten aber, dass das in der Erklärung enthaltene Selbstbestimmungsrecht (derecho a decidir) nicht untrennbar mit diesem ersten Punkt verknüpft ist, weshalb die übrigen acht Punkte gesondert bewertet und gar für verfassungskonform gehalten werden konnten. Auszug aus dem Urteil:

    Die weiteren Prinzipien sind, wie wir sehen werden, verfassungskonform und lassen die Interpretation zu, dass das “Recht der BürgerInnen Kataloniens, selbst zu bestimmen” nicht als Ausdruck eines von der Verfassung nicht anerkannten Selbstbestimmungsrechts oder im Sinne einer ebensowenig anerkannten Souveränitätsaneignung verkündet wird, sondern als ein politisches Ziel. Dieses kann man nur dann mit “demokratischer Legitimität”, “Pluralismus” und “Legalität” erreichen, wie die Souveränitätserklärung […] ausdrücklich festhält, wenn der Prozess die verfassungsmäßige Legalität achtet.

    […]

    Die Verfassung benennt nicht und kann auch nicht ausdrücklich alle Probleme benennen, die innerhalb der verfassungsmäßigen Ordnung entstehen können, speziell jene, die dadurch hervortreten, dass ein Teil des Staates seinen juridischen Status ändern möchte. Solcherartige Probleme können nicht von diesem Gericht gelöst werden, dessen Funktion es ist, die genaue Einhaltung der Verfassung zu überwachen. Deshalb sind die öffentlichen Gewalten, aus denen unser Staat besteht, dazu aufgerufen, die Probleme, die in dieser Hinsicht entstehen, im Dialog und durch Zusammenarbeit zu lösen.

    […]

    Die Vorherrschaft der Verfassung darf nicht mit der Notwendigkeit einer positiven Annahme des Grundgesetzes verwechselt werden, denn in unserer Verfassungsordnung ist für ein Modell von “militanter Demokratie” kein Platz, das heißt für ein Modell, das nicht nur die Einhaltung, sondern auch die positive Annahme dieser Ordnung und insbesondere der Verfassung vorschreibt. […] Dieses Gericht hat [bereits früher] anerkannt, dass in unserer Verfassungsordnung alle Ideen Platz finden und dass es keinen normativen Kern gibt, der nicht reformierbar wäre.

    […]

    Aus den genannten Gründen muss der Schluss gezogen werden, dass der Bezug auf das “Selbstbestimmungsrecht” (derecho a decidir), der in der angefochtenen Erklärung enthalten ist […] diesen verfassungsmäßigen Prinzipien nicht widerspricht und dass [die Erklärung] insgesamt […] einen politischen Willen zum Ausdruck bringt, der im Rahmen der Verfassung verfolgt werden kann.

    Übersetzung:

    Für die Zentralregierung ist dieser Entscheid eine schallende Ohrfeige, hatte sie sich doch — wie es auch hierzulande gang und gäbe ist — mehrfach erlaubt, das Urteil der Verfassungsrichter vorwegzunehmen und den katalanischen Prozess für illegal zu erklären, was jedoch offenbar nicht haltbar ist.

    Die katalanische Regierung hat erneut die Verfahrenseröffnung verurteilt, da es sich bei einer Erklärung (Resolution) nur um eine Willensbekundung — und noch nicht um einen juridischen Akt — handle, weshalb sich das Gericht in den Bereich der Meinungsfreiheit vorgewagt habe. In der Sache zeigte sich die katalanische Regierung jedoch mit dem Ergebnis sehr zufrieden, da es zahlreiche juristische Ansätze und Argumente für die Fortführung des Prozesses enthalte.

    Einmal mehr zeigt sich, dass es nicht sinnvoll ist, in vorauseilendem Gehorsam zu erstarren. Auch unser Weg, einen verfassungskonformen Unabhängigkeitsprozess einzuleiten, erfährt so indirekt Bestätigung.

    Cëla enghe: 01



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  • Spielwiese für Faschos.

    Erst wenige Tage ist es her, dass Neonazis in einem öffentlichen Lokal der Gemeinde Leifers ein Konzert veranstalten konnten. Der rechte Verwalter leugnete, die linke Bürgermeisterin (ihres Zeichens Vorsitzende des PD) gab’s letztlich zu, doch niemand übernahm Verantwortung. Man werde künftig besser aufpassen, so das Versprechen.

    Schauen sich die Neonazis eben nach einer anderen Location um, zum Beispiel ihre eigenen »Rockaforte« in Bozen. Wie die Antifa nun angibt, sei dort schon das nächste Faschistenkonzert angekündigt — wie passend: am 25. April. Welch ein Hohn… genau den Tag, als die Befreiung vom Faschismus (!) gefeiert werden soll, wollen die Ewiggestrigen nutzen, um uns vorzuführen, wie lebendig sie nach wie vor sind und wie unbehelligt sie in Südtirol agieren können.

    Immerhin bleiben jetzt drei Wochen Zeit, um dies zu verhindern. Sonst? Kann man immer noch sagen, man werde beim nächsten Mal besser aufpassen.


    Faschismen/ Termin/ · · · · · PD&Co/ ·

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  • (Aus)weglos oder willenlos?
    Quotation

    Wer etwas will, sucht Wege, wer etwas nicht will, sucht Gründe.

    — Harald Kostial, Nürnberger Unternehmer

    Diese gelungene Erweiterung des altbekannten “Wo ein Wille, da ein Weg”-Gedankens, trifft tagtäglich auf den politischen Diskurs in Südtirol zu. Ein Großteil der Energie hat sich auf das Bewahren und Verteidigen — und den damit einhergehenden Reflex der “Das geht nicht, weil”-Argumentation — verlagert. Das Visionäre und das Gestalterische geraten dadurch ins Hintertreffen. Für zukunftsweisende Politik ist dies eine fatale Diagnose.

    Cëla enghe: 01 02 03 04



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  • Sparen wir uns den Nationalstaat.

    In der Süddeutschen Zeitung vom 29.03.2014 provoziert Stefan Ulrich mit einem Vergleich zwischen Südtirol und der Krim. Er ersetzt die Krim kurzerhand durch Südtirol, die Ukraine durch Italien und Russland durch Österreich. Klingt alles absurd. Ist es auch, sollte man meinen. Ziel der Übung: Wohl ein Vergleich zwischen innereuropäischen Unabhängigkeitsbestrebungen und den Vorgängen in der Ukraine.

    Die EU hat den Umgang unter den Mitgliedsländern zivilisiert, sie sorgt für einen gemeinsamen Markt und die NATO sorgt für militärische Sicherheit. Warum also sollte eine nach Unabhängigkeit strebende Region zur Zugehörigkeit zu einem bestimmten Nationalstaat gezwungen werden? Warum sollte es nicht möglich sein, dass Katalonien, Schottland oder Südtirol als souveräne, unabhängige Regionen weiterhin Mitglied der EU bleiben und der Prozess, der den Weg dorthin ebnet, von höchster EU-Ebene definiert und begleitet wird?

    Das Prinzip der Unantastbarkeit der nationalstaatlichen Grenzen scheint eines der letzten europäischen Tabus zu sein.

    Stefan Ulrich glaubt, dass die nach Sezession strebenden europäischen Regionen mit einem Drei-Ebenen-Modell beruhigt werden könnten: Ebene 1 – die EU, Ebene 2 – die heutigen Nationalstaaten und Ebene 3 – die Regionen.

    Eine Antwort darauf, warum Regionen, die innerhalb der EU souverän und unabhängig sein möchten überhaupt eine zweite Ebene benötigen, gibt er nicht. Möglicherweise kann sich der Autor einfach nicht vom Konzept der nationalstaatlichen »Solidargemeinschaft« lösen. Auch deshalb wird das Solidaritätsargument ins Spiel gebracht. Es scheint mittlerweile so zu sein, dass jede nach Unabhängigkeit strebende Region sich entweder verhöhnen lassen muss, wenn die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit nicht eindeutig ist, oder der mangelnden Solidarität bezichtigt wird, wenn ein hoher Nettoüberschuss an den Zentralstaat wandert.

    Für Stefan Ulrich ist im Falle von Venetien, Südtirol, Katalonien und Schottland vor allem letzteres der Fall: Mangelnde Solidarität, die nach einer erfolgten Unabhängigkeit umso größere soziale Verwerfungen in Spanien, Italien oder Großbritannien hinterlassen würde.

    Ökonomisch ist dieses Argument in keiner Weise belegt. Selbständigkeit erzeugt ein neues Niveau an Eigenverantwortung. Es wäre nicht verwunderlich, wenn Sizilien oder Sardinien ohne den Zentralstaat ökonomisch besser leben würden als heute. hat sich zudem immer für einen innereuropäischen Finanzausgleich ausgesprochen, der klaren Regeln und Zielsetzungen folgen muss. Der Nettoüberschuss Südtirols an den Zentralstaat folgt dagegen weder klaren Regeln, noch dient er irgendeiner nachvollziehbaren Zielsetzung. Zudem setzen die Summen, um die es mittlerweile geht, die Zukunft Südtirols aufs Spiel.

    Einige Zahlen:

    • Südtirol (Einwohner: 0,5 Mio., BIP: 18,5 Mrd.) dürfte heuer einen Nettoüberschuss von 1,5 Milliarden Euro an den Zentralstaat überweisen. Die volkswirtschaftliche Gesamtsituation Südtirols dürfte sich aufgrund der steigenden italienischen Staatsverschuldung sogar um über 2 Milliarden Euro verschlechtern.
    • Bayern (Einwohner 12,5 Mio., BIP: 488 Mrd.) zahlt innerhalb des deutschen Länderfinanzausgleichs 2013 eine Summe von 4,3 Milliarden Euro. Dagegen will der Freistaat rechtlich vorgehen.
    • Die Staatsverschuldung Griechenlands betrug 2011 355 Milliarden Euro. Seither folgt ein Rettungspaket nach dem anderen. Warum mag nicht (z.B.) Deutschland die griechischen Schulden in vier bis fünf Jahren vollständig abzahlen? Je nachdem, wie wir rechnen, entspräche der Südtiroler Beitrag von 1,5 Milliarden Euro an den Zentralstaat ca. 85 Milliarden Euro, die Deutschland an Griechenland überweisen würde. In 4 bis 5 Jahren wäre Griechenland schuldenfrei — als Akt der europäischen Solidarität könnte man dies doch verlangen dürfen? Südtirol überweist auf seine Wirtschaftskraft bezogen diesen Betrag an den Zentralstaat und muss sich dafür noch vorschreiben lassen wo und in welchem Ausmaß gespart werden soll.

    A propos Einsparungen: Im Gesundheitsbereich sollen in Südtirol heuer 40 Millionen Euro eingespart werden. Der Ärztegewerkschaft ANAAO fällt zu diesem Thema nichts besseres ein, als die Schließung der Krankenhäuser in Innichen, Sterzing und Schlanders zu fordern. In einer Woche überweisen wir den Betrag von 40 Millionen Euro ohne jegliche Gegenleistung an den Zentralstaat. Daran etwas zu ändern fällt der zentralistischen, nicht selten nationalistisch angehauchten Gewerkschaft ANAAO nicht ein.

    Das Ökonomische, so wichtig es auch ist, sollte jedoch nicht den Blick auf andere zentrale Themen verschleiern. Stefan Ulrich warnt vor dem Streben nach neuen völkisch fundierten Nationalstaaten. Dies wäre tatsächlich ein fataler Ansatz. Doch gerade die bestehenden Nationalstaaten haben bisher vielfach wenig Sensibilität für die sich von der Titularnation unterscheidenden Regionen entgegengebracht. Gerade deshalb besteht die große Chance einer europäischen Weiterentwicklung darin, dass der Kontinent vor allem an den Bruchlinien der Nationalstaaten neu entsteht und zusammenwächst. Ein Zusammenwachsen durch neue, mehrsprachige, nicht nach nationalen Kriterien definierte, unabhängige und in Europa eingebettete Regionen. An den nationalstaatlichen Bruchlinien, wo viele willkürlich gezogene Grenzen noch nie viel Sinn machten kann für Europa ein neuer Mehrwert entstehen, der vor 100 Jahren zerstört wurde. Die nach Unabhängigkeit strebenden Regionen an den Bruchlinien müssen allerdings jeglichen »nationalstaatlichen« Versuchungen widerstehen.



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